Zwei Suizide binnen weniger Monate: Massenunterkunft in Hoyerswerda ist keine Dauerlösung

Am 28. August begeht ein 53-Jähriger Mann aus Pakistan in einer Gemeinschaftsunterkunft in Hoyerswerda Selbstmord. Bereits wenige Monate zuvor starb eine weitere Person aus der gleichen Massenunterkunft. Die Belastung über Jahre mit hunderten Menschen ohne Perspektive auf Aufenthalt leben zu müssen, ist laut Bewohner*innen der Unterkunft menschenunwürdig. Kritik daran besteht seit Jahren, dennoch wird im Freistaat nicht von diesem Unterbringungskonzept abgerückt.

Der Asylantrag des 53-jährigen Dialyse-Patienten wurde vor Jahren abgelehnt. Die Verzweiflung des Mannes wuchs auch mit zunehmender Erkrankung, sodass er eine Ausreise nach Pakistan plante. Doch auch hierbei konnten die Behörden ihm kein zeitnahes Datum nennen. Am letzten Sonntag im August springt er aus dem Fenster der Unterkunft und stirbt. Die Polizeidirektion Görlitz bestätigt auf Anfrage, dass aktuell Fremdverschulden oder ein Unfall als Ursache ausgeschlossen werden. „Der Freitod ist sicher nicht nur auf den Zustand der Unterkunft zurückzuführen. Aber dass die mentale Belastung in einer Massenunterkunft für einen schwerkranken Menschen besonders schwer zu ertragen ist, steht außer Frage.“, erklärt Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

Nicht der erste Suizid in der Unterkunft

Es ist eine bedenkliche Entwicklung, wenn sich innerhalb von drei Monaten zwei Menschen aus der gleichen Gemeinschaftsunterkunft das Leben nehmen. Bereits Ende April starb ein 42-jähriger Bewohner aus Syrien, als er sich in der Nähe der Unterkunft das Leben nahm. Die Unterkunft in der Thomas-Müntzer-Straße in Hoyerswerda ist seit 2016 in Betrieb und im Haus leben ca. 400 Personen. Die Menschen, die dort leben, kommen bspw. aus Pakistan, dem Irak, Indien, Syrien oder Afghanistan. Den Zustand der Massenunterkunft beschreiben sie als katastrophal. Die Sanitäranlagen seien wie der Rest der Unterkunft in veraltetem Zustand und Renovierungsarbeiten werden nicht durchgeführt.

Frust unter Bewohner*innen wächst

Darüber hinaus wird auch die Kritik an der Willkür örtlichen Behörden im Landkreis Bautzen laut: „Wenn wir Anträge auf Umverteilung oder eine Arbeitserlaubnis bei den Behörden stellen, bekommen wir Ablehnungen oder gar keine Antwort. Es ist kein Gefängnis, aber es fühlt sich so an. Denn viele von uns bekommen keine Chance auf einen Sprachkurs, dürfen nicht arbeiten und sind zum Nichtstun verdammt.“, berichtet Farhang B., der selbst in der Unterkunft lebt. Der Informatiker aus dem Irak beschreibt den Umgang mit Geflüchteten im Landkreis als diskriminierend: „Ehrlich gesagt macht uns die Ausländerbehörde nur Probleme. Mein Ausweis war bereits über zwei Monate abgelaufen, als ich einen Termin zur Verlängerung bekam. Ich kann die Lage der Verstorbenen nachempfinden, denn auch ich befand mich vor einem Jahr in einer ähnlichen Lage. Wir werden hingehalten bis wir komplett frustriert sind. Die Behörden machen alles, um uns zu überzeugen, dass wir das Land verlassen. Sie geben uns stets das Gefühl, dass wir nicht willkommen sind.“ Leider sind diese Schilderungen kein Einzefall. Der SFR e.V. begleitet seit vielen Jahren Menschen, die ähnliches berichten und sowohl aufgrund der Unterbringungsform, als auch durch das Handeln der Behörden psychisch belastet sind. So lebt eine Familie aus dem Irak beispielsweise schon über sieben Jahre in der Unterkunft in Hoyerswerda – ohne Perspektive diese verlassen zu können!

Bautzener Behörde arbeitet mit Angst

„Eine verzweifelte Unternehmerin, die mehrfach vergeblich versuchte eine Arbeitserlaubnis für Geflüchtete in ihrem Betrieb zu erreichen, spricht von „DDR-Mentalität“ in den Bautzener Behörden. Es gäbe Sachbearbeiter*innen, die mit Druck und Einschüchterung arbeiteten. Die Behörden suchten vor allem nach Möglichkeiten einen langfristigen Aufenthalt von Geflüchteten und deren Integration zu verhindern.“, schildert Schmidtke ihre Erfahrungen. In Kombination mit der Unterbringungssituation ist es wahrscheinlich, dass die Verzweiflung unter den Geflüchteten in Zukunft weiter wachsen wird.

Es bleibt dabei: Massenunterkünfte sind keine menschenwürdige Unterbringung! Dort gibt es keine Schutzräume vor Gewalt für besonders vulnerable Gruppen; Schutzsuchende kommen ohne Privatsphäre nicht zur Ruhe; es entwickeln sich immer wieder gefängnisartige Strukturen und somit werden Menschen immer wieder an mentale Belastungsgrenzen getrieben. Es braucht eine schnellstmögliche dezentrale Unterbringung für ALLE Geflüchteten!

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