SFR Newsletter 07/2021

Asylberatung. Die Asylberatung in Chemnitz und Dresden bleiben vom 29.03.21
– 09.04.21 geschlossen.

Danke! Danke! Danke! 🙂 Wir haben das große Spendenziel von 15.000€ erreicht! Außerdem gibt es ganz freudige Neuigkeiten:  Die UNO-Flüchtlingshilfe fördert unsere Öffentlichkeitsarbeit weiter! So können wir weiter #KritischBleiben mit einer Öffentlichkeitsarbeit, die auf Missstände im Bereich Asyl und Migration aufmerksam macht. Mehr.

Zahlen und Grafiken. Es steht wieder die halbjährliche Auswertung von Statistiken an. Wir fangen an mit der…

…dezentrale Unterbringungsquote
Die dezentrale Unterbringungsquote in den Kommunen entwickelt sich bis auf wenige Abweichungen konstant. Eine konstante Entwicklung ist aber immer noch eine Entwicklung und so bedeutet das auch, dass der Landkreis Bautzen immer noch die wenigsten Menschen im Asylverfahren dezentral unterbringt, 24,3 Prozent sind es hier. Langjähriger Spitzenreiter bleibt das Vogtland mit 92,4 Prozent. 
Ein Anstieg jedoch ist bemerkenswert: in Dresden lag die Quote 2016 noch bei 63 Prozent, vier Jahre später bei 82,8 Prozent. Einschränkend hinzugefügt sei, dass Dresden sich hier die Zahlen schönt. Selbstbestimmtes Wohnen mit frei gewählten Mitbewohner*innen zählt hier nicht ausschließlich als dezentral. Auch die Zuteilung mehrerer alleinstehender, arbeitender Männer in dieselbe Wohnung wird hier eingerechnet. Eine ehrliche Definition hat Leipzig und kommt auf 44,9 Prozent.
Zwickau hingegen sackt mehr und mehr ab. Wo 2016 noch knapp 80 Prozent der Menschen im Asylverfahren dezentral untergebracht waren, sind es 2020 nur noch 67%. Auch im Erzgebirge lässt sich eine ähnliche Entwicklung feststellen.

Lager
Während die Lagerunterbringung in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes im letzten Jahr deutlich auf insgesamt 1.670 Menschen absackte, hat sie sich inzwischen wieder in der für Sachsen üblichen 2.000er Marke eingepegelt. Zu beobachten ist jedoch eine klare Reduzierung der Belegungszahlen in den Unterkünften, die immer wieder in der Kritik standen. Von knapp 400 im Mai 2020 befinden sich inzwischen noch 250 im Lager Dölzig – weniger, aber zu viele, die nach wie vor engen Raum und Sanitäranlagen teilen. Auch für Schneeberg ist mit 284 Menschen dieses Fazit zu ziehen. Über den Verlauf der Pandemie hinzugekommen sind die Standorte Hammerweg in Dresden – der der Entlastung der Bremer und Hamburger Straße dienen soll – sowie Mockau III in Leipzig. Dort kommen zunächst alle neuankommmenden Schutzsuchenden unter und müssen sich dort in Quarantäne begebgen. 

Bildung im Lager
In absoluten Zahlen befinden sich noch 25 Kinder im schulpflichtigen Alter länger als drei Monate in den Lagern des Landes. Das entspricht 25 Prozent aller schulpflichtigen Kinder (97). Das starke Absinken der Zahlen ist ein Fortschritt. Fällt er dauerhaft auf Null ist ein wichtiges Versprechen aus dem Koalitionsvertrag erfüllt. Länger als sechs Monate befanden sich noch vier Kinder in den Lagern, länger als zwölf Monate noch eines. Gerade mit Blick auf diese fünf muss gesagt werden: der Druck darf nicht nachlassen. Jede verlorene Zukunft ist eine zu viel!

Abschiebungen
Während die Zahl der Abschiebungen pandemiebedingt deutlich sank – von 1.100 in 2019 auf 472 in 2020 – blieb zweierlei konstant: in 2020 wurden zwölf Familien getrennt (14 in 2019) und 24 erkrankte Personen abgeschoben – dieselbe Anzahl wie 2019. Hier lässt sich ablesen: der Brutalitätsfaktor der sächsischen Polizei- und Ausländerbehörden hat damit sogar zugenommen. Lediglich Ehepartner*innen wurden – soweit uns bekannt – nicht getrennt. Beliebtestes Abschiebeländer der sächsischen Regierung waren Georgien und Tunesien, gefolgt von Nordmazedonien. Die Dunkelziffern können selbstverständlich höher sein.
 

 

Abschiebehaft

Leider gab’s hier einen Fehler bei der Beantwortung von Seiten des Innenministeriums. Eine Nachfrage wurde gestellt, weitere Zahlen und Grafiken folgen.

Aufenthaltserlaubnisse wegen dem, was „Integration“ genannt wird.

