Bruder von russischem Dissidenten droht Abschiebung aus Sachsen

Narek Aramian lebt derzeit in Dresden soll aber im Sinne des Dublin-Verfahrens nach Polen abgeschoben werden. Dabei lebt seine gesamte Familie in Deutschland auch sein Bruder Armen Aramian, der Mitbegründer des Mediums „DOXA“. Dieser wurde in Russland unter Hausarrest gesetzt und für die Arbeit als Journalist verurteilt. Eine Rückkehr nach Russland scheint Narek Aramian ebenso unmöglich wie ein erneutes Leben in Polen. Dort erlebte er als russischer Geflüchteter institutionelle wie alltägliche Diskriminierung.

Die politische Feindschaft zwischen Polen und Russland zieht sich durch die vergangenen Jahrhunderte, in denen russische Großmachtfantasien immer wieder dafür sorgten, dass Polen Gebiete und Einfluss an Moskau verlor. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 wuchs die Spannung zwischen beiden Ländern enorm und dies bekommen auch russische Geflüchtete zu spüren, die in den Asylverfahren nahezu ausnahmslos abgelehnt werden: „Meine Mutter und ich haben neun Monate eine Wohnung in ganz Polen gesucht, doch wurden überall abgelehnt als wir unseren russischen Pass vorzeigten. Zwar hatte eine Vermieterin mit uns Mitleid, aber danach einen Job zu finden war für mich unmöglich. Für einen legalen Aufenthalt in Polen ist genau das aber Grundvoraussetzung.“

Keine Perspektive in Polen

Es war diese Diskriminierung in Polen, die dazu führte, dass Herr Aramian und seine Mutter weiter Richtung Deutschland fliehen mussten. Ohne Perspektive im östlichen Nachbarland ein normales, sicheres Leben aufzubauen „Vor zwei Jahren sind dutzende Menschen in polnischen Wäldern erfroren. Der schreckliche Umgang mit Geflüchteten in Polen ist hinreichend belegt. Für die Ukrainer*innen galt hier lange eine Ausnahmesituation, aber russische Dissidenten hatten es seit dem Beginn des Krieges extrem schwer.“, erklärt Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

„Nach Gesprächen mit der polnischen NGO Dom Otwarty erfuhren wir, dass sich auch unter der neuen EU-freundlichen Regierung in Warschau am inhumanen Umgang mit Schutzsuchenden, gerade an der Grenze zu Belarus, nichts geändert hat. Weiterhin werden Menschen in Lagern eingesperrt und nicht immer erhalten sie dabei die Chance auf einen Asylantrag. Noch immer wird ein großer Teil der Schutzsuchenden, der über Belarus flieht, über illegale Pushbacks in die Diktatur Lukaschenkos gedrängt. Daher sind Dublin-Abschiebungen nach Polen das Gegenteil von einer Sicherheitsgarantie für Betroffene“, so Schmidtke weiter.

Russische Sicherheitskräfte fahnden nach der Familie

Narek Aramian hilft seinem Bruder vor dessen Verhandlung in Moskau. Foto: privat

Da russische Geheimdienste auch Angehörige politischer Feinde im Ausland aufsuchen, ist das Risiko für Narek Aramian umso größer. Sein Bruder Armen Aramian, der als politischer Flüchtling in Deutschland anerkannt wurde, ist Mitbegründer von „DOXA“, einer Online-Zeitung für Studierende aus Moskau, die kritisch über das Putin-Regime berichtete. Dadurch geriet auch Narek Aramian schnell ins Visier der russischen Behörden. Als ihn eine Vorladung beim Gericht erreichte, entschied sich die Familie zu fliehen. Doch auch heute, im eigentlich sicheren und demokratischen Deutschland verfolgt ihn weiter die Angst:

„Ich weiß nicht, was ich tun soll und wohin ich gehen soll. Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn Polen beschließt, mich nach Russland abzuschieben. Ich weiß nicht, was mit mir in Russland passieren wird. Mein älterer Bruder ist auf der Fahndungsliste, und die Organisation, in der er Redakteur ist, ist in Russland unerwünscht. Sie könnten mich einsperren, mich zwangsweise in den Krieg gegen die friedliche Bevölkerung der Ukraine schicken, mich foltern, um Informationen über meinen Bruder zu erhalten“, erklärt Aramian.

Wir fordern daher, dass auch Familien und Angehörige von russischen Dissident*innen in Deutschland eine Bleibeperspektive erhalten! Ihnen Abschiebungen anzudrohen ist nicht nur eine Katastrophe für die Betroffenen, sondern sendet auch für in Russland lebende Aktivist*innen das Signal: „Auch in Westeuropa seid ihr nicht sicher“ – was den Kreml nur erfreuen kann. Narek Aramian sagte am Ende seiner Rede bei der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial: „Wir alle wollen das Ende der russischen Diktatur, aber ohne Ihre Hilfe ist das unmöglich.“ – der Schutz von offensichtlich politisch Verfolgten sollte dabei das Mindestmaß an Unterstützung sein.

Kontakt:
Sächsischer Flüchtlingsrat
– Dave Schmidtke –
Tel.: 0176 427 286 23
Mail: schmidtke@sfrev.de

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