PM: Haft statt Sicherheit – Interview mit Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina

Swetlana Gannuschkina zur Abschiebung von Schamil Naschajew aus Dresden nach Moskau
Am 9. Dezember 2019 wurde der Tschetschene Schamil Naschajew aus Dresden nach Moskau abgeschoben und direkt nach seiner Ankunft inhaftiert. Die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina, ausgezeichnet mit dem alternativen Nobelpreis, kritisiert in einem Interview mit Bernhard Clasen die Skrupellosigkeit und Rechtslosigkeit russischer Behörden bei der Inhaftierung in Moskau, und das fehlende Verantwortungsbewusstsein auf deutscher Seite.

Seit 2017 habe ich drei Gutachten an die deutschen Migrationsbehörden verfasst, in dem ich diesen erklärt habe, dass eine Abschiebung von Naschajew nach Russland für diesen eine Gefahr für Leib und Leben bedeutet“, erklärt die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina. Dennoch wurde Herr Naschajew im Dezember 2019 nach Russland abgeschoben. Seine Frau und Kinder flohen nach Frankreich und beantragten dort erneut Asyl. „Mit der Abschiebung von Herrn Naschajew hat das sächsische Innenministerium mal wieder gezeigt, wie wenig sie das Grundrecht auf Familie kümmert – denn die Familie Naschajew wurde bei der Abschiebung getrennt“, ergänzt Paula Moser vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

Herr Naschajew hatte um das Jahr 2017 in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Während des Tschetschenien-Krieges lief sein Vater Chasmagomed Naschajew, ein ehemaliger sowjetischer Offizier, zu den Aufständischen über. „Jeder Bewohner Tschetscheniens kann Opfer von unfairen Gerichtsverfahren werden, Angehörige von Personen, die zu den illegalen bewaffneten Formierungen übergelaufen sind, in besonderem Maße. Bei diesem Personenkreis liegt die Wahrscheinlichkeit von Verfolgungen bei fast 100 Prozent“, so Swetlana Gannuschkina. Schamil Naschajew fürchtet in Tschetschenien genau dafür gerächt zu werden.

Falsche Vorwürfe und Inhaftierung in Moskau

In der Nacht seiner Abschiebung vom 9. Dezember, direkt nach der Ankunft in Moskau, wurde Herr Naschajew vom Föderalen Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation (FSB) festgenommen, verhört, und vor Gericht geführt. Was man ihm vorwarf, erfuhr er erst während des Gerichtsverfahrens – nämlich den Erwerb von Drogen für den Eigenbedarf. „Obwohl die Anschuldigung eindeutig absurd war, hat das Gericht für Schamil eine U-Haft von zwei Monaten angeordnet“, so Gannuschkina. Nach einem langwierigen Prozess wurde Herr Naschajew auf Basis der Falschanschuldigungen zu einer Haftstrafe von 1,5 Jahren verurteilt.

Wiedereinreise? Mit riesigen rechtlichen Hürden

Die Menschenrechtlerin Gannuschkina kämpft dafür, Herrn Naschajew die Wiedereinreise nach Deutschland zu ermöglichen, um seine Sicherheit zu gewährleisten. Paula Moser vom Sächsischen Flüchtlingsrat erklärt: „Nach einer Abschiebung wird eine Einreisesperre verhängt. Während dieser Frist darf Herr Naschajew weder in das Bundesgebiet einreisen, noch einen anderweitigen Aufenthaltstitel zugesprochen bekommen. Außerdem muss er bei Wiedereinreise für die Kosten seiner Abschiebung aufkommen. Die Hürden sind also groß. Die deutschen Behörden verfallen nach erfolgter Abschiebung meist in stures Paragrafen-Buchstabieren, ohne die tatsächliche, menschenrechtlich fragwürdige Lage im Herkunftsland zu würdigen. Haft statt Sicherheit, und kein Zusammenleben mit seiner Familie – das bedeutet die Sturheit deutscher Behörden für Herrn Naschajew.“

Herr Naschajew weiß in Moskau zumindest die Unterstützung der Menschenrechtlerin Gannuschkina auf seiner Seite: „Für mich […] ist dieses Thema so lange noch nicht abgeschlossen, so lang ich weiß, dass sich Schamil Naschajew nicht in Sicherheit befindet.“

Zum ganzen Interview.

Swetlana Gannuschkina - Photo von Bernhard
                      Clasen
Swetlana Gannuschkina – Photo von Bernhard Clasen

Kontakt:
Sächsischer Flüchtlingsrat
-Paula Moser-
Mobil: 0176 427 286 23
Mail: pr@sfrev.de

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