Pressespiegel zur Asylpolitik vom 03. September 2019

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 03. September 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt.

  • Vergangenen Dienstag ging vor der libyschen Küste ein Boot mit Fliehenden unter. 65 Menschen seien von der sogenannten „libyschen Küstenwache“ aufgenommen worden, die Internationale Organisation für Migration geht von circa 40 Ertrunkenen aus.
    SZ (27.08.19)
    SPON (27.08.19)

 

  • Bei dem Versuch, von Nordfrankreich aus durch den Ärmelkanal nach Großbritannien zu schwimmen, ist ein Geflüchteter irakischer Staatsbürgerschaft ertrunken. Seine Leiche wurde an einen Offshore-Windpark nahe der belgischen Küste aufgefunden. Im Norden Griechenlands kamen sechs Menschen um, als der*die Schlepper*in den Wagen um einen Kontrollposten der Polizei steuern wollte. Das Fahrzeug kippte um, insgesamt waren 16 Fliehende darin.
    SPON (27.08.19)

 

  • Zwei Wochen lang war die Ocean Viking der Organisationen SOS Mediterranea und Ärzte ohne Grenzen auf dem Mittelmeer unterwegs, 356 Fliehende an Bord. Schlussendlich war Malta bereit, das Schiff anlegen zu lassen, nachdem Frankreich, Deutschland, Irland, Portugal und Rumänien zugesagt hatten, die Menschen aufzunehmen.
    SPON (23.08.19)

 

  • Knapp drei Wochen waren es bei der Open Arms von der spanischen NGO ProActiva Open Arms. Am Ende gingen 83 Fliehende in Lampedusa von Bord, das Schiff wurde direkt von der Regierung beschlagnahmt. Insgesamt hatte die Open Arms 161 Menschen gerettet, in den drei Wochen wurden immer wieder Menschen bereits vom Boot genommen, unter anderem auf Grund ihres Gesundheitszustands. Zwischenzeitlich waren 14 Personen ins Wasser gesprungen und hatten versucht, Lampedusa schwimmend zu erreichen. Die italienische Küstenwache zog sie aus dem Wasser und transportierte sie auf die Insel.
    tagesschau (21.08.19)

 

  • Eine Woche lang waren mehr als 100 Fliehende, darunter 30 Minderjährige an Bord der Eleonore der NGO Mission Lifeline, bis sie in Sizilien anlegen durften. Das Schiff wurde direkt beschlagnahmt, da Kapitän Claus-Peter Reisch in die italienischen Hoheitsgewässer gefahren war, nachdem er bei einem heftigen Gewitter den Notstand an Bord ausgerufen hatte.
    tagesschau (02.09.19)

 

  • Etwa eine Woche war die Mare Jonio der NGO Mediterranea Saving Humans mit zuletzt 31 Menschen an Bord unterwegs, bis sie in Lampedusa anlegen durfte. Gerettet hatte die Besatzung knapp 100 Menschen. Das Schiff wurde von der italienischen Regierung beschlagnahmt. Angeblich habe die Crew gegen das neue Dekret vom ehemaligen Innenminister Matteo Salvini verstoßen, wonach Organisationen, deren nichtstaatliche Rettungsschiffe mit Fliehenden an Bord ohne Genehmigung in italienische Hoheitsgewässer einfahren, mit Bußgeldern von bis zu einer Million Euro belegt werden können. Eine Sprecherin von Mediterranea Saving Humans nennt die Beschlagnahmung „surreal“, eine Genehmigung habe vorgelegen, da die Fliehenden an die italienische Küstenwache übergeben worden seien bevor das Schiff in die Hoheitsgewässer eingelaufen sei.
    tagesschau (03.09.19)

 

  • Bundeskanzlerin Angela Merkel fällt ein, dass eine staatliche Rettungsorganisationen im Mittelmeer „sicherlich gut“ wäre. Am 19. September wollen sich „aufnahmewillige EU-Staaten“ auf Malta treffen.
    DW (15.08.19)
    Zeit (28.08.19)

 

  • Die von der türkischen Regierung gesetzte Frist für Geflüchtete syrischer Staatsbürgerschaft, in die Regionen zu ziehen, in denen sie registrier wurden, ist am 20. August abgelaufen. Die meisten halten sich in Istanbul auf, viele packen ihre Sachen, so wie die im tagesspiegel porträtierte Rana und ihre Familie. Sie fürchten die Abschiebung nach Syrien, die Menschenrechtsorganisationen der Türkei vorwerfen, von denen aber auch in der syrischen Community in der Türkei die Rede ist. Zielort der Abschiebungen, die die türkische Regierung abstreitet, sei das umkämpfte Idlib, in der insbesondere junge Männer gefährdet sind, von der al-Nusra-Front inhaftiert zu werden, wenn sie ursprünglich aus einer anderen syrischen Region kommen. In der tagesschau kommt Bashir zu Wort, der genau das berichtet – nach Syrien abgeschoben zu sein.
    tagesspiegel (20.08.19)
    tagesschau (25.08.19)

 

  • Zuletzt erreichten im Schnitt 100 fliehende Menschen pro Tag die griechischen Inseln in der Ostägäis. Im Lager Moria auf der Insel Lesvos leben derzeit 11.000 Menschen, das Lager war ursprünglich nur für ein Viertel dieser Zahl ausgelegt. Die griechische Regierung begann am Wochenende, etwas mehr als 1.300 Menschen von Lesvos nach Thessaloniki auf dem Festland zu transferieren, darunter vor allem unbegleitete Minderjährige und weitere besonders Schutzbedürftige. Der erneute Anstieg der Zahlen Neuankommender auf den griechischen Inseln führt die DW auf die Kämpfe im syrischen Idlib sowie das restriktive Vorgehen der türkischen Regierung gegen Geflüchtete syrischer Staatsbürgerschaft zurück.
    DW (02.09.19)

Bund, Land, Kommune

  • Sachsen und Brandenburg haben gewählt, das dürfte allen bekannt sein. PRO ASYL und SFR haben gestern einen Kommentar veröffentlicht. Eine Woche zuvor demonstrierten um die 40.000 Menschen bei #unteilbar für eine solidarische Gesellschaft. Diesen Moment gelte es über die kommenden, fünf Jahre zu tragen, so PRO ASYL und SFR.