Jugendliche und Heranwachsende können dann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erhalten, wenn sie sich unter anderem seit vier Jahren hier aufhalten und „erfolgreich“ die Schule besucht haben. Hohe Hürden spiegeln sich in niedrigen Zahlen wieder. Auf diesem niedrigen Leven ist Leipzig mit mehr als 35 erteilten Aufenthaltslaubissen sachsenweit ganz vorn, in den Landkreisen sind das Mittelsachsen und Zwickau.
Erstmals kann festgestellt werden, dass in allen 13 Landkreisen und kreisfreien Städten der 25a erteilt wurde, und wenn es nur einmal war (Dresden muss sich hier tatsächlich mit dem Problemlandkreis Bautzen auf eine Stufe setzen lassen). Ganze vier Mal geschah das in 2020 im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge – es waren die ersten vier seit Beginn der Zählungen.

Und auch beim 25b – die entsprechende Aufenthaltserlaubnis für Erwachsene nach sechs bzw. acht Jahren Aufenthalt – liegt Leipzig vorn. Dresden hat keinen einzigen erteilt und enttäuscht auch hier. Immerhin hat Chemnitz mit sechs Aufenthaltserlaubnissen nun ein wenig mehr Routine. Die Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge allerdings legt sich nach einer zaghaften Erteilung in 2019 wieder zur Ruhe, das Vogtland macht einen beachtlichen Sprung und verdoppelt sich auf ganze fünf erteilte Erlaubnisse. Selbiges gilt für Bautzen und auch in Zwickau und dem Landkreis Leipzig schien 2020 keine „Integration“ gelaufen zu sein.

Aufenthaltserlaubnisse aufgrund rechtlich oder tatsächlich nicht möglicher Abschiebung
Die Grafik zum 25 (5) scheint die Skyline von Leipzig widerzuspiegeln – zu Recht. Der Tower da steht für die Messestadt mit 434 erteilten Aufenthaltserlaubnissen. Die Stadt macht damit klar: wenn wir nicht abschieben können, dem erteilen wir lieber eine Aufenthaltserlaubnis als ihn*sie jahrelang in Kettenduldungen zu halten. In den Landkreisen strahlt Zwickau progressiv hervor. Chemnitz scheint das gar nicht recht zu machen, Bautzen und Meißen erteilen ebenso Null. In Nordsachsen geht die Zahl wieder nach oben – wir hoffen, das bleibt.



Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung.

Die Statistiken zur Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung müssen wir zu einem späteren Zeitpunkt nachliefern, da uns aktuell keine Zahlen über die Ablehnungen der einzelnen Ausländerbehörden vorliegen. Somit können wir keine Relation berechnen zwischen den Ablehungen und Erteilungen. Die Zahlen folgen zu einem späteren Zeitpunkt.

Suizide und Suizidversuche.
Die Zahl der Suizidversuche in 2020 sank im Vergleich zu 2019 – 41 Mal geschah das in diesem Jahr. Mit acht Suiziden war diese Zahl jedoch so hoch wie 2016 nicht mehr.



Bei den Suiziden und Suizidversuchen nach der Form der Unterbringung lässt sich Folgendes sagen:
  • Im April und Mai kam es zu sechs Suizidversuchen/ Selbstverletzungen allein in der Aufnahmeeinrichtung Dölzig, also das Lager, welches unter massiver Kritik von Seiten seiner Bewohner*innen stand. Die Zustände dort hatten die Menschen im Mai zum Protest auf die Straße in Leipzig getrieben.
  • Die Staatsregierung gibt nur dann Suizidversuche in Justizvollzugsanstalten an, wenn danach eine stationäre Behandlung erforderlich war. Das ist zynisch und auch nicht nachvollziehbar, dokumentiert werden Selbstverletzungen mit Sicherheit. Auch dann, wenn eine Behandlung vor Ort (scheinbar) genügte.
  • Der hohe Balken zu Suizidversuchen nach Form der Unterbringung bei der Stadt Leipzig muss kontextualisiert werden. Zwei Erklärungsversuche sind möglich: entweder, Leipzig ist besonders sorgfältig, was das Dokumentieren von Suizidversuchen angeht, oder die Rate ist tatsächlich höher, als in anderen Städten. Beide Erklärungen sind möglich.
  • Die Dresdner Lager Hamburger und Bremer Straße sind in ihrer baulichen Substanz die – sofern es Grade von „schlimm“ geben kann – die schlimmsten Lager und zeigen offenbar ihre Wirkung.

Bei der Aufschlüsselung von Suiziden und Suizidversuchen nach Geschlecht bestätigt sich, was gesamtgesellschaftlich gilt: Suizide und Suizidversuche treten bei männlich gelesenen Personen häufiger auf.

