Ausfallende Heizung, überfüllte Räume mit Doppelstockbetten und sogar ein Hungerstreik: die Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung in Mockau, nähe Leipzig, wird von Geflüchteten als katastrophal beschrieben. Menschen schliefen ohne Kissen und Decken in mehreren Lagen eigener Kleidung, um nachts nicht zu frieren. Außerdem kommt es zu Übergriffen, insbesondere auf LSBTIAQ*, die aufgrund der Enge in den Camps keine ausreichenden Schutzräume besitzen.
Die dramatische Lage ist exemplarisch für Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen, die an der Kapazitätsgrenze sind. Mockau war eigentlich als Zwischenlösung für Menschen in Quarantäne angedacht. Laut Vorgaben sollen hier bis zu 600 Menschen untergebracht werden – de facto sind es im Moment ungefähr 500.* Das Camp besteht aus Leichtmetallbauten, die eher Zelten als winterfesten Behausungen ähneln. Im Innenraum befinden sich die Kabinen, in denen bis zu acht Personen* in Doppelstockbetten untergebracht sind. Hier lagern die Menschen ihre Sachen auf Pappresten, da keinerlei Schränke, Regale o.ä. vorhanden sind. Gerade Familien mit Kleinkindern kommen nicht zur Ruhe, da es keine geschlossenen Dachdecken gibt und der Geräuschpegel permanent hoch ist.
Vulnerable Gruppen unzureichend geschützt
Als in den vergangenen Wochen mehrfach Schlafräume nicht beheizt wurden, gingen über 20 Schutzsuchende in einen Hungerstreik, der inzwischen beendet ist. LSBTIAQ*-Personen leiden besonders unter den Zuständen, da sie keine Rückzugsräume in Mockau besitzen. So häufen sich die Beschwerden beim Queer Refugees Network: „Wir machen uns große Sorgen um unsere Klient*innen, die in der Erstaufnahmeeinrichtung in Mockau wohnen. Wir haben bereits von ersten queerfeindlichen Angriffen gehört und davon, dass sich queere Menschen nachts in ihren nicht abschließbaren Zimmern verbarrikadieren, damit andere Bewohner*innen eindringen. Auch die nicht abschließbaren, externen Duschen und Toiletten sind eine ständige Gefahr. In diesen Räumlichkeiten besteht oft ein besonders hohes Risiko, Opfer von Gewalt zu werden“, erklärt Tatiana Kulbakina von RosaLinde Leipzig e.V. Wollen die Menschen aus eben diesen Gründen bei Verwandten oder Bekannten unterkommen, hat dies Konsequenzen: Wer länger als 24 Stunden nicht in der Unterkunft war, erhält Sanktionen bei den Leistungen – es entsteht indirekter Zwang sich stets in der Einrichtung aufzuhalten.
Nicht zu viele Menschen, sondern zu schlechte Verteilung
Julia Palmer, vom LSVD Sachsen, erklärt, dass Mockau kein Einzelfall ist: „Auch in der Erstaufnahme in Schneeberg sind die Bedingungen ähnlich schlecht. Seit Jahren erreichen uns Berichte von unzureichender Gesundheitsversorgung, schlechter Anbindung an die Innenstadt sowie ein hohes Gewaltpotential innerhalb der Einrichtung. Gerade für queere Menschen ist hier kein Schutz geboten, da es keine Rückzugsmöglichkeiten gibt.“ So kam es September 2021 sogar zu einer Demonstration in der Innenstadt Schneeberg, die von den Bewohner:innen selbst organisiert wurde um auf die inakzeptablen Zuständen in der Erstaufnahme aufmerksam zu machen.
Gerade durch Neuankommende über Belarus/Polen verschärft sich die Lage in den Aufnahmeeinrichtungen. Gebot der Stunde ist eine schnelle Verteilung der Schutzsuchenden in andere Bundesländer oder in dezentrale Unterkünfte. Dazu Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat: „Es sind einige hundert Menschen, die aktuell verteilt werden müssten, damit sich die Unterbringungssituation entspannt. Dabei besteht absolut keine Notwendigkeit im Winter neue Zelte aufzubauen. Sinnvoller wäre es, die Menschen in Bundesländern zu verteilen, die Kapazitäten besitzen oder dezentral innerhalb Sachsens unterzubringen.“
* Korrekturmeldungen: Ursprünglich erreichten uns Meldungen, dass bis zu 600 Menschen im Lager leben. De facto waren es 502 Personen, die sich zum damaligen Zeitpunkt in Mockau III aufhielten. Außerdem werden in den Zimmern maximal acht Personen untergebracht, wir schrieben von einer Auslastung von bis zu zwölf Personen. Wir bitten diese Fehler zu entschuldigen! Keineswegs mindern diese Tatsachen unsere grundsätzliche Kritik an der Existenz solch einer zentralen Unterbringungsform, insbesondere von Zeltlagern.
Kontakt:
Queer Refugees Network Leipzig
RosaLinde Leipzig e.V.
– Anna Weißig –
Telefon: 0177 1656454
Mail: anna.weissig@rosalinde-leipzig.de
Sächsischer Flüchtlingsrat
– Dave Schmidtke –
Telefon: 0176 42728623
Mail: pr@sfrev.de