SFR Newsletter 03/2019 – Grundrechte werden im Jahr 2019 auch bei Abschiebungen getreten / Proteste gegen Familiennachzug

Abschiebung I. Uns liegen Informationen vor, dass am 11. Februar eine Sammelabschiebung nach Russland erfolgen wird, Abschiebeflughafen soll Dresden sein.

Support im Amt – die Behördenbuddies. Was geflüchtete Menschen von manchen Behördenbesuchen erzählen, klingt gruslig. Da wird schon mal die Bestätigung über den Botschaftsbesuch zerknüllt, es wird zu Pflichten aufgerufen, die es nicht gibt, oder von Anträgen abgeraten, weil „Sie werden eh bald abgeschoben.“

Das sind haarsträubende Aussagen, die oft nur mündlich geschehen und deswegen nicht überprüfbar sind. Aber, wer hat die besten Kenntnisse darüber, wie es in deutschen Ausländerbehörden, Sozialämtern und Jobcentern läuft? Geflüchtete selber. Nach Monaten wenn nicht Jahren im deutschen Asylsystem wissen sie, wo der Hase langläuft. Sie wissen, welche Rechte einzufordern sind, wenn Sachbearbeiter*innen sie nicht klar benennen. Sie wissen, welche Sanktionen vermeidbar sind und wie es gelingen kann, vom eigenen Anliegen zu überzeugen.

Deswegen starten wir das neue Projekt „Geflüchtete helfen Geflüchteten – Tandempartner Behördengänge“.

Im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ werden wir je ein Kennenlern-Treffen in Chemnitz und Dresden organisieren und mit euch noch einmal die Basics deutschen Behördenhandelns – wie es sein sollte und wie es sich häufig tatsächlich gestaltet – besprechen.

Zeit und Ort für ein Treffen in Dresden steht bereits fest. Chemnitz wird bald folgen.
In Dresden treffen wir uns am 18. März 2019 von 18 bis 21 Uhr. Dammweg 5.

Interesse mitzumachen? Meldet euch bei Angela Müller über asyl@sfrev.de an.

Abschiebung II. Auf Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, DIE LINKE, teilt das Sächsische Staatsministerium des Inneren mit, dass im Jahr 2018 2003 Menschen aus Sachsen abgeschoben wurden (1084 nach § 58 Abs. 1 AufenthG; 919 nach § 58 Abs. 3 AufenthG; Drs. 6/16220). Damit sank die Zahl im Vergleich zu 2017 leicht (insgesamt 2.267 Abschiebungen, 922 nach § 58 Abs. 1 AufenthG; 1.345 nach § 58 Abs. 3 AufenthG; Drs. 6/11638). Diese nach wie vor hohe Zahl ist aber kein Grund zur Entwarnung. Im Gegenteil. „Das, was 2018 mit alter Schärfe erneut begann, Abschiebungen mit gnadenloser Härte, das wird jetzt fortgesetzt.“ kommentierten wir in unserer PM vom Dienstag. Hintergrund war eine erneute, versuchte Trennung einer Familie aus Leipzig. Ab München sollten sie Richtung Italien geflogen werden, Vater und Sohn erfuhren dort, dass sie zu Frau und Mutter nach Leipzig zurückkehren konnten. Denn sie, schwanger, musste ins Krankenhaus transferiert werden, als die Polizei vor der Tür stand. Öffentlich werden solche Geschichten nur deshalb, weil es Menschen gibt, deren Verstand nach wie vor funktioniert und die aufmerksam sind. Kurz nach der gescheiterten Abschiebung nahmen Unterstützer*innen mit uns Kontakt auf. Das sind Leute, die erkennen, das Unrecht auch legal sein kann.

Abschiebehaft I. Währenddessen wurde Herr Al Bedam*, der Mensch, der im Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt in den Hungerstreik trat, abgeschoben. Der Familienvater, dessen Frau sein zweites Kind erwartete, war schwach, die Abschiebung riskant. Die Abschiebehaftkontaktgruppe hat den Fall noch einmal in einer PM dargelegt und rechtlich eingeordnet.  Toni Kreischen von der Abschiebehaftkontaktgruppe schließt mit den Worten: „Geschichten wie die von Herr Al Bedam und seiner Familie stehen heute symptomatisch für ein immer rücksichtsloseres Recht und Behörden, die mit allem Ehrgeiz bereit sind, es zu vollziehen. Ein Lichtstrahl war hier das Jugendamt Dresden. Es hat schnell reagiert und dafür gesorgt, dass ein Kind auch offiziell einen Vater haben wird.“

*Name geändert.

