PM – Rassistischer Angriff auf Geflüchtete im Wohnheim in Sebnitz: Kein Einzelfall, sondern eine Spiegelung gefährlicher Entwicklungen

In Sebnitz, einer Kreisstadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, hat es am Samstagabend (22. Juli 2023) einen rassistisch-faschistischen Angriff auf ein Wohnheim für Geflüchtete gegeben. Vier Männer, davon zwei maskiert, brachen in das Haus ein und griffen zwei Geflüchtete im Alter von 16 und 18 Jahren an.

Ein 24-sekündiges Video, das vom Sachsen Fernsehen veröffentlicht wurde, zeigt zwei der angreifenden Männer im Flur des Wohnhauses. Einer der Angreifer trägt ein weißes Shirt mit dem Aufdruck eines Wehrmachts-Soldaten sowie einer Reichsflagge und ist mit einer Stange bewaffnet.

Nach Angaben der Betroffenen und der Polizei traten die Täter kurz vor der Aufnahme gewaltsam die Hintertür des Wohnhauses ein. Zwei der Täter schlugen dann auf einen 18-jährigen Hausbewohner ein, stießen ihn gegen eine Hauswand und warfen Gegenstände auf ihn. Als andere Bewohner*innen hinzu kamen flohen die Täter.

Ein betroffener Geflüchteter aus Afghanistan berichtete dem Sachsen Fernsehen von dem rassistischen Angriff mit den folgenden Worten: „Wir waren gerade beim Abendessen, als wir laute Geräusche hörten. Jemand aus meiner Familie ging nach unten und stand dann zwei maskierten und zwei unmaskierten Männern gegenüber.“ Der Betroffene fuhr fort: „Es war sehr schlimm. Ich war traurig und habe die ganze Zeit an meine Familie gedacht.“

Die Betroffenen vermuten, dass der Angriff mit einer früheren rassistischen Belästigung am selben Tag zusammenhängt: „Jemand aus meiner Familie wurde am Sebnitzer Busbahnhof von zwei Männern rassistisch beleidigt und angespuckt. Sie haben ‚Scheißkanaken‘ gerufen.“ Ein Polizeisprecher bestätigte den Verdacht und teilte mit, dass wegen der besagten Tat ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet wurde. Außerdem wird wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Hausfriedensbruch gegen die Angreifer ermittelt. Bisher konnte ein 20-jähriger Mann als Angreifer identifiziert werden, nach den anderen wird noch gefahndet.

Osman Oğuz vom Sächsischen Flüchtlingsrat betont, dass der rassistische Angriff in Sebnitz ernst genommen werden muss und fährt fort: „Er ist kein Einzelfall, weil er im Einklang mit rassistischen Vorfällen und gesellschaftlichen Tendenzen steht, die wir insbesondere in einigen Stadtteilen von Großstädten und in ländlichen Regionen Sachsens seit einiger Zeit beobachten.“

Oğuz berichtet von seinen Gesprächen mit Geflüchteten, die in Städten auf dem sächsischen Land wie Zwickau oder Bautzen leben, mit folgenden Sätzen: „Viele Geflüchtete berichten, dass sie sich allein nicht mehr trauen, auf die Straße zu gehen. Als Maßnahme des Selbstschutzes bewegen sie sich lieber in Gruppen. Damit einher geht das Gefühl, bei rassistischen Angriffen zunehmend allein gelassen zu werden.“

Auf das Fehlen des „entschiedenen Gegenwinds“ an vielen Orten hinweisend sagt Oğuz: „Die Grenzen des öffentlich Sagbaren haben sich längst bis zur Entmenschlichung verschoben, und die Hetze gegenüber Geflüchteten gehört auf immer mehr Straßen zur Normalität. Die EU-Politik an den Außengrenzen sowie die Äußerungen vieler Politiker:innen von etablierten Parteien wie der CDU tragen ebenfalls zu dieser Normalisierung bei. Der Versuch, rechter zu werden, vermeintlich um dem Rechtsruck vorzubeugen, bewirkt genau das Gegenteil: Die rechtspopulistischen Kräfte gewinnen dadurch erhöhte Legitimität, und insbesondere einige der lokalen Strukturen der etablierten Parteien verfolgen immer offener eine Politik, die von der rechtspopulistischen Stimmungsmache kaum zu unterscheiden ist. Mit anderen Worten: Es gibt mehr Rechte als vor der vermeintlichen Prävention.“

Auf die Frage, wie dagegen vorgegangen werden könnte, verweist Oğuz auf den Bedarf von einem „entschiedenen Programm, das sich durch seine Anschlussfähigkeit in Stadtteilen und ländlichen Regionen auszeichnet, in denen der politische Diskurs den rechtspopulistischen Kräften überlassen scheint“ und führt aus: „Ein Programm ist nur dann lebendig, wenn es von Tür zu Tür erzählt und organisiert wird. Zudem muss eine politische Selbststimme der Geflüchteten entwickelt werden, die die Geschehnisse in einen angemessenen Kontext setzt. Wenn die Kontextualisierung auf einer verzerrten Realität beruht, wird dem Rechtspopulismus Spielraum gegeben. Es ist unbedingt erforderlich, auch über migrantisch geprägte Strömungen wie den Islamismus zu sprechen, die ebenfalls die Situation ausnutzen, um sich auf Basis verzerrter Realitäten zu organisieren und sich als Beschützer der Betroffenen von Rassismus darzustellen. Man könnte meinen, dass sich Neonazis und Islamisten gegenseitig in die Hände spielen. Dies kann nur durch eine entschiedene und verbindende Politik auf Basis der Realität verhindert werden. Wie diese Intervention im Konkreten aussehen soll, ist Gegenstand der längst fälligen Diskussionen. Es muss endlich über die oftmals pessimistische bloße Zurschaustellung von Zuständen hinausgehen und zu praktischen Vorschlägen kommen, die eine demokratische Lebendigkeit schaffen.“

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