Bürgerbündnis Hoyerswerda: Offener Brief – Corona-Risiko mit Ansage

Anmerkung des SFR: Das Bürgerbündnis Hoyerswerda hat uns gebeten, diese Pressemitteilung auf unserer Website zu teilen. Dieser Bitte kommen wir gerne nach.

Offener Brief – Corona-Risiko mit Ansage

Bürgerbündnis „Hoyerswerda hilft mit Herz“ Hoyerswerda

Manche wundern sich, warum der Landkreis Bautzen deutschlandweit mit führend ist bei den Inzidenzzahlen. Eine Ursache hat der Landkreis selbst dazu beigetragen bzw. vorsätzlich herbeigeführt.

Schon bei der 1.Welle im Frühjahr wurde der Landkreis darauf hingewiesen, dass die Gesamtunter-künfte für Asylbewerber in Kamenz und Hoyerswerda die nötigen Hygienevorschriften nicht einhalten können (gemeinsame Sanitäranlagen und Küchennutzung).

Dazu hatte der 1.Beigeordnete, Udo Witschas, Position bezogen: „Wir haben rund 45 Prozent ausreise-pflichtige Personen im Landkreis. Das primäre öffentliche Interesse bei diesen Personen ist das Verlassen der Bundesrepublik. Eine dezentrale Unterbringung dieses Personenkreises konterkariert dieses Interesse.“  (SZ-Tageblatt Hoyerswerda vom 23.April 2020)

Im Frühjahr gab es Gott sei Dank nur einzelne Infektionsfälle, bei denen z.B. durch Betroffenen selbst eine Isolation gestaltet wurde.

Gefährdung war dem Ausländeramt bekannt

Ihre Sorge brachten die Bündnisse aus Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda in einem Schreiben an die Leiterin des Ausländeramtes, Frau Borrmann-Arndt, zum Ausdruck. Dieser ‚Fragenkatalog‘ sollte bei einem gemeinsamen Gespräch am 1.Juli beantwortet werden. Frau Borrmann-Arndt eröffnete allerdings zum Beginn, dass sie sich weigert, auf diese konkreten Fragen einzugehen. Sie ist nur dem Kreistag auskunftspflichtig. Der Vertreter des Hoyerswerdaer Bündnisses verließ darauf die Sitzung, die ja für die Beantwortung verabredet wurde. Eine Kopie des Fragenkatalogs wurde in diesem Zusammenhang auch an das Gesundheitsamt des LK versandt. Eine zeitnahe Reaktion dieses Amtes in den Heimen ist nicht bekannt geworden.

Aktuelle Situation in Hoyerswerda

Nun bei der 2.Welle sind die Heime in Hoyerswerda außerordentlich betroffen. Über die Situation in den Heimen in Kamenz und in Sohland-Wehrsdorf liegen leider keine Informationen vor.

Zu den begünstigenden Bedingungen wurde oben schon etwas ausgeführt. Dazu kommen die beengten Verhältnisse. So hat eine Person im Heim Anspruch auf 6 m2. Zum Vergleich: In den Einkaufsmärkten ist die Besucherzahl wegen Corona beschränkt auf 10 m2 pro Person – und soll demnächst sogar auf 20 m² erweitert werden!

Aktuelle Negativerfahrungen:

* bei einem öffentlichen Termin bei Gericht wurde einer Betroffenen, die in einer GU in Hoyerswerda lebt, aufgrund ihrer Wohnadresse der Zugang zum Verhandlungssaal untersagt (wegen latenter Corona-Gefahr) / da sie natürlich bei ihrem eigenen Anliegen anwesend sein wollte, wurde die Verhandlung vertagt

* in den Heimen in HY ist es nicht mehr möglich, Infizierte gesondert in einer Quarantäne unterzubringen, daher werden diese jetzt abseits untergebracht

* Kinder, die mit ihren Familien in GU untergebracht sind, werden teilweise vom Schulunterricht ausgeschlossen mit Hinweis auf Corona-Gefährdung

Bewohner der Heime werden demnach als potentiell infiziert stigmatisiert. Der Ausschluss der Kinder von Bildung und sozialem Leben ist somit noch gravierender als wie zur Zeit für den Rest der Bevölkerung.

