PM: Überfüllte Lager – Dezentrale Unterbringung muss das Primat der Stunde sein

Steigende Ankunftszahlen in Sachsen

Wie die Freie Presse berichtet, kamen seit August mehr als 4300 Menschen über Belarus in Deutschland an. In den Bundesländern entlang der polnisch-deutschen Grenze füllen sich mittlerweile die Lager. Mit den überfüllten Lagern zeigt sich einmal mehr, wie unwürdig die Lebensbedingungen in Massenunterkünften in Sachsen sind. Der Sächsische Flüchtlingsrat fordert erneut eine schnelle dezentrale Unterbringung aller Personen. Mohammad T. wohnt zurzeit im Camp in Dölzig nahe Leipzig und schildert seine Erfahrungen.

„Viele Personen kommen derzeit in Dölzig an, viele auch aus Afghanistan. Sie haben einen weiten Weg hinter sich“, erklärt Mohammad T.*. Er lebt zurzeit im Camp Dölzig nahe Leipzig. „Hier im Camp fühle ich mich wie gelähmt, alles ist so weit weg. Um in das Stadtzentrum zu fahren, muss ich jedes Mal ein teures Busticket bezahlen. Auch das Essen im Camp hat eine extrem schlechte Qualität. Kaum jemand hier kann die Mahlzeiten essen.
Wenn man Essen holen will, muss man 40 Minuten mit dem Bus in die Stadt fahren. Wir bekommen nur 34 Euro Taschengeld pro Woche – das ist für die Bustickets und Essen viel zu schnell weg“, so Herr T.

Unmenschliche Bedingungen

„Ich fühle mich nicht vor einer Infektion geschützt. Wir sind zu viele Leute in einem Schlafzimmer, mit 30 Personen auch viel zu viele, die die gleiche Toilette teilen. Die Toiletten sind sehr dreckig“, beschreibt Herr T. die hygienische Situation im Camp. „Ich habe kaum etwas zu tun, es gibt kaum Abwechslung im Tagesablauf. Wenn ich mehr in der Stadt wohnen würde, könnte ich Leute kennenlernen, in Parks spazieren gehen. Hier ist das nicht möglich. Jeder Tag ist die gleiche Einöde.“

Dezentrale Unterbringung als Primat der Stunde

Herr T.’s Aussagen unterstreichen damit: Lager sind keine Orte der Ruhe, keine Orte, an dem die psychische und physische Gesundheit geschützt ist. Wie die LVZ berichtet, werden die Kapazitätsgrenzen der Lager in maximal vier Wochen voll ausgeschöpft sein. „Der logische Schritt muss deshalb jetzt sein, dezentrale Kapazitäten zu erschließen“, so Paula Moser vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Insbesondere in Zeiten steigender Corona-Infektionszahlen sei dies geboten, um keine Infektionsherde zu provozieren. Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie hatten die Landesflüchtlingsräte gemeinsam mit Pro Asyl eine Auflösung der Lager gefordert.

Herr T. ergänzt: „Anstatt ein Schlafzimmer mit vier Personen zu teilen, möchte ich einen eigenen Raum, eine eigene, saubere Toilette, eine eigene Küche, um zu Kochen. Ich möchte in der Stadt sein und nicht weit abgeschieden in Dölzig. Es gibt so viele Leute wie ich, die das Gleiche wollen.“

Kriminelle Grenzschützer*innen, legale Asylbewerber*innen

In der öffentlichen Debatte über Personen, die über die polnisch-belarussische Grenze einrisen, werde aktuell wieder viel von sogenannter ‚illegaler Migration‘ geredet. „Das ist eine perfide Schuldumkehr. Die eigentlichen Kriminellen sind Grenzschutzbeamt*innen und ähnliche Kräfte, welche illegale Pushbacks durchführen und so Menschen daran hindern, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, einen Asylantrag zu stellen“, so Moser. Über die polnisch-belarussische Grenze reisen insbesondere Personen aus Syrien und dem Irak nach Sachsen ein, wie die Landesdirektion in einer Antwort auf eine Presseanfrage mitteilt. „Statt Personen, die rechtmäßig einen Asylantrag stellen als ‚illegal‘ zu brandmarken und damit rechtspopulistische Narrative zu bedienen, muss nun alle Kraft darauf verwendet werden, den betroffenen Personen nach der langwierigen Reise aus oft kriegszerrütteten Herkunftsländern das Ankommen in Sachsen so menschenwürdig wie möglich zu gestalten – und die dezentrale Unterbringung ist ein wichtige Grundpfeiler dafür.“

*Name geändert.

Kontakt:

Eine Vermittlung von Journalist*innen zu Herrn Mohammad T. kann über den SFR erfolgen.
Sächsischer Flüchtlingsrat
– Paula Moser –
Telefon: 0351 33225235
Mail: pr@sfrev.de

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