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PM: Ampel untergräbt Recht auf Asyl um jeden Preis 

Die am Donnerstag verabschiedete Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) sendet eine Schockwelle durch Europa. Auch der Sächsische Flüchtlingsrat und die Refugee Law Clinics Dresden und Leipzig zeigen sich bestürzt über die drohende massive Beschneidung des Rechts auf Asyl
 
„Grenzverfahren führen zu willkürlicher und unverhältnismäßiger de facto-Haft. Menschen werden unter eine „Fiktion der Nicht-Einreise“ gepackt. Wie will man Menschen fiktiv nicht als eingereist gelten lassen, ohne sie festzuhalten?“, fragt Paula Moser vom Sächsischen Flüchtlingsrat.
 
„Vergangene Urteile des EuGH und EGMR hatten Haftdauern von mehr als drei Monaten als unverhältnismäßig bewertet. Jeder Tag Haft ist zu viel – und 12 Wochen sind es erst recht!“, so Paula Moser.
 
Menschenrechtsverletzungen vorprogrammiert
 
Die nur summarische, also extrem oberflächliche, Prüfung von Asylanträgen im Grenzverfahren kann sehr schnell zur Verletzung des Kerns des europäischen Menschenrechtskanons führen. 
 
„Artikel 3 der europäischen Menschenrechtskonvention, das Verbot von Folter, wird im Asylrecht durch Non-Refoulement-Verbot umgesetzt, weil es verbietet, Personen in eine Situation abzuschieben, in denen ihnen Gefahr für Leib und Leben droht. Genau das passiert aber potenziell in überhasteten Grenzverfahren – denn ein Asylantrag wird hier gar nicht erst richtig angeschaut“, erklärt Lara Edtmüller von der Refugee Law Clinic Dresden.
 
Hinzu kommt, dass es kaum Ausnahmen für vulnerable Gruppen gibt, so werden auch Familien mit Kindern nicht von den Grenzverfahren ausgenommen. „Was für Erwachsene inhuman ist, ist es für Kinder erst recht“, so Edtmüller.
 
Willkürliche Anwendung des Grenzverfahrens
 
Die 20-Prozent-Quote ist dabei das nächste Übel. Personen, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von 20 Prozent oder niedriger kommen, werden zwingend in das Grenzverfahren geschickt. Die Quote soll über die jahresdurchschnittliche unionsweite Anerkennungsrate berechnet werden. 
 
„Die 20-Prozent-Quote ist aus zwei Gründen fatal: erstens unterscheiden sich die Schutzquoten innerhalb der EU enorm. So lag beispielsweise die Anerkennungsrate von afghanischen Asylsuchenden 2019 bei 94 Prozent in Italien, im Kontrast zu 4 Prozent in Bulgarien. 
 
Zweitens basiert die 20-Prozent-Quote auf den Anerkennungsraten der Asylbehörden, und nicht auf den durch Gerichtsverfahren bereinigten Schutzquoten. Es ist ein willkürlicher Wert und führt somit zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung, indem Personen aus diesen vermeintlich sicheren Ländern aufgrund des Grenzverfahrens dauerhaft in niedrigen Schutzquoten verweilen“, erklärt Paula Moser vom Sächsischen Flüchtlingsrat.
 
Abschiebung in willkürliche Länder 
 
Darüber  hinaus greift eine sogenannte Zulassungsprüfung, die dafür sorgt, dass  Menschen, die über vermeintlich „sichere Drittstaaten“ nach Europa  geflüchtet sind, kein Asylverfahren erhalten. Stattdessen werden sie direkt in diese zurückgeschoben. Selbst  das Verbindungskriterium, welches vorsah, dass abgewiesene Asylsuchende nur in Drittstaaten abgeschoben werden können, sofern sie eine  Verbindung zu dem Land aufweisen, die über die bloße Durchreise hinausgeht, wurde vermutlich fallen gelassen. 
 
„Mit dieser Regelung wird es faktisch möglich, Asylsuchende in ein Land abzuschieben, zu dem sie überhaupt keinen Bezug haben und sie dort sich selbst zu überlassen – das geht doch gegen jeden Menschenverstand“, so Paula Klettke von der Refugee Law Clinic Leipzig.
 
Kaum Rechtsbeistand möglich
 
Schließlich lohnt ein Blick auf die Rechtsmittel im Grenzverfahren: Gegen die Ablehnung von Asylanträgen im Grenzverfahren kann nur innerhalb einer Woche Klage erhoben werden. 
 
„Wie soll jemand, der im Gefängnis im Nirgendwo an einer europäischen Außengrenze, in so kurzer Zeit Kontakt zu Rechtsbeistand aufbauen und dabei auch sprachliche Hürden überwinden?“, kritisiert Paula Klettke von der Refugee Law Clinic Leipzig
 
Die Klage hat außerdem keine aufschiebende Wirkung. „Das bedeutet, Geflüchtete können, noch während ihr Klageverfahren läuft, in ihr Herkunftsland oder ein Transitland abgeschoben werden. Bei dieser Vorstellung graut es uns“, so Klettke.
 
Auswirkungen für Sachsen
 
Auch in Sachsen sind Grenzverfahren und Internierungslager möglich. Neben der Anwendung in sogenannten Flughafenverfahren könnte die neue Asylverfahrensverordnung auch so interpretiert werden, dass Menschen, die nach Deutschland einreisen und Asyl beantragen, hier inhaftiert werden. „Haftlager darf es weder auf Lesvos noch in Görlitz geben. Punkt“, so Edtmüller von der Refugee Law Clinic Leipzig.
 
Ein ernüchternder Ausblick
 
„Wir hoffen, dass das EU-Parlament diesen menschenwidrigen Wahnsinn entgegenwirkt. Wir appellieren an jede einzelne EU-Parlamentarier*in, diesem Entwurf im Trilog nicht zuzustimmen.
 
Wir müssen als Zivilgesellschaft laut sein: indem wir der Ampel-Koalition und allen Mitschuldigen zeigen, dass sie mit diesem menschenrechtlichen Dammbruch nicht davonkommen!“, erklärt Paula Moser vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

Kontakt:

Sächsischer Flüchtlingsrat 
Paula Moser
Tel Nr: +49 151 181 375 48
Mail: moser@sfrev.de
 
Refugee Law Clinic Dresden
Lara Edtmüller
Mail: rlc@tu-dresden.de
 
Refugee Law Clinic Leipzig 
Paula Klettke
Mail: info@rlc-leipzig.de
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