Appell von Rechtsanwält*innen an die Landesregierung:
Kürzungen im Sozialbereich für 2021 unbedingt abwenden!
Mit Entsetzen haben wir, im Migrationsrecht und darüber hinausgehend tätige Rechtsanwält*innen, von den ursprünglichen Kürzungsplänen der sächsischen Landesregierung erfahren. Der gesamte soziale Sektor wäre betroffen gewesen: Gleichstellung, Jugendhilfe, die, welche Menschen beraten, die hier um Schutz suchen.
Dieser Schock hat deutlich vor Augen geführt, wie bedroht und fragil die Situation von zivilgesellschaftlichen Organisationen in diesem Bereich ist. Als Rechtsanwält*innen blicken wir auf eine wertvolle Zusammenarbeit mit diesen Organisationen und deren Beratungsstrukturen, die wir als unabdingbar für unsere eigene Tätigkeit ansehen – wir warnen daher eindringlich davor, die Finanzierung dieser Bereiche zu vernachlässigen.
Wir möchten klarstellen: wichtige und bedeutende Projekte in Dresden, wie die Asyl- und Fachberatung des Sächsischen Flüchtlingsrates, ‚borderless diversity‘ des Gerede e.V. und viele andere in ganz Sachsen sind essentiell in der (sozialen) Geflüchtetenarbeit!
Einige Argumente, weshalb wir als Anwält*innen Kürzungen in diesem Bereich nicht hinnehmen können:
- Gerade mobile Beratungsangebote sind im ländlichen Raum die einzige unabhängige Struktur, auf die Geflüchtete zugreifen können.
- Beraten wird zum Asylverfahren und zur aufenthaltsrechtlichen Situation, es wird beim Ausfüllen von Formularen unterstützt. So wird auch sichergestellt, dass Mitwirkungspflichten nachgekommen wird.
- Wir arbeiten seit Jahren mit verschiedensten Beratungsstellen erfolgreich zusammen. Von den Behörden ist eine solche Unterstützung – und ja, sogar Ausländerbehörden haben den Auftrag, ihre Ratsuchenden zu unterstützen – in der Art und Weise nicht oder nicht ausreichend zu erwarten.
- Nicht allein im ländlichen Raum, gerade auch in den „Ballungsgebieten“ liegt der Betreuungsschlüssel der sozialen Arbeit bei bis zu 1:200. Besonders vulnerable Schutzbedürftige fallen ohne die Unterstützung lokaler Beratungsstrukturen durch das Raster und haben damit oftmals auch keinen notwendigen Zugang zu Rechtsanwält*innen.
- Schon die bisherigen Kürzungen bei Trägern der Geflüchtetenarbeit in einzelnen Kommunen – beispielsweise im Landkreis Bautzen – haben deutlich gezeigt, wie schwierig dadurch die Arbeit für uns Anwält*innen geworden ist. Ansprechpartner*innen vor Ort fehlen, Unterstützungsmöglichkeiten sind nicht mehr gegeben.
- Fehlende Unterstützungsstrukturen schaden vor allem und in erster Linie den betroffenen Personen. Dies ist für sich allein unverantwortlich und eines Rechtsstaates nicht würdig. Der Verlust weiterer Beratungsstrukturen führt – unabhängig von der finanziellen Unsicherheit der in diesem Bereich Beschäftigten – zu einer massiven Einschränkung unserer anwaltlichen Tätigkeit.
Dass Entscheidungen über die Projektförderung möglicherweise erst im Sommer und damit weit nach Ende der Projektfinanzierung zu erwarten sind, ist nicht hinnehmbar.
Wir fordern die sächsische Landesregierung daher auf, den Haushalt unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der genannten Beratungsstrukturen in allen Bereichen des sozialen Zusammenlebens unverzüglich zu beschließen. Ein Schutzmechanismus, der auch die besonders gefährdeten Strukturen mitdenkt, deren Projektlaufzeit neu beginnen soll, muss möglich sein!
Das sang- und klanglose Auslaufenlassen dieser Projekte würde tiefe Gräben in Sachsen entstehen lassen. Dies muss verhindert werden!
bisher unterzeichnet von:
RAin Carolin Helmecke (Dresden)
RAin Vanessa Kayser (Dresden)
RAin Anne Nitschke (Dresden)
RA Oliver Nießing (Dresden)
RA Mark Feilitzsch (Dresden)
RA Leo Matthias Waltermann (Chemnitz)
RAin Isabel Antz und Anna Irps /Advocat (Chemnitz)
RAin Elena Bogdanzaliew (Dresden)
Christiane Illgen Sozialpädagogin und Engagierte (Dresden)
RA Christian Mucha, RAin Julia Röhrbein, RA Daniel Werner / Kanzlei-Kollektiv-Leipzig (Leipzig)
RA Raik Höfler (Leipzig)
sowie weiteren Rechtsanwält*innen und Unterstützer*innen