PM: Schule der Gleichgültigkeit – Unterricht in Erstaufnahmeeinrichtungen

Stellungnahme bestätigt: Curriculum in Erstaufnahme verstößt gegen Schulgesetz

In Sachsen gibt es „keine gesetzliche Grundlage für die Gestattung eines gesonderten Schulunterrichts für minderjährige Asylbewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen. Allein diese Tatsache macht die Maßnahme bereits rechtlich fragwürdig.“ Mit diesen Worten beginnt Anna Toth, Rechtsanwältin in der Kanzlei Wächtler und Kollegen ihre Stellungnahme zum derzeit in Chemnitz erprobten Curriculum für Minderjährige in Erstaufnahmeeinrichtungen. Systematisch analysiert Frau Toth die modellhaft erprobte wie geplante Schulsituation.

Derzeit werden in einer Chemnitzer Erstaufnahmeeinrichtung Kinder und Jugendliche direkt in dieser „beschult“. Die im Auftrag der GEW und des Sächsischen Flüchtlingsrates e.V. erstellte Stellungnahme der Münchner Kanzlei Wächtler und Kollegen kommt zu einem eindeutigen Schluss. „Keinesfalls“ erfülle das sich derzeit in der Testphase befindliche Curriculum das Niveau einer Regelschule. Geflüchteten Kindern und Jugendlichen Bildung in ähnlicher Weise wie ihren Altersgenoss*innen deutscher Staatsbürgerschaft zu ermöglichen – dazu ist auch der Freistaat Sachsen spätestens nach drei Monaten verpflichtet. In einer „Lagerschule“ zu unterrichten, verhindere, dass die Kinder und Jugendlichen ein Stück normalen Alltag kennenlernen, auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler*innen könne so nicht eingegangen werden.

Reform des Flüchtlingsaufnahmegesetzes wird Problematik verschärfen

„Wir erwarten von den Ministerin für Kultus und Inneres sowie von der Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, die richtigen Schlüsse aus der vorliegenden Stellungnahme zu ziehen. Das Recht auf Bildung ist ein hohes Gut. Es kann nicht mit einem eilig dahingeschriebenen Curriculum relativiert werden! Die Kinder und Jugendlichen müssen in richtige Schulen!“ fordert Dr. Gesa Busche vom SFR. „Wir können auch das Argument, dass es ja ’nur‘ wenige Kinder und Jugendliche betreffe, nicht mehr hören. Jedes einzelne Kind, dass nicht in die Schule geht, ist eines zuviel.“ Am 31. März 2018 waren es 58 Minderjährige, die ihr Recht auf Bildung nicht wahrnehmen konnten (vgl. Drs. 6/12937). Es ist zu erwarten, dass sich die Zahlen der Betroffenen erhöhen werden. Die derzeit geplante Reform des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes sieht vor, dass Menschen bis zu 24 Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen leben müssen. „Für uns ist es vollkommen unklar, woher die Koalition das Vertrauen in die sächsische Verwaltung nimmt, dass Minderjährige mit ihren Eltern von der Regelung ausgenommen werden.“ führt Dr. Busche weiter aus. Die derzeitige Praxis offenbare bereits eine erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal von geflüchteten Kindern und Jugendlichen und ihren Rechten.

Die beste Lösung ist eine Umverteilung aller Minderjährigen mit ihren Familien aus den Erstaufnahmeeinrichtungen/ „Ankerzentren“ nach spätestens drei Monaten.

Die drei Minister*innen haben gestern einen offenen Brief erhalten. Unterzeichnet haben ihn

Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.,
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Sachsen,
Ausländerrat Dresden e.V.,
Afropa e.V.,
Dachverband Sächsischer Migrantenorganisationen e.V.,
Paritätischer Landesverband Sachsen e.V.,
Petra Zais, Sprecherin für Migration und Asyl, Bildung und Sport, Arbeitsmarkt, Rechtsextremismus der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Sächsischen Landtag,
Juliane Nagel, Sprecherin für Flüchtlings- und Migrationspolitik, Sprecherin für Datenschutz der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag.

Die Stellungnahme der Kanzlei Wächtler und Kollegen hier. Sie wurde auf Anfrage des SFR e.V. und der GEW Sachsen angefragt und finanziert.

Das Curriculum liegt dem SFR vor und ist hier bereitgestellt.

Kontakt
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
-RESQUE continued / Beratung Arbeits- und Bildungszugang-
Dr. Gesa Busche
Dammweg 3
01097 Dresden
Tel.: 0351 / 79 665 157
Mobil: 0178 / 426 36 68
Mail: busche@sfrev.de

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