Am Dresdner Hauptbahnhof kontrolliert die Bundespolizei seit dem 25. August in einer groß angelegten Aktion gezielt People of Colour. Betroffen sind vor allem Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan. PRO ASYL und der Sächsische Flüchtlingsrat fordern ein Ende dieser diskriminierenden Praxis des Racial Profiling.
Seit Ende August kontrolliert die Bundespolizei auf der Bahnstrecke von Tschechien nach Deutschland und am Hauptbahnhof Dresden gezielt nicht-weiße Menschen. Diese werden aus den Zügen geholt, mehrere Stunden festgehalten und bis zu zwei Stunden lang verhört. PRO ASYL und der Sächsische Flüchtlingsrat bezeichnen die Kontrollen als rassistisch und fordern ein Ende des diskriminierenden Vorgehens. „Diese Kontrollen verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 des Grundgesetzes und müssen sofort eingestellt werden. Bundesinnenministerin Faeser darf eine solche offen rassistische Praxis nicht dulden“, erklärt Wiebke Judith, rechtspolitische Referentin bei PRO ASYL. Anfang des Jahres hat auch das Verwaltungsgericht Dresden im Falle eines Schwarzen Klägers festgestellt, dass die polizeiliche Praxis des Racial Profiling ohne konkreten Anlass rechtswidrig ist. Dennoch will die Bundespolizei laut eigenen Angaben die groß angelegte Aktion noch für mehrere Wochen fortsetzen.
Dass nicht-weiße Menschen in Zügen und Bahnhöfen anlasslos kontrolliert werden, ist kein neues Phänomen, aber: „Die jetzige Aktion hat eine ganz andere Dimension. Etwas Vergleichbares haben wir noch nicht erlebt“, sagt Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat Sachsen. Pro Zug werden durchschnittlich zehn bis zwanzig Menschen von der Polizei herausgezogen und befragt. Darunter sind auch viele unbegleitete Minderjährige, nach Beobachtung des Sächsischen Flüchtlingsrats rund 30 Prozent.
Aktivist*innen werden eingeschüchtert, Pressearbeit behindert
Schmidtke, der gemeinsam mit anderen Aktivist*innen immer wieder selbst am Dresdner Hauptbahnhof ist, berichtet, dass die Bundespolizei Kontakt zwischen dem Flüchtlingsrat und den Menschen verhindert. Den Betroffenen steht bislang vor Ort auch keine anwaltliche Unterstützung zur Verfügung. Für viele der Geflüchteten, die häufig in ihren Herkunftsländern, aber auch in europäischen Ländern, negative oder gar traumatisierende Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben, ist die Situation einschüchternd und beängstigend. „Dass hier schutzbedürftige Menschen isoliert werden und keine unabhängige Unterstützung erhalten, ist für uns extrem bedenklich. Wir fragen uns, was die Bundespolizei mit dieser Aktion erreichen will und was mit den Erkenntnissen aus den Befragungen passiert“, so Schmidtke.
„Es ist besorgniserregend, dass Beobachter*innen des Racial Profilings von der Polizei massiv eingeschüchtert werden und die Arbeit der Presse behindert wird“, erklärt Wiebke Judith. So wurde ein Journalist mehrere Stunden lang an der Berichterstattung gehindert, was auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) Berlin-Brandenburg kritisiert. Aktivist*innen, die das Vorgehen der Polizei an den Bahnsteigen beobachten, erhalten Hausverbote von bis zu einem Jahr. „Es ist fragwürdig, ob solche Hausverbote verhältnismäßig sind, und das aktuelle Vorgehen gegen zivilgesellschaftliches Engagement ist eines Rechtsstaates unwürdig“, kritisiert Judith.
Ein Großteil der Kontrollierten stammt aus Syrien und Afghanistan
Die Herkunft der Menschen – überwiegend stammen sie aus Syrien und Afghanistan – zeige, dass sie offensichtlich Kriegsflüchtlinge sind und ein Recht auf Schutz haben, erklären die beiden Organisationen. Es sind im Rahmen der Kontrolle Fälle von syrischen Staatsangehörigen bekannt, die in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt wurden, aber aufgrund der katastrophalen Zustände das Land verlassen haben. Laut Gerichtsurteilen darf Deutschland diese Menschen nicht nach Griechenland zurückschicken. „Dass Menschen aus Syrien oder Afghanistan allen Grund haben zu fliehen, ist allgemein anerkannt. Doch in vielen europäischen Ländern bekommen sie keinen Schutz, werden inhaftiert oder stehen vor einem Leben auf der Straße. Entsprechend sehen sie sich gezwungen, weiterzureisen und zum Beispiel in Deutschland Schutz zu suchen“, erklärt Schmidtke.
Die meisten der Betroffenen bekommen eine Anzeige wegen illegaler Einreise. Ein entsprechendes Strafverfahren sollte bei Asylantragstellung zwar in der Regel eingestellt werden, doch um das sicherzustellen, sollten die Betroffenen eine anwaltliche Vertretung haben. Eine Verurteilung wegen illegaler Einreise kann sich negativ auf die Möglichkeiten auswirken, im Falle einer Ablehnung des Asylverfahrens den Aufenthalt über eine Bleiberechtsregelung zu sichern.
Die linke Bundestagsabgeordnete Clara Bünger hat mit Blick auf Racial Profiling gemeinsam mit der Linksfraktion eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, auf welcher Rechtsgrundlage und für welche Dauer die »temporäre Einlasszentrale« in Dresden eingerichtet wurde. „Wir fordern dringende Aufklärung und die Transparenz, der sich Bundesregierung und Bundespolizei bisher entziehen wollen“, schreibt sie auf Twitter.
Am Montag den 5. September ab 18 Uhr wird vor dem Hauptbahnhof Dresden (Bayrische Straße) unter dem Motto „Fight racism!“ eine Mahnwache gegen Racial Profiling abgehalten werden.