„GU sind kostensparender“

Der Landkreis betreibt eine der größten Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber in Sachsen. Als Begründung für die Konzentration der Asylbewerber in Gesamtunterkünften wird oft die Kostenersparnis angeführt. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Viele Landkreise im Freistaat Sachsen sind auf dezentrale Unterbringung in Wohnungen übergegangen – wegen Kostenersparnis und besserer Integration. Der Landkreis Bautzen hingegen hatte beim Rückgang der Asylbewerberzahlen vor einigen Jahren dezentrale Unterkünfte bzw. kleinere Einrichtungen geschlossen zugunsten der großen Gesamtunterkünfte. Wenn also keine Kostenersparnisse damit verbunden sind – was ist dann der Grund an dieser ‚Dinosaurier‘-Unterbringung?

Die Äußerung von Herrn Witschas muss dann allerdings so verstanden werden, dass es kein Interesse gibt an einer wirklich integrativen, humaneren Variante, sondern dass der Druck auf die Asylbewerber ohne Aufenthaltsstatus hoch gehalten werden soll durch schlechte Wohnbe-dingungen. Wer allerdings Schicksale kennt von betroffenen Familien, die schon etliche Jahre in den Heimen leben müssen, weiß, dass sie oft nicht die Möglichkeiten haben, eine Klärung herbeizuführen, da die zuständigen Botschaften und ihre Heimatländer nicht kooperieren bzw. deutsche Institutionen Dokumente verlangen, die nicht beschafft werden können (Geburtsurkunden, Heiratsurkunden u.ä.).

Warum also trotzdem Gesamtunterkünfte?

Die aktuelle Corona-Situation im Landkreis Bautzen wirft wie ein Scheinwerfer das Licht auf die Situation der Asylbewerber in den Gesamtunterkünften. Herr Witschas schiebt als Begründung für die Richtlinie des Ausländeramtes das fehlende ‚öffentliche Interesse‘ für eine dezentrale Unterbringung vor. Es kann aber sein, dass es plötzlich ein öffentliches Interesse gibt, wenn die Situation in den GU’s als Ursache für vermehrte Infektionen nachgewiesen wird. Oder sind Asylbewerber Menschen zweiter oder dritter Klasse, deren Gesundheit nicht so sehr im öffentlichen Interesse ist und für die die Vorgaben der Hygiene ausgesetzt werden können – weil sie unter Heimbedingungen sowieso nicht einzuhalten sind?!

Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit wird mit Spendenaufrufen u.a. an die weltweite Not erinnert – aber vor der Not in unserer Nachbarschaft verschließen wir die Augen! 

Das Bürgerbündnis Hoyerswerda erwartet darum,

  • dass im Landkreis die Unterbringung von Familien, älteren Menschen und Risikopersonen in Gesamtunterkünften beendet wird zugunsten einer dezentralen Unterbringung
  • dass grundsätzlich eine dezentrale Unterbringung geprüft wird unter Aspekten einer damit verbundenen besseren Integration

Hoyerswerda, am 1.Advent 2020

Pfarrer Jörg Michel

Sprecher des Bürgerbündnisses

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Asylbewerber in GU (Stand November – Auskunft Homepage LK BZ):

* Sohland Wehrsdorf – 108

* Kamenz – 297

* Hoyerswerda Doppelheim Herrmann-Str./Müntzer-Str. – 519

                        Zum Vergleich: Es sind nur 40 Asylbewerber in

Hoyerswerda in Wohnungen untergebracht! = 8,3 %

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Gesamt GU LK BZ 924 / Unterbringung in Wohnungen 301 = 1/3

 

Weiterführende Auskünfte:

https://www.aerzteblatt.de/archiv/214372/Fluechtlingsunterkuenfte-Ploetzlich-ein-Corona-Hotspot

 

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-krise-werden-asylbewerberheime-zu-hotspots-a-91300dcd-2b73-412a-96f0-5b4939c9a3f3

 

https://www.sueddeutsche.de/politik/migration-dresden-linke-verlangen-dezentrale-unterbringung-von-fluechtlingen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-201102-99-175593

Anlage: Synodenbeschluss zum Thema vom 23.Oktober 2020

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