PM: Mutmaßliche Körperverletzung, eine Familientrennung – Dublin lässt Behörden eskalieren

Erneute Grundrechtseinschränkungen bei Abschiebung
Erneut wird eine Familie getrennt, diesmal im Landkreis Görlitz. Behörden könnten stoppen, doch setzen darauf, Artikel 6 Grundgesetz zu verletzen. Sie nehmen in Kauf, dass ein Vater auf lange Sicht nicht bei seiner neugeborenen Tochter wird leben können. In Leipzig erhebt ein Geflüchteter massive Vorwürfe gegen die Polizei.

Eine drei Monate alte Tochter soll, wenn es nach dem Willen deutscher Behörden geht, nicht gemeinsam mit ihrem Vater aufwachsen. Das ist die Quintessenz aus der Abschiebung eines Mannes nigerianischer Staatsbürgerschaft vom 27. August. Aus dem Landkreis Görlitz, wo er mit seiner Verlobten nigerianischer Staatsbürgerschaft und dem Kleinkind lebte, wurde er nach Italien abgeschoben. Dort soll nach der Dublin-III-Verordnung sein Asylverfahren durchgeführt werden. „Eine Familientrennung mit Ansage.“ findet Jörg Eichler vom SFR. Denn zuvor wurde die im April noch schwangere Mutter von ihrem Verlobten getrennt. In Italien wurde sie in einem Raum untergebracht, den sie mit 30 anderen Menschen teilte. Die hygienischen Zustände waren nicht akzeptabel, gleich gar nicht für eine Schwangere. Sie entschloss sich daher, nach Deutschland zu ihrem Verlobten zurückzukehren. Dort gebar sie ihre Tochter, wenig später entschied das Verwaltungsgericht Leipzig, dass ihre Abschiebung nach Italien ausgesetzt wird. „Es ist vollkommen offen, wie das Verwaltungsgericht über die eigentliche Klage entscheiden wird und Deutschland nicht für das Asylverfahren zuständig wird.“ erklärt Eichler. Die Behörden dagegen wollen Tatsachen schaffen. Mit der erneuten Trennung, diesmal durch Abschiebung des Mannes, wird die junge Familie unter Druck gesetzt, doch endlich nach Italien zu reisen. „So kann man gerichtliche Entscheidungen auch versuchen, außer Kraft zu setzen. Die Dublin-III-Verordnung sieht klar vor, dass Familien zusammenzuführen sind. Die Abschiebung des Mannes widerspricht eindeutig der Intention der Dublin-Regelungen.“

Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hatte den Grundsatz der Familieneinheit jüngst gestärkt. In einem anderen Fall beschloss es am 07. Mai 2019, dass Familientrennungen besonders bei kleinen Kindern mit Blick auf die rasche Gefahr des Bindungsverlustes unzulässig sind. Davon ließen sich die Behörden am 27. August jedoch nicht beeindrucken. Eichler versuchte sie davon zu überzeugen, die Abschiebung abzubrechen. Beschämend für die deutsche Bürokratie: BAMF und Ausländerbehörden verwiesen gegenseitig aufeinander, niemand fühlte sich zuständig, Artikel 6 Grundgesetz zu wahren.

Weiterer Fall aus Leipzig lässt Atem stocken

Der kreuzer berichtet dann gestern von einer versuchten Abschiebung von der Max-Liebermann-Straße. Der Mensch kamerunischer Staatsangehörigkeit sollte offenbar ebenso nach Italien abgeschoben werden. Am Abend des 26. Augusts, kurz vor Ablauf der Überstellungsfrist, holt ihn die Polizei ab, es kam zu Gegenprotest. „Wir sind froh, dass sich der Infobus aus Leipzig so schnell für eine Beratung organisieren ließ.“ meint Eichler. Momentan ist offen, ob die Überstellungsfrist abgelaufen ist, am Ende wird dies nur eine Einsicht in die Akte abschließend klären können. Die Vorwürfe, die der Betroffene erhebt, lauten auf Gewalt und Misshandlung durch die Polizei, entgegen seines Willens soll er betäubt und am nächsten Tag im St. Georg Krankenhaus wieder aufgewacht worden sein. Eichler kommentiert: „Es wäre nicht das erste Mal, dass Polizei im Zuge von Abschiebung zuschlägt. Die Verletzungen, die der Infobus beobachtet hat und die der kreuzer berichtet, sind nicht wegzuleugnen. Hier ist Aufklärung, ja Ermittlung, vonnöten! Solange darf der Betroffene nicht abgeschoben werden, sollte die Frist noch nicht abgelaufen sein.“

Kontakt
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
Jörg Eichler
Mobil: 01575 / 967 62 20
Mail: eichler@sfrev.de

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