Wenn der Alptraum zum Alltag wird: Zur Lage von Frauen und Mädchen in Afghanistan

Maria Mahbobi ist Schülerin und lebte viele Jahre in Chemnitz. Auch sie ist nach ihrer Flucht aus Afghanistan noch in Kontakt mit Familienangehörigen. Diese berichten von Burka-Pflicht, Berufs- oder Schulverboten für Frauen und Mädchen. Maria Mahbobi berichtet im Artikel wie sich deren Situation zunehmend verschlechtert, gerade weil immer weniger mediale Aufmerksamkeit für die Katastrophe im Land besteht.

In vielen Teilen Afghanistans fanden seit August 2021 Proteste gegen die Taliban-Regierung statt, doch diese haben bislang nichts gebracht. Manche sind geflohen oder beim Versuch gestorben, aber das alles hat die Regierung Taliban nicht interessiert. Nach der Machtübernahme haben auch Frauen protestiert. Mit Schlägen wurden Journalist*innen vertrieben, die davon Fotos gemacht haben. Viele Teilnehmerinnen sind heute verschwunden oder in Gefängnissen. Taliban nutzen die Gewalt, damit in der Zukunft mehr Menschen Angst haben, Demonstrationen zu organisieren. Doch nicht nur ihr politischer Aktivismus wird verhindert, ihnen wird auch untersagt in manchen Berufen aktiv zu sein.

Meine Tante zum Beispiel lebt in Kabul und studiert Medizin, doch ihr wurde verboten in Afghanistan zu arbeiten. Sie hat später keine Chance als Ärztin zu arbeiten, auch wenn sie gerade ihr Studium beendet. Denn ja, es gibt noch wenige Möglichkeiten für Frauen an sehr teuren privaten Universitäten zu studieren. Aber was bringt es, wenn sie danach nicht in ihrem Beruf arbeiten dürfen? Einige Frauen werden kreativ, wie Gruppen aus Mazar-e-Sharif. Sie sind auf das Land gezogen, um selbst Nahrung anzubauen. Solange auf den Anbauflächen nur Frauen arbeiten, wird dies von den Taliban geduldet. Die Ernte wird dann an meist an die Söhne verteilt, um diese auf kleinen Ständen und Märkten zu verkaufen.

Mädchen in Afghanistan ist unter den Taliban nur noch der Schulbesuch zur sechsten Klasse möglich. Foto: Wanman Uthmaniyyah

Bevor die Taliban an der Macht waren, durften Frauen in Großstädten wie Herat oder Kabul alle Berufe und alle Abschlüsse machen. Jetzt ist ihnen nur noch Grundschulbesuch bis zur sechsten Klasse erlaubt. Die einzige Perspektive, die sie dann noch haben: Sie dürfen im Haushalt Sachen erledigen. Nur private Schulen, für die bezahlt werden muss, könnten weiterführende Bildung ermöglichen. Doch viele dieser Schulen bieten nur theoretisch Kurse für Frauen an, die Mehrheit erlaubt nur Männern eine Anmeldung. Sie verhindern die Chance auf Bildung aus Angst, dass die Taliban ganze Institute schließen könnten, wenn Frauen teilnehmen dürfen. Somit sind auch reichere Schichten von der Diskriminierung betroffen. Ein weiteres Problem: von Bankautomaten können nur kleinere Summen abgehoben werden und viele Banken sind inzwischen geschlossen.

Fast die Hälfte des Landes hungert[1] und wegen der Armut passieren furchtbare Dinge, die sich kaum aussprechen lassen. Die drohende Unterernährung sorgt für so große Verzweiflung, dass Menschen alles tun um zu überleben. Die Taliban nutzen diese Situation aus. Sie kaufen Familien ihre Töchter ab – als wären diese Gegenstände. Es passiert häufig auf dem Land, wo es keine Moral und kein Gesetz gibt. Dort werden minderjährige Mädchen bereits im Kleinkindsalter verkauft. [2] Doch es trifft nicht nur die Ärmsten: Taliban-Kämpfer gehen in vielen kleinen Orten von Haus zu Haus und üben gewalttätigen Druck auf Familien aus, um Zwangsehen durchzusetzen.

Das ganze Land leidet nur der Nahrunsgmittelkrise, doch Frauen sind zusätzlicher einer mehrfachen Diskriminierung im Land ausgesetzt. Foto: Wanman Uthmaniyyah

Auch wenn diese Ereignisse eher auf dem Land stattfinden: Es gibt eine landesweite Diskriminierung. Frauen dürfen unter der jetzigen Herrschaft nichts mehr allein in der Öffentlichkeit machen, sie besitzen quasi keine Rechte. Es gibt nur noch ganz wenige Frauen in den Medien. Wenn Frauen in der Öffentlichkeit sind, werden sie seit Mai 2022 dazu gezwungen Burka zu tragen. Möchten sie dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, wird eine männliche Begleitung aus der Familie verlangt (diese Maßnahme nennt sich Mahram). So bleibt vielen nur die Hoffnung, dass Land verlassen zu können oder zumindest nicht komplett im Ausland vergessen zu werden. Es braucht mehr Druck der internationalen Gemeinschaft, dass die Taliban nicht als Regierung akzeptiert werden.

Jeder weitere Tag mit diesen Terroristen an der Regierung, lässt den Alptraum zum Alltag werden.

[1] UNO Flüchtlingshilfe: Hilfe weltweit, Afghanistan

[2] Sky News, Afghanistan: Poor families sell underage daughters into marriage

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