Ein Fall sei in diesem Zusammenhang wiedergegeben, dessen bloße Daten eine Geschichte im Kopf entrollen, die jedoch wohl nie wird erzählt werden können. In der Vorbemerkung zu Drs. 7/1786 schreibt MdL Jule Nagel: „In Drs. 7/1178 zu Suiziden, Suizidversuchen und Selbstverletzungen von Geflüchteten in Sachsen seit 2017 sind in Anlage 1 drei Suizidversuche in der Aufnahmeeinrichtung Grillenburg, jeweils einer am 29. und 30. September sowie am 29. Oktober vermerkt. Es handelt sich dabei dreimal um eine Frau iranischer Staatsbürgerschaft im Alter von 44 Jahren, was die Fragestellerin zur Vermutung veranlasst, dass es sich hier um dieselbe Person handelt.“ Das Staatsministerium des Inneren bestätigt die Vermutung und gibt im Weiteren an: „Seit 28. November 2019 ist die Betroffene unbekannt verzogen.“

Leistungskürzungen
Für Leistungskürzungen von Schutzsuchenden liegen uns nur Zahlen zu Menschen in kommunaler Verantwortung vor. Sachsenweit waren 6,72% der Menschen in kommunaler Verantwortung, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, von Leistungskürzungen betroffen. Schlusslicht ist mal wieder Bautzen, dort wurden mehr als 14% der Leistungsberechtigten die Mittel gekürzt. Ebenfalls schlecht dabei sind der Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, Mittelsachsen und Meißen.


Kinder sollten nie für das Verhalten ihrer Eltern sanktioniert werden. Ein Thema, wofür der SFR im Jahr in Bautzen ordentlich Rumor machte. Doch Bautzen führt sein rigorose Praxis von Leistungskürzungen bei Kindern fort. Sachsenweit waren 2,49% der Kinder in kommunaler Verantwortung von Kürzungen betroffen. In Bautzen liegt die Quote fast viermal so hoch, bei 9,16%. Auch in Mittelsachsen ist die Quote bei 5% doppelt so hoch wie der sächsische Durchschnitt.

Veranstaltungen

  • Transpi-Aktion am Samstag, 3. April 2021, 12-16 Uhr auf dem Neumarkt Dresden, gemeinsam mi der Seebrücke Dresden und der URA. Was ihr machen könnt? Transpi malen, zum Neumarkt kommen, Solidarität mit Schutzsuchenden zeigen, Dresden zum Sicheren Hafen machen! Mehr.

Drei Stimmen aus der Presse

1) Italien blockiert Rettungsschiff „Sea-Watch 3“ in Sizilien (ZEIT)
Und schon wieder wird die Sea-watch 3 durch italienische Behörden einsatzunfähig gemacht. Nach einer Sicherheitskontrolle der italienischen Küstenwache am Sonntag wurde das Schiff festgesetzt – die Vorwürfe: das Schiff habe zu viele Menschen transportiert und das Hafengewässer mit Öl verschmutzt, wonach Sea-Watch 3 gegen italienische Brandschutz- und Umweltbestimmungen verstoßen habe. Deutsche und spanische Behörden bestätigten zuvor die Schiffsicherheit, nachdem dieses Anfang 2021 überholt wurde. Sea-Watch 3 konnte bis letzten Sonntag Menschen in Seenot retten, Anfang März waren es mehr als 350 Menschen. Das Vorgehen der italienischen Küstenwache ist nicht neu, im Sommer 2020 wurde es mit ähnlichen Gründen festgesetzt. Weitere Einsätze, um Menschen in Seenot zu retten, werden so systematisch durch die Behörden behindert. Sea-Watch kündigt gegen diese Blockade rechtliche Schritte an. Mehr.

2) Mindestens sieben Tote bei Brand in Rohingya-Flüchtlingslager (Neues Deutschland)
In einem Flüchtlingslager in Dhaka (Bangladesch), in dem Hunderttausende aus Myanmar geflohene Rohingyas leben, ist ein Großbrand ausgebrochen. Die Brandursache ist noch unklar. Unterkünfte, medizinische Zentren und Versorgungspunkte sind abgebrannt. 9500 Menschen sind jetzt obdachlos. Im Jahr 2017 flohen hunderttausende Rohingyas aus Myanmar vor der anhaltenden Militärgewalt ins Nachbarland Bangladesch, da sie in ihrer Heimat als muslimische Minderheit verfolgt wurden und werden. Mehr.

3) Griechische Asyl-Hotspots funktionieren nicht (MIGAZIN, 17.03.21)
Letzten Dienstag (16.03.21) wurde der Policy-Brief No more Morias? Die Hotspots auf den griechischen Inseln: Entstehung, Herausforderungen und Perspektiven des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) veröffentlicht. Überbelegung, mangelnde Perspektiven, menschenunwürdige Zustände. Hauptursache des Ganzen: Nicht-funktionierende Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens von 2016. Auch die Mängel im griechischen Asylsystem und die defizitäre Asylpolitik Europas tragen nicht weniger dazu bei. Der SVR fordert Maßnahmen zur Verbesserung der Verfahren und Entlastung der Hotspots und rät zur systematischen Umsiedlung in andere europäische Länder – möglich wäre das nur mit einer Reform des Asylsystems. Mehr.

Stellenausschreibungen

  • Qualifizierungsbegleitung: Im Projekt Qualifizierungsbegleitung für Zugewanderte des IQ Netzwerk Sachsens suchen wir ab 01. Mai 2021 eine Projektmitarbeiter:in, vorerst befristet bis 31.12.2022. Das Stundenvolumen beträgt mind. 32 h/Woche. Bewerbungsfrist ist der 01.04.2021. Mehr Infos.
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