 

  • Letztes Wochenende versammelten sich über 1000 Menschen vor dem größten Abschiebeknast der Republik – Büren in NRW – um anschließend in Paderborn für ein Ende nach „100 Jahren Abschiebehaft“ zu demonstrieren. Frank Gockel, der in Büren berät, betont gegenüber der taz, dass sich durch das zweifelhafte Jubiläum vergegenwärtigt werden könne, dass Menschen ohne Straftat in Haft genommen werden – unter Bedingungen, die in der Strafhaft nie denkbar seien. Mit dem Hau-Ab-Gesetz (euphemistisch „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“) ist eine deutliche Zunahme der Inhaftierten zu befürchten. Dies liegt unter anderem an der Möglichkeit für die Länder, nun doch wieder Abschiebe- und Strafhaft gemeinsam vollziehen zu können. Dass das vom EU-Recht vorgesehene Trennungsgebot auch in Deutschland durchgesetzt wird, hatte der Rechtsanwalt Peter Fahlbusch 2014 erstritten. Dieses Wochenende wurde er von PRO ASYL mit dem Menschenrechtspreis geehrt.
    taz (01.09.19)

 

  • 21 Menschen wurden vergangene Woche vom Flughafen Leipzig/ Halle nach Tunesien abgeschoben, elf kamen aus Sachsen. Bei einer weiteren Sammelabschiebung ab Frankfurt am Main traf es 31 Personen, davon drei aus Sachsen. Sie kamen laut Angaben der Landesdirektion aus Dresden, Leipzig und dem Vogtland.
    MDR (28.08.19)
    Kurzinfo SFR (28.08.19)

 

  • Eine weitere Abschiebung aus Leipzig, Zielland diesmal Italien, wurde nicht vollzogen. Stattdessen wachte Etong Collings am nächsten Tag in einem Leipziger Krankenhaus auf. Er wirft der Polizei vor, ihn misshandelt zu haben, zudem sei er betäubt worden. Nachdem er auf dem Polizeirevier darum gebeten habe, dass er nicht komplett gefesselt wird, hätte man ihm auf den Boden fixiert und gegen Hände und Kopf getreten. Die Polizei wiederum spricht von einem Anfall, denn Collings erlitten habe, das jedoch geht aus dem Arztbericht nicht hervor. Zuvor protestierten bis zu 100 Menschen bereits vor der Erstaufnahmeeinrichtung Max-Liebermann-Straße gegen die Abschiebung.
    kreuzer (28.08.19)
    Vice (29.08.19)
    PM des SFR (29.08.19)

Hintergrund und Meinung

  • „Seehofer hat einen anderen Rechtsstaat vor Augen.“ meint Rechtsanwalt Peter Fahlbusch im Interview mit der Frankfurter Rundschau. Fahlbusch bezieht sich dabei auf die etwa 50 Prozent rechtswidrig inhaftierten Mandant*innen, die er seit 2001 in Abschiebehaftsachen vertreten hat. Auf die Frage hin, wie sehr ihn die Schicksale menschlich berühren, antwortet er: „Ich hatte einen Mandanten, der sich am Kabel des Toasters aufgehängt hat. Ich war gerade auf dem Weg zurück ins Büro und hatte die Beschwerde noch nicht eingelegt. Alle waren betroffen, aber es wurde gesagt: Jetzt ist er ja tot, da hat er keine Rechte mehr. Wir haben das Verfahren trotzdem geführt für seine Ehefrau, bis zum Bundesgerichtshof. Der hat eine fulminante Entscheidung gesprochen. Er hat aus der Verfassung herausgelesen: Überlebende Angehörige dürfen für den Toten klären lassen, ob die Haft rechtswidrig war. Auf fünf Zeilen hat er auch noch ausgeführt: Die Inhaftierung war rechtswidrig.“
    FR (31.08.19)

 

  • Ein Anwalt für Asyl- und Aufenthaltsrecht aus Österreich wirft hin und gibt seine Kanzlei auf: “ Er schließt sie, und das ist das Traurige und Elende an seinem Fall, weil seine Verbundenheit mit dem Rechtssystem ins Wanken geraten, weil ihm der Glaube an den Rechtsstaat abhandengekommen sei: ‚Zu viele meiner Mandantinnen und Mandanten wurden in Elend, Lebensgefahr und Not abgeschoben.‘ Als Rechtsanwalt sei er Teil dieses Rechtssystems: ‚Das möchte ich nicht mehr sein.'“ Diesen Fall und seine Implikationen interpretiert Heribert Prantl wie immer treffsicher in der SZ.
    SZ
    (18.08.19)

 

  • Während das Highfield-Festival bei Leipzig lief, wand die Polizei Sachsen rassistische Methoden an. Sie verteilte Schreiben an Hotel- und Hostelbesitzer*innen mit der Bitte, der Polizei zu melden, wenn rumänische Staatsbürger*innen bei ihnen für die Zeit des Festivals ein Zimmer beziehen. Zutiefst rassistisch – warum? Erklärt Ajriz Bekirovski von Amaro Drom, Bundesjugendverband der Sint*ezze und Rom*nja bei bento.
    bento
    (23.08.19)

 

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