Ausbruch von Krätze und Diptherie in Erstaufnahmeeinrichtungen – Lager sind kein Ort für niemand

Seit Jahren warnen Flüchtlingsräte, Bewohner*innen und eine kritische Zivilgesellschaft vor den Gefahren, die mit einer menschenunwürdigen Massenunterbringung einhergehen. Nach uns vorliegenden Informationen breitete sich im Lager Mockau I Skabies und Diphtherie aus, einige Bewohner*innen wurden verlegt. Auch im Lager Schneeberg breitet sich seit mehreren Monaten Krätze aus.

Nach einer dem Flüchtlingsrat vorliegenden Quelle wurden am vorigen Donnerstag, 27. Oktober 2022, mehrere Bewohner*innen des Lagers Mockau I auf Anweisung des Gesundheitsamtes verlegt. Laut Berichten habe es unter den Bewohner*innen vermehrt Infektionen mit Krätze und Diphtherie gegeben. Die Landesdirektion Sachsen gibt auf Anfrage an, sie erfasse neben COVID-19 keine weiteren statistischen Informationen zu Infektionskrankheiten in Erstaufnahmeeinrichtungen.

„Die Strategie, die Augen einfach zu verschließen, und anschließend zu erklären es gebe keinen Ausbruch von Infektionskrankheiten, ist höchst fahrlässig. Nach unseren Informationen hat die Landesdirektion Erkrankte aus Mockau I erst verlegt, nachdem das Gesundheitsamt einschritt. Die Lagerbetreiber und die Landesdirektion Sachsen hätten viel früher effektive Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von Infektionen treffen können.“, erklärt Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

Angespannte Situation in Schneeberg

Mockau I ist nicht der einzige Schauplatz behördlichen Versagens. Seit über vier Monaten beobachten Sächsischer Flüchtlingsrat und Vertreter*innen der sächsischen Medinetze Fälle von Krätze im Lager in Schneeberg, ohne dass Erkrankte entsprechend isoliert werden. Im Gegenteil: Neu Ankommende werden in Zimmern mit Betroffenen untergebracht, sodass sich Infektionen weiter im Lager verbreiten.

Während im Lager in Schneeberg, welches von den Maltesern betrieben wird, zunächst Salbe gegen die Krätze verteilt wurde, müssen die Bewohner*innen sich diese inzwischen von ihrem geringen Taschengeld selbst organisieren. Tatsächlich sind Salben oder Tabletten ohnehin wirkungslos, solange nicht zusätzlich strenge Hygienemaßnahmen durchgeführt werden, wie z. B. Kleidung und Bettwäsche separat ausreichend heiß zu waschen oder zu desinfizieren. „Auch hier zieht sich der Lagerbetreiber aus der Verantwortung und überlasst dies den Bewohner*innen selbst, die nur die Möglichkeit der Handwäsche haben und zudem teilweise nicht einmal Wäsche zum Wechseln erhalten.“, erklärt Maleen Täger vom Medibüro Chemnitz.

„Es gibt klare Richtlinien, wie im Falle solcher infektiösen Krankheiten vorgegangen werden muss, um eine Verbreitung und eine Verschlimmerung für die Betroffenen zu verhindern. Die Gefahren einer raschen Infektionsausbreitung und schmerzhafter Entzündungen unbehandelter Wunden sind der Landesdirektion, dem Lagerbetreiber und dem örtlichen Gesundheitsamt bekannt. Wir haben alle Stellen sofort informiert, als wir Kenntnis über die vielen Krätze-Fälle im Lager erhielten, doch sie bleiben bis heute untätig“, so Täger. Nun sind bereits Kinder und sogar ein zehn Monate altes Baby betroffen.

Lager sind kein Ort für niemand

Neben der Ausbreitung von Infektionskrankheiten ist auch der fehlende Gewaltschutz in sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen zu bemängeln. Immer wieder berichten Bewohner*innen von defekten oder nicht abschließbaren sanitäre Einrichtungen. Durch die aktuell starke Auslastung der Lager werden vulnerable Gruppen unzureichend getrennt untergebracht. So berichteten Bewohnerinnen dem Sächsischen Flüchtlingsrat, dass sie in Duschräumen für Frauen bereits Männer beobachteten.

„Krätze, Diphtherie, soziale Isolation, keine Winterkleidung, fehlender Gewaltschutz und fehlende Privatsphäre: Erstaufnahmeeinrichtungen sind zur dauerhaften Unterbringung von Schutzsuchenden nicht nur ungeeignet, sie stellen eine konkrete Gesundheitsgefahr für Asylsuchende dar. Die Evakuierung von Mockau I zeigt erneut: Lager sind kein Ort für niemand“, so Schmidtke.

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Bildquellen

  • Schneeberg aktuell 10_22: privat