Gemeinsame PM zur heutigen Abschiebung nach Georgien: HFK wird übergangen/Nachbarschaft aus Pirna setzt sich gegen Abschiebung ein/Tuberkulose-Patient sollte in den Flieger/Nachwuchsspieler von Dynamo Dresden betroffen

Gegen 12 Uhr fand erneut eine Sammelabschiebung von Leipzig/Halle in Richtung Tiflis statt. Trotz gemeinsamen Einsatzes von Änwält*innen, Unterstützer*innen, Härtefallkommission und Flüchtlingsrat, konnte diese nicht verhindert werden. Im Verlauf des Vormittags erreichten uns mehrere schockierende Fälle. So waren zwei bestens integrierte Familien aus Pirna und Radebeul betroffen und ein Mensch mit latenter Tuberkulose sollte in den Flieger.

Familie I. aus Pirna – Wenn Integration nichts nützt

Die Hausgemeinschaft berichtet, dass zwischen 2 und 3 Uhr nachts Familie I. aus Pirna abgeholt wird. Die neunköpfige Familie lebt seit fast zehn Jahren in Deutschland – mehrere Kinder sind hier geboren. Alle Familienmitglieder sprechen deutsch, beide Elternteile sind berufstätig, sodass deutlich wird: das Bemühen und Mitwirken von Geflüchteten bietet mal wieder keinen Schutz vor Abschiebung! Christina Riebesecker von der AG-Asylsuchende ist empört: „Die Anwältin der Familie hatte am Morgen noch einen Eilantrag gestellt, der abgelehnt wurde. Erst kürzlich wurde ein Antrag wegen nachhaltiger Integration gem. § 25b Aufenthaltsgesetz gestellt, zu dem es noch keine Entscheidung gab. Die Familie und die Anwältin waren recht zuversichtlich.“

Es waren circa 20 Polizist*innen im Einsatz, um die Familie abzuholen. Der Schock über das Polizeiaufgebot und die Abschiebung trotz „mustergültiger Integration“ sorgten dafür, dass der Vater einen Nervenzusammenbruch erhielt. Dabei war diese Abschiebung kein Einzelfall: „Das ist jetzt der dritte Fall von georgischen Familien allein aus Pirna, den wir als AG Asylsuchende mitbekommen. Traumatisierte Kinder, verzweifelte Eltern, fassungslose Freund*innen und Nachbar*innen. Und schon wieder eine rechtswidrige Abschiebung mitten in der Nacht. So geht sächsisch!“

Entscheidung der Härtefallkommission wird ignoriert

Was in den Stunden vor dem Flug folgte, gleicht einem schlechten Film: Die Härtefallkomission wollte sich dem Fall annehmen, nachdem kurzfristig eine einfache Mehrheit des Gremiums organisiert werden konnte. Damit hätte die Abschiebung gestoppt werden müssen. Das Innenministerium kannte die Sachlage und hatte die Pflicht, die zuständigen Behörde und die Bundespolizei rechtzeitig zu informieren. Doch anstatt Familie I. aus dem Flieger zu nehmen, wird nach 12 Uhr mitgeteilt, dass der Flieger bereits gestartet sei – sämtliche Rettungsversuche wären zu spät. Christina Riebesecker von der AG Asylsuchende dazu: „Wir sind wütend! Und wir verlangen, dass unsere Freund*innen sofort zurückgeholt werden! Diese Abschiebung war rechtswidrig!“

Latente Tuberkulose bei Fall von Abschiebung aus Leipzig

Betroffen von der Abschiebung war auch zwei Männer aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Leipzig. Laut unseren Informationen war sowohl die Landesdirektion als auch das Gesundheitsamt Leipzig im Vorfeld darüber informiert wurden, dass bei einem der Männer ein Tuberkulose-Verdacht diagnostizierte wurde. Unvorstellbar, welchem gesundheitlichen Risiko der Betroffene und alle anderen an Bord während des Fluges ausgesetzt wurden!

Familie Z. aus Radebeul: Nachwuchstalent bei Dynamo Dresden und Vater mit Vollzeitstelle

Familie Z. rief ca. 1 Uhr bei einer Unterstützerin an und teilte mit, dass die Polizei gekommen ist. Die Mutter wird anschließend mit dem 1,5 Jahre alten Kind wurde in einen Einsatzwagen und der Vater mit dem 14 Jahre alten Kind in einen anderen gebracht. Die Familie war erst seit zwei Jahren in Deutschland, aber genau wie Familie I. perfekt integriert: Der Vater der Familie hatte seit November 2020 eine Vollzeitstelle und der Sohn spielte als Nachwuchstalent bei Dynamo Dresden.

Die Unterstützerin berichtet: „Obwohl Familie Z. selbst bei der Tafel Essen holen musste, kochte sie beim ersten Fußballverein des Sohnes ehrenamtlich für Kinder. Es ist unfassbar was heute passiert ist, zumal die Familie nächste Woche Rechtsberatung erhalten hätte.“ Als der Arbeitgeber von der Abschiebung erfuhr, sei dieser direkt bereit gewesen einen unbefristeten Arbeitsvertrag für den Vater aufsetzen, erklärt ebendiese Bekannte der Familie weiter.

Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat zu den heutigen Ereignissen: „Es ist unglaublich, dass heute Moral und Recht keine Rolle spielten. Die sächsischen Behörden haben bei beiden Familien, weder die individuelle Leistung der Integration anerkannt, noch den rechtlichen Rahmen vollends ausgeschöpft, um einen Aufenthalt zu ermöglichen. Das dann sogar die Arbeit der Härtefallkommission übergangen wird, ist auch für uns eine neue Stufe der Skrupellosigkeit bei Abschiebungen aus Sachsen.“

Korrekturmeldungen: 1. Ursprünglich schrieben wir, dass Familie Z. in Moritzburg lebte, wir bitten dies zu entschuldigen. Die Familie Z. wohnte in Radebeul. 2. Person mit Tuberkulose-Verdacht wurde doch abgeschoben, ein Abbruch konnte nicht verhindert werden.

Kontakt:

Dave Schmidtke
Pressereferent Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
Dammweg 5
01097 Dresden
Tel.: 0176 427 286 23
Mail: pr@sfrev.de

Christina Riebesecker
AG Asylsuchende Sächsische Schweiz-Osterzgebirge e.V.
Lange Straße 38a | 01796 Pirna
Telefon Büro 03501-7599324 | Telefon IBZ 03501-7599325
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