Flüchtlingsräte kritisieren geplante Sammelabschiebungen nach Pakistan
Im März schlug die Inhaftierung des pakistanischen Christen Faisal Jahangir Wellen über Sachsen hinaus. Auch Ahmadis, eine muslimische Minderheit, sehen sich in Pakistan flächendeckender Diskriminierung, Repression und gezielten Tötungen gegenüber. Nach Informationen von Aktion Bleiberecht hat die Bundesregierung allerdings bereits für den 20. April und den 18. Mai 2021 Sammelabschiebungen nach Pakistan geplant. Menschen aus der ahmadischen Community sollen in den Fliegern sitzen.
„Die Abschiebehaft und die geplanten Abschiebungen von Herrn A. und Herrn S. veranschaulichen die Absurdität und Grausamkeit des ‚Verwaltungsakts‘ Abschiebung“, erklärt Angea Müller vom vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Die Männer befinden sich zurzeit in Abschiebehaft in Ingelheim und Darmstadt. Welche Geschichten verbergen sich hinter den Kürzeln?
Herr S. – drei Monate Haft ohne Straftat
Herr S. reiste als 16-Jähriger nach Deutschland ein. Dass sein Vater die deutsche Staatsbürgerschaft inne hat, und dass Herr S. in Pakistan aufgrund seiner religiösen Zugehörigkeit Verfolgung ausgesetzt ist, schien das BAMF nicht zu beeindrucken. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Herr S. hatte seit Sommer 2015 eine berufliche Schule in Oldenburg in Holstein besucht und eine Ausbildungsvorbereitung im Fach Ernährung begonnen. Seine Anrufung der Härtefallkommission wurde abgelehnt.
Der Versuch einer Abschiebung von Herrn S. im Februar diesen Jahres scheiterte. Seitdem sitzt er in Haft. Weil auf dem Flieger am 20. April für ihn anscheinend kein Platz mehr ist, wurde seine Abschiebehaft bis zum 18. Mai verlängert. „Herr S. muss drei Monate in Haft verbringen, ohne eine Straftat begangen zu haben. Abschiebehaft ist Freiheitsentzug einzig und allein, weil man den falschen Pass besitzt“, so Müller. „Das geht an die Substanz in dieser unsicheren Situation auszuharren, mit der Aussicht, in den Verfolgerstaat zurück abgeschoben zu werden. Hier wird die aussichtsreiche Zukunft eines 22-jährigen jungen Mannes ohne Not zerstört.“
Herr A. – Freund aus der Gemeinde wurde ermordet
Als Herr A. im pakistanischen Rabwah als Teil eines Freiwilligenteams zur Überwachung der Anlagen der Ahmadi-Gemeinde arbeitete, wurde im Zuge der Arbeit ein Freund von ihm in der Gemeinde ermordet. Daraufhin floh er aus Pakistan nach Deutschland. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, verwaltungsrechtliche Verfahren scheiterten ebenfalls. Herr A. war dem BAMF und den Gerichten nicht ‚religiös genug‘. Laut dem Verwaltungsgericht Trier sei Herr A. nur ein „einfach bekennender muslimischer Ahmadi“. Für eine Bedrohungslage müsse er sich „öffentlichkeitswirksam und werbend nach außen“ zu seiner Religion bekennen. Dass ein Freund von Herrn A. während ihrer gemeinsamen Tätigkeit in der Ahmadiyya-Gemeinde in Rabwah ermordet wurde, wurde indes in seinem Asylverfahren nicht ausreichend beachtet.
Auch Herr H. – nicht ‚religiös‘ genug?
In Eichstätt gibt es ebenfalls eine Abschiebehaftanstalt. Bis vor Kurzem war Herr H. dort inhaftiert, am Sonntagabend wurde er überraschend freigelassen. Warum der Haftbeschluss aufgehoben wurde ist dem Flüchtlingsrat und Herrn H. zurzeit noch unklar.
Herrn H. war ebenfalls vorgeworfen worden, kein ‚offensichtlich‘ praktizierender Ahmadi zu sein. Er könne seine Religion zwar nicht offen in Pakistan ausleben, seine religiöse Prägung sei jedoch kein so elementarer Teil seiner Persönlichkeit, dass ihm durch eine Rückkehr nach Pakistan ernsthafte Einschränkungen drohen würden. Doch bereits im November hatte das Verwaltungsgericht Sigmaringen in einem wegweisenden Urteil festgestellt: auch als „einfach bekennender Ahmadi“ kann eine Person der Gruppenverfolgung in Pakistan ausgesetzt sein. „Diese Abgrenzung zwischen einfach und offensichtlich praktizierenden Ahmadis ist absurd. Ahmadis sind im gesamten Land von Verfolgung bedroht, sie werden über kurz oder lang als Ahmadis identifiziert und verfolgt. Das hat das International Human Rights Committee bereits in mehreren Lageberichten und Publikationen unterstrichen„, erklärt Herr Malik von der Ahmadiyya-Gemeinde.
„Behörden, die sich blind stellen für religiöse Verfolgung, sowie mehrmonatige Haft ohne Straftat – das sind Auswüchse eines Asylsystems, dass, seiner ursprünglichen Idee beraubt, in erster Linie auf Abschreckung und Inhumanität reduziert wurde. Neben der Missachtung der individuellen Schicksale ist es obendrein unverantwortlich, während der globalen Pandemie eine Sammelabschiebung zu forcieren. Die Abschiebungen müssen abgesagt werden!“, so Angela Müller.
Kontakt:
Sächsischer Flüchtlingsrat
– Angela Müller –
Mobil: 0176 427 286 23
Mail: pr@sfrev.de