PM: Watch the Lager – Rechtsgutachten erhöht Handlungsdruck auf Regierung – Hausordnungen in Lagern sind verfassungswidrig

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz haben das Antidiskriminierungbüro Sachsen e.V., der Sächsische Flüchtlingsrat e.V. sowie der Leipziger Initiativkreis: Menschen.Würdig. ein Rechtsgutachten vorgestellt, welches sich mit den Hausordnungen in sächsischen Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete befasst. Ein solches zu beauftragen war angesichts zahlreicher Sanktionsmöglichkeiten, die die Hausordnung vorgibt, notwendig geworden. So können die Betreiber der Aufnahmeeinrichtungen regelmäßig die Zimmer der Bewohner*innen durchsuchen. Auch ist vorgesehen, bei Verstößen gegen die Hausordnung ein Hausverbot von bis zu vier Stunden zu erlassen.
Der Verfasser des Gutachtens, der Jurist Martin Wiesmann, führt aus:
„Solche Grundrechtseingriffe sind nur in Justizvollzugsanstalten haltbar. Dort geschehen sie auf Basis eines parlamentarisch verabschiedeten Gesetzes. Hausordnungen können solch intensive Eingriffe nicht rechtfertigen. Die Sanktionsmöglichkeiten sind verfassungsrechtlich hinten und vorne nicht haltbar. So, wie die Hausordnung ausgestaltet ist, wird regelmäßig gegen Art. 13 Grundgesetz verstoßen – dem Schutz der Wohnung.“
Der ehemalige Bewohner der Dresdner Aufnahmeeinrichtung Bremer Straße berichtet:
„Wegen einer vergessenen hygienischen Maske durfte ich für vier Stunden die Aufnahmeeinrichtung nicht betreten. Auch Zimmerdurchsuchungen sind an der Tagesordnung. Du sitzt in deinem Zimmer und auf einmal kommen acht Menschen und gehen durch all deine Gegenstände. Einige werden dir auch weggenommen, das kann auch schon mal ein Parfum sein. Das zu besitzen ist angeblich illegal.“
Für Angela Müller vom Sächsischen Flüchtlingsrat e.V. steht deswegen fest:
„Die sächsische Regierungskoalition muss bei ihrer geplanten Überarbeitung des Gewaltschutzkonzeptes auch die Hausordnung mitdenken. Anderenfalls bleibt der Gewaltschutz hinter den notwendigen Anforderungen zurück. Als SFR werden wir uns über diese Reform hinaus immer für die Forderung ‚Lager abschaffen‘ einsetzen. Das bedeutet konkret, dass die §§ 47 und 53 des Asylgesetzes überarbeitet werden müssen.“
Sotiria Midelia vom Anitidiskriminierungsbüro Sachsen e.V. schließt sich den Forderungen an und fügt hinzu:
Die Grundrechtseingriffe durch Hausordnungen sind eine Form von Diskriminierung und ein strukturelles Diskriminierungsproblem. Deswegen bedarf es einer politischen Lösung. Der rechtliche Verfahrensweg, dass Betroffene ihr Recht nach §13 GG einklagen, ist zu Lasten der Betroffenen – Präzedenzfälle sind an der Stelle wichtig, aber es bedeutet zugleich, dass Betroffenen eine weitere Last aufgebürdet wird. Daher sehen wir die Verantwortung beim sächsischen Innenministerium die verfassungswidrigen Hausordnungen grundrechtskonform neu zu gestalten.“
Mark Gärtner vom Initiativkreis: Menschen.Würdig. schließt mit dem Aufruf:
„Solang es keine politische Lösung gibt, muss offenbar der Weg über die Gerichte gegangen werden, um Veränderungen zu erreichen. Deswegen haben wir heute auch Handlungsempfehlungen veröffentlicht, die Geflüchtete und Unterstützer*innen ermutigen sollen, den Rechtsweg zu beschreiten. Anwaltliche Unterstützung können wir zusichern.“
Das gesamte Rechtsgutachten hier, die Handlungsempfehlungen hier sowie ein Paper, welches einen Überblick über die Entwicklungen in der Frage sowie eine kurze Zusammenfassung des Rechtsgutachtens bietet. Die Pressekonferenz kann hier auf YouTube noch einmal angesehen werden.

Kontakt:

Dave Schmidtke
Pressereferent Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
Dammweg 5
01097 Dresden
Mail: pr@sfrev.de

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