PM: Schallplatte namens „Abschiebedefizit“ springt – Wöller wiederholt falsche Aussagen

Interview des Innenministers mit Sächsischer Zeitung ignoriert selbst das Aufenthaltsrecht
In einem Interview heute mit der Sächsischen Zeitung hat sich der Innenminister selber blamiert. Mit diesen falschen Angaben disqualifiziert er sich erneut. Erschreckend: Wöller kennt offenbar grundlegende Regelungen des Aufenthaltsrechts nicht.

Falsch, schlicht falsch sind die Angaben, die Wöller gegenüber der Sächsischen Zeitung unter anderem über Ausreisepflichtige und den Pull-Effekt gemacht hat. Im Einzelnen:

  • Zum wiederholten Male muss sich ein sächsischer Innenminister vorwerfen lassen, bewusst die 12.000 ausreisepflichtigen Menschen anzuführen um seine harte Abschiebepolitik zu rechtfertigen. Das nur ist falsch. Von den 12.914 Menschen, die am 30. Juni 2019 ausreisepflichtig waren, waren 9.808 geduldet (vgl. Drs. 6/18262). Darunter fallen auch die, die eine Ausbildungsduldung haben. Ein Instrument, welches Wöller auch im Interview anführt, nur nutzt er den anderen Namen „3+2-Regelung“, also der, der ohne Duldung auskommt.
  • Es gibt keinen Pulleffekt. Der in Dresden tätige Politikwissenschaftler Oliviero Angeli hatte zuletzt Ende August bei Spiegel Online von dem Märchen namens „Sogwirkung“ geschrieben. Wöller sollte dringend die paar Kilometer zur Technischen Universität auf sich nehmen und Angeli einen Besuch abstatten. Der würde ihm erzählen, was Wissenschaft längst weiß – einen Zusammenhang zwischen Rettungsschiffen und Fliehenden gibt es nicht. „Was es braucht ist eine Rettungsmission, mindestens vom Ausmaß Mare Nostrums.“ fordert Mark Gärtner vom SFR. Bei dieser Operation retteten italienische Schiffe der Marine und Küstenwache die fliehenden Menschen aus dem Mittelmeer. Sie wurde im Oktober 2014 eingestellt, da die anderen EU-Mitgliedsstaaten Italien die Unterstützung verweigerten.
  • In Sachsen wie der gesamten Bundesrepublik wird plötzlich und ohne Ankündigung abgeschoben. Wöller behauptet das Gegenteil und hat, als Innenminister, sogar das Aufenthaltsrecht vergessen. Geflissentlich übergeht er Täuschungen, die Ausländerbehörden vornehmen. Ein Beispiel hier ist Familie J. aus der Sächsischen Schweiz, die entgegen der Zusicherung der Landesdirektion Sachsen im Juli diesen Jahres getrennt wurde.
  • Die Sächsische Zeitung selber hat immer wieder davon berichtet, wie Unternehmer*innen die Abschiebung ihrer Mitarbeiter*innen beklagt haben. Wöller verhöhnt die Unternehmen, die Zeit und Kapital investiert haben, um im Bürokratieschungel der Ausländerbehörden Mitarbeiter*innen anzustellen, die dann doch wieder abgeschoben wurden. Teils direkt vom Arbeitsplatz. Ein Beispiel ist Dhruv Patel aus Leipzig aber auch zahlreiche Menschen afghanischer Staatsbürgerschaft. Herr E. aus Dresden wurde gar hinterhältig auf dem Weg zur Arbeit aufgegriffen. „Ausländerbehörden freuen sich offenbar, wenn Menschen eine Anstellung haben. Denn dann wissen sie, wo sie die Polizei zwischen 9 und 17 Uhr hinschicken müssen, um abzuschieben.“ kommentiert Gärtner.
  • Das, was Integration genannt wird, sei kein Kriterium bei Ausreisepflichtigen. Auch hier hat Wöller wieder ganze Seiten des Aufenthaltsrechts überblättert. Aufenthaltserlaubnisse wegen nachhaltiger Integration oder die Härtefallkommission gibt es durchaus, dem Innenminister fallen sie nur ab und an taktisch nicht mehr ein.
  • Ein „sicheres Syrien“ auch nur zu implizieren ist angesichts der aktuellen Schlagzeilen nicht nur dreist. Es ist regelrecht unanständig. Dabei ohne Zahlen und Belege über „Urlauber*innen“ zu sprechen, die die Länder, aus denen sie geflohen sind, besuchen würden, ist regelrecht unseriös.

Gärtner fordert SPD und Bündnis 90/ Die Grünen auf, das Interview in der Sächsischen Zeitung gegen den Innenminister zu verwenden um alle humanitären Möglichkeiten des Aufenthaltsrechts zu nutzen. „Der Koalitionsvertrag muss ein klares Signal sein, dass Sachsen für eine neue Asylpolitik steht, in der Menschen würdig untergebracht sind und der Weg zu Arbeit und Bildung politisch gewollt ist und von allen Mitgliedern der Landesregierung unterstützt wird.“

Kontakt

Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
-Projekt Fremde.Orte / Politik, Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit-
Mark Gärtner
Tel.: 0351 / 33 23 55 94
Mobil: 0176 / 427 286 23
Mail: pr@sfrev.de

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