PM: Abschiebungen und Menschenrechte? Möglichkeiten einer neuen Landesregierung

Abschiebungen, Abschiebehaft, Abschiebeobachtung – Koalition in neuralgischem Feld
Wer in den letzten Jahren ein Augenmerk für die Rechte derer hatte, die von Abschiebung bedroht sind, hat festgestellt, dass es nicht gut steht um ihre rechtsstaatliche Garantien. In der letzten Legislatur wurde das Abschiebungshaftvollzugsgesetz beschlossen und zahlreiche Grundrechtseingriffe bei Abschiebungen dokumentiert und veröffentlicht. Der SFR setzt mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen auf umfassende Veränderungen.

Es ist bisher eine rein ehrenamtliche Gruppe, die für einen rechtsstaatlichen Grundsatz in der sächsischen Abschiebehaftanstalt sorgt: dass jeder Mensch sich gegen seine Freiheitsentziehung wehren kann. Kein Mensch soll in der Bundesrepublik in einem geschlossenen System verschwinden, ohne die Möglichkeit zu haben, sich mit den Mitteln des Rechts wehren zu können. Die Mitglieder der Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden beraten seit Beginn des Vollzugs von Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam im Dezember 2018. „Was anfangs als ergänzendes Beratungsangebot gedacht war, begreift die Landesdirektion heute offenbar als die einzige Rechtsberatung, die die Inhaftierten in Anspruch nehmen können.“ Denn, so Mark Gärtner vom SFR, die Anstaltsleitung müsse auf Wunsch der Inhaftierten eine kostenlose Rechtsberatung vermitteln. So schreibt es das Sächsische Abschiebungshaftvollzugsgesetz vor. Gärtner weiter: „Die Kapazitäten einer ehrenamtlichen Gruppe entsprechen nur nicht dem schon heute existierenden Beratungsaufwand – bei derzeit minimaler Auslastung der Haftanstalt.“ Ziele der laufenden Koalitionsverhandlungen müssen aus Sicht des Flüchtlingsrats die Folgenden sein:

  • Unabhängige, nichtstaatliche, öffentlich finanzierte Prozessbevollmächtigte müssen den Inhaftierten an die Seite gestellt werden. Denn, Pflichtverteidiger*innen wie im Strafrecht gibt es in Abschiebehaftsachen nicht. Dies mit Anwält*innenvereinen zu klären, muss dringlichste Aufgabe der Landesdirektion werden.
  • Zudem müsse eine neue Regierung die Landesdirektion verpflichten, das lang ersehnte Sprechzeitenmodell für die Abschiebehaftkontaktgruppe zu ermöglichen. Denn bisher ist die Kontaktaufnahme nur im konkret bekannten Einzelfall möglich. „Bedeutet, nicht alle Inhaftierten, die gegebenenfalls Beratung wünschen, erhalten sie auch.“ meint Gärtner.
  • Dass Bündnis 90/ Die Grünen sich in ihrem Wahlprogramm dafür einsetzen, mildere Mittel als die Haft gesetzlich zu verankern, wäre ein Schritt in die Richtung des langfristigen Ziels, dass sich SFR wie Abschiebehaftkontaktgruppe gesetzt haben: Beraten, bis die Abschiebehaft Geschichte ist.

Abschiebungen auf den Prüfstand!

„Stoppt die Abschiebungen!“ schallt es immer wieder auf den Demonstrationen, zu denen auch der SFR aufruft oder sie gar organisiert. Und tatsächlich, zumindest die Forderung eines Winterabschiebestopps vertreten Bündnis 90/ Die Grünen sowie das Ende aller Abschiebungen in Krisen- und Kriegsgebiete wie von Familientrennungen. „Wenn es derlei Forderungen bis in den Koalitionsvertrag schaffen, dann ist viel für eine neue Asylpolitik in Sachsen gewonnen.“ findet Gärtner. Nicht zuletzt wird eine, ebenso unabhängige, nichtstaatliche, öffentlich finanzierte, Abschiebebebeobachtungsstelle an den sächsischen Flughäfen für Transparenz in einem grundrechtlich hochsensiblen Bereich sorgen. „Es gilt dabei, den Blick über Abschiebungen nach Afghanistan hinaus zu weiten“, fordert Gärtner. Abschiebungen nach Georgien haben in den vergangenen Monaten die Vielzahl an Grundrechtseingriffen wie durch ein Brennglas offenbart. Durch Presseberichterstattung wurde aufgedeckt, dass bei mindestens einer Abschiebung nach Tunesien die Körperöffnungen der Abzuschiebenden kontrolliert wurden. Familientrennungen, Abschiebungen von schwer Erkrankten, Menschen mit Behinderungen, Abschiebungen aus Krankenhäusern, Schwangere, gefesselte Minderjährige, zuletzt wurde eine Achtjährige aus dem Landeszentrum für die Betreuung von Blinden und Sehbehinderten in Chemnitz geholt – die sächsische Abschiebepraxis als solche muss auf den Prüfstand. Allein eine Landesregierung kann dies im transparenten Prozess gegenüber Landtag, Medien und breiter Öffentlichkeit leisten.

Kontakt
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
-Projekt Fremde.Orte / Politik, Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit-
Mark Gärtner
Tel.: 0351 / 33 23 55 94
Mobil: 0176 / 427 286 23
Mail: pr@sfrev.de

Teile diesen Beitrag: