Lager Hamburger Straße

PM: Nächtliche Schikane in Dresdner Lager

Zimmerdurchsuchungen, Ausharren in der Kälte, Polizeieinsätze – ein Beispielfall der unmenschlichen Behandlung von Bewohner*innen Dresdner Aufnahmeeinrichtungen
In den Dresdner Lagern kommt es regelmäßig zu Zimmerdurchsuchungen, Schikane und Polizeieinsätzen. Die Heimbetreiber*innen begründen die Handlungen mit der Hausordnung der Aufnahmeeinrichtungen. Ob diese angemessen das Recht auf Privatsphäre und die Unverletzlichkeit der Wohnung berücksichtigt, ist fraglich. Ein Bewohner schildert eine Extremerfahrung.

Am 2. Dezember 2020 gegen 19 Uhr kam B. an seiner Unterkunft, der Dresdner Aufnahmeeinrichtung Hamburger Straße, an. Er hatte auf dem Weg seine Maske verloren und bekam von einem Mitarbeiter eine neue Hygienemaske ausgehändigt. Anstatt B., nun mit Maske, in die Unterkunft zu lassen, verwies ihn eine zweite Mitarbeiterin jedoch der Unterkunft. „Ich fing an zu schreien, ich bat darum, die Unterkunft betreten zu dürfen. Meine Jacke war so dünn, es war kalt draußen“, erklärt B. Tatsächlich wollte B. das Lager betreten, um sich dickere Kleidung anzuziehen.

Polizeieinsatz inklusive

Doch anstatt B.’s Hinweise ernst zu nehmen, rief die Mitarbeiterin die Polizei. Diese sprach zunächst nur mit der Mitarbeiterin und wies B. schließlich an, sich rund 200 Meter von der Unterkunft zu entfernen. „Ich musste zwei Stunden in der Kälte ausharren!“, so B. Zwei Stunden später, durchgefroren,  kommt B. an die Unterkunft zurück und beschwert sich über die Mitarbeiterin, die ihn rausgeworfen hatte. „Danach schickten sie mich wieder zwei Stunden vor die Tür. Insgesamt verbrachte ich also vier Stunden in eisiger Kälte, ich hatte keine angemessene Kleidung an und war am Ende meiner Kräfte. Die Security der Unterkunft lachte mich aus“, rekapituliert B. Erschwerend kommt hinzu, dass B. aufgrund einer Operation eine Metallplatte in seinem Körper trägt und unter Asthma leidet. „Ich bin mir nicht sicher, ob die Mitarbeiter*innen über meinen Krankheitszustand informiert sind. Aber sie gaben mir zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit, es Ihnen zu erklären“, ergänzt B.
„Es kann nicht sein, dass einem Bewohner spätabends über mehrere Stunden hinweg der Zugang zu seinen Wohnräumen verwehrt wird. Hier wird gezielte Schikane betrieben!“, erklärt Paula Moser vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

Die Hausordnung der Aufnahmeeinrichtung – eine fragwürdige Grundlage

In der Antwort auf eine Presseanfrage rechtfertigt die Polizeidirektion Dresden den Einsatz mit der Hausordnung: „Hintergrund  [des Einsatzes] war ein Verstoß gegen die Hausordnung der Aufnahmeeinrichtung. Polizeibeamte beruhigten die Situation und wiesen den 21-Jährigen auf die Hausordnung hin.“ Doch die Hausordnungen von Aufnahmeeinrichtungen stehen seit Längerem in der Kritik. Im September attestierte ein Rechtsgutachten, in Auftrag gegeben durch die Kampagne „Grundrechte am Eingang abgeben“ die Verletzung von Grund- und Menschenrechte durch die Vorschriften in baden-württembergischen Aufnahmeeinrichtungen. Die juristische Einschätzung ist auch in Sachsen relevant. Keinen Anspruch auf einen Schlüssel für das eigene Zimmer, umfassende Kontrollrechte für die Security, inklusive unangekündigter Kontrollen der Wohnräume, all das gibt es auch in sächsischen Aufnahmeeinrichtungen. Das Rechtsgutachten sieht hierin „einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Privatsphäre.“ Und auch der geschilderte Vorfall im Lager in der Hamburger Straße zählt in die Kategorie der fragwürdigen Aspekte der Hausordnungen sächsischer Lager.

Kontakt:
Eine Vermittlung von Journalist*innen zu dem Bewohner kann über den SFR erfolgen
Sächsischer Flüchtlingsrat
-Paula Moser-

Mobil: 0176 427 286 23
Mail: pr@sfrev.de

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