Abschiebung III. Am Mittwoch wurden erneut Menschen nach Tunesien abgeschoben, wieder ab Leipzig/ Halle. „Die Grenze ist das Problem“, eine Initiative aus Leipzig, rief zum Protest auf. Ein Sprecher brachte es auf den Punkt: die EU-Außengrenze hat das Problem erst verursacht. Migration zwischen Europa und Nordafrika lief vorher recht unproblematisch. Betroffen waren laut TAG 24 schlussendlich 17 Menschen, neun davon aus Sachsen

Abschiebung IVPRO ASYL hat seine Hinweise für Menschen afghanischer Staatsbürgerschaft und ihre Berater*innen aktualisiert. Die Abschiebungen nach Afghanistan setzen sich fort und fort. Beratung ist wichtig! Eine Duldung schützt nicht, genauso wenig wie ein Arbeitsverhältnis! Sachsen beteiligt sich ohne Einschränkung an den Abschiebungen, betroffen waren bisher junge Männer. Infos hier, lokale Asylberatungsstellen hier.

Abschiebehaft II. Einhundert Jahre Abschiebehaft – dieses schreckliche Jubiläum wird 2019 begangen. Um auf das Unrecht der Abschiebehaft aufmerksam zu machen, haben Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen die Kampagne „100 Jahre Abschiebehaft“ ins Leben gerufen, die mit bundesweiten Aktionen und Veranstaltungen über die Missstände aufklärt und die Abschaffung der Abschiebehaft fordert – denn: Haft ist die größte Einschränkung der individuellen Freiheit. Schwerpunkte der Kampagne bilden das Wochenende vom 10. bis 12. Mai 2019, an dem insbesondere vor jedem deutschen Abschiebegefängnis Aktionen durchgeführt werden sollen, sowie eine Großdemonstration in Büren und Paderborn am 31. August 2019. Zur Bündelung der Aktivitäten und des Protests steht eine Internetseite zur Verfügung, auf der Informationen, Ideen, Angebote und Materialien zur Verfügung stehen: www.100-Jahre-Abschiebehaft.de. Die PM der Kampagne hier.

Familiennachzug. „Es macht uns wütend, dass die Bundesregierung grundgesetzlich verbriefte Rechte von Flüchtlingen missachtet. Wir fordern ein uneingeschränktes Recht auf den Schutz der Familie, das Recht auf Asyl und ein Leben ohne Verfolgung im Familienverband. Wir fordern Bildung für alle, eine Arbeitserlaubnis, menschenwürdige Unterkünfte mit Privatsphäre und Bewegungsfreiheit.“ so Karim Alwasiti vom Flüchtlingsrat Niedersachsen im Zuge der Demos am vergangenen Wochenende für ein „Familienleben für Alle“. Die gleichnamige Initiative protestierte in Berlin, aber auch in Köln, Kiel, Mainz und Osnabrück fanden Aktionen statt. Auch der SFR steht hinter der Initiative. Hintergrund ist, dass nach wie vor viele Geflüchtete trotz subsidiären Schutzes nicht ihre Familie nachholen können. Die jetzige Regelung – 1.000 Personen pro Monat können einreisen – ist als einziger Gnadenakt zu bezeichnen. Die PM von PRO ASYL hier.

Polizeigesetz. Ihr wart auf der lauten und starken Demo gegen das neue Polizeigesetz in Sachsen am vergangenen Wochenende in Dresden? Dann jetzt noch die Petition dazu unterschreiben! Ihr wart nicht auf Demo? Trotzdem unterschreiben 🙂

Bildung für Alle. Und wo wir grad mal dabei sind – auch die Petition von GEW Sachsen und uns will noch unterschrieben werden! Denn das Recht auf Bildung kennt keine Ausnahme!

Termine

Das Netzwerk Asyl, Migration, Flucht – NAMF, organisiert am Sonntag dem 10. Februar einen Workshop mit dem Support Convoy Dresden. „(K)ein weiterer Vortrag über die „Balkanroute“ ist der Titel. Kritische Reflektion steht auf dem Programm. “ Wie gehen wir mit dem Erlebten um, was machen wir da eigentlich, was haben wir vielleicht auch falsch gemacht?“ sind einige der Fragen die sich gestellt werden. 10-17 Uhr im Malobeo in Dresden. Mehr Infos hier.

Am 15. Februar lädt der Sächsische Ausländerbeauftragte zu einem Vortrag von Professor Julian Nida-Rümelin in den Landtag. Nida-Rümelin beobachtet, dass Hemmschwellen sinken, Sprache zu einer Waffe wird. Er fragt, wo die Ethik in der Gesellschaft bleibt und ob ein Wandel durch Annäherung möglich ist. Mehr Infos hier.

MachWas! heißt es am 20. Februar in Chemnitz. Das Save Me Chemnitz Projekt und wir laden in die Henriettenstraße 5. Bei uns kannst du dich für die Rechte geflüchteter Menschen einsetzen, Aktionen & Veranstaltungen planen zu den Themen Flucht und Asyl, und geflüchtete Menschen praktisch im Alltag unterstützen! Los geht es 18 Uhr, mehr Infos beim Facebook-Event hier.

Informier dich & mach mit in unserer neuen Ehrenamtsgruppe „MachWas“!

Am 09. März veranstaltet das Kulturbüro Sachsen in Dresden einen Workshop zu „Handlungs- und Argumentationsstrategien gegen Rassismus.“ Anmeldung bis zum 28. Februar und mehr Infos über bildung@kulturbuero-sachsen.de.

 

Teile diesen Beitrag: