Pressespiegel zur Asylpolitik vom 25. März 2020

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 25. März 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt.

  • In Griechenland spitzte sich seit dem letzten Pressespiegel vom 10. März die Lage noch weiter zu. Am Montag vergangener Woche brannte es im Lager Moria auf der Insel Lesvos. Nach Angaben von MdEP Erik Marquardt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN starben dabei mindestens zwei Kinder. Hinzu kommt nun noch der Ausbruch der Corona-Pandemie. Es bleibt bei dem griechischen Plan, Menschen ohne Asylverfahren wieder in die Türkei abzuschieben. Als „Dammbruch“ bezeichnet das PRO ASYL. Wer bei der Identitätsfestellung nicht mitwirkt, wird bis zu sechs Monate inhaftiert, der Zeitraum kann um weitere sechs Monate verlängert werden. PRO ASYL kritisiert das „skandalöse Schweigen der EU-Innenminister*innen zum Rechtsbruch in Griechenland.“ Nach Information des Alarmphones hat auch Malta begonnen, Menschen abzuweisen. Ein Boot mit 49 Fliehenden an Bord hatte schon maltesische Gewässer erreicht, sei jedoch Richtung Libyen zurückgedrängt worden.
    Migazin (16.03.20)
    SZ (16.03.20)

 

  • Die Bundesrepublik hatte unterdessen zugesagt, 400 Menschen aus Griechenlands Hotspots aufzunehmen. Dementsprechend würden 20 Personen in Sachsen unterkommen können. Als „zynisch“ kommentiert der SFR das in MDR aktuell. Kritik hagelte es von vielerlei Seiten an dieser Minimaleinigung – seien es Menschenrechtsorganisationen, progressive Politiker*innen, Wohlfahrtsverbände oder Kirchen.
    MDR Sachsen (10.03.20)
    MDR aktuell (17.03.20)

 

 

  • Zwei Meldungen, die ohne Pandemie zu massiven Protesten geführt hätten und deren Rezeption bzw. Nicht-Rezeption zeigt, wie „normal“ eine Krise gewisse Maßnahmen erscheinen lässt: Deutschland nimmt über humanitäre Aufnahmeprogramme keine Menschen mehr auf. Darunter fallen beispielsweise Vereinbarungen mit dem UNHCR, direkt aus Lagern in Syrien oder Sudan Menschen aufzunehmen. Pro Jahr will die Bundesrepublik so eigentlich 5.000 Menschen aufnehmen. Zudem machte Deutschland die Grenzen dicht.
    Taggesspiegel (18.03.20)
    Tagesschau (18.03.20)

Bund, Land, Kommune

  • Corona und Lager
    Im thüringischen Suhl geschah vorvergangenes Wochenende, was zivilgesellschaftliche Akteur*innen bundesweit schon befürchtet hatten: die Komplettquarantäne eines ganzen Lagers. Es dauerte nicht lang, und die Menschen hielten es nicht mehr aus, einige versuchten, der Quarantäne zu entkommen. Die dann entstandenen Bilder könnten aus einem dystopischen Film stammen. Polizei in Schutzanzügen, Wasserwerfer und Räumpanzer, die die Quarantäne von etwa 500 Menschen mit aller Macht durchsetzen wollen. Hinzu kommt: der Suhler Polizeichef Wolfgang Nicolai verbreitete Falschmeldungen, die hier nicht wiederholt werden müssen, die aber die perfekte Steilvorlage für rechte Hetze bildeten. Dass die Meldungen falsch waren, recherchierte die Zeit. Für Sachsen und das gesamte Bundesgebiet forderte der SFR mit vielen weiteren bundes- und landesweit aktiven Organisationen, eine solche Komplettquarantäne zu vermeiden. Die Forderung hier: die etwa 7.000 Menschen, die in sächsischen Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften leben, auf Hotels zu verteilen. Leer stehen sie ja und eine Stütze für die Tourismusbranche wäre es neben dem humanitären und epidemiologischen Gewinn auch noch. In der Leipziger Aufnahmeeinrichtung auf der Max-Liebermann-Straße geschah das nicht, als zwei neu ankommende Menschen positiv auf Quarantäne getestet wurden, aber auch eine Komplettquarantäne blieb aus. Der Isolationsbereich ist nach einer Meldung der Landesdirektion Sachsen unter Quarantäne, der Rest der Einrichtung nicht. Dies ist auf Grund der baulichen Gegebenheiten in mehrere Blöcke dort auch möglich. Unklar ist nach wie vor, welches Vorgehen in Lagern geplant ist, die aus nur einem Gebäude bestehen. Bei MDR aktuell gibt die CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag einfach mal an, dass hier auch Komplettquarantäne verhängt wird. Ob die Landesdirektion und das Innenministerium so planen, ist unklar.
    MDR Thüringen (14.03.20)
    Zeit (23.03.20)
    MDR aktuell Audio und Text (20.03.20)

 

  • Corona und Abschiebungen
    Immer noch gibt es keinen offiziellen Abschiebestopp. Wie der SFR aber heute verifiziert melden konnte, wird das Sächsische Staatsministerium des Inneren zumindest aus Sachsen keine Abschiebungen mehr vollziehen. Zuvor hatte die Deutsche Welle sehr nachdrücklich beim Bundesinnenministerium nachgefragt. Die Tendenz sei klar, schreibt das Medium schon am 18. März mit Blick auf die Antwort des Ministeriums: es wird “ aller Voraussicht nach wegen der Corona-Pandemie vorerst überhaupt keine Abschiebungen mehr aus Deutschland geben – auch, wenn noch niemand offiziell von einem Abschiebestopp spricht.“
    DW (18.03.20)
    SFR (25.03.20)

 

  • Corona und Abschiebeknast
    Drei Personen sind es noch, die in der Abschiebehaft Dresden sitzen. Die Abschiebehaftkontaktgruppe bemüht sich, sie freizulassen. Das Innenministerium gibt gegenüber der taz am 21. März noch an, dass es prüfe, wie es die Abschiebungen realisieren könne. Da hatte der SFR noch nicht herausgefunden, dass das Innenministerium keine Abschiebungen mehr vollzieht. Auch Hessen, Baden-Württemberg und Berlin klammern sich daran, ihre Haftanstalten weiterzubetreiben. Niedersachsen hatte dagegen schon letzte Woche die letzten sechs in Hannover Inhaftierten freigelassen, meldete der Niedersächsische Flüchtlingsrat e.V. In Dresden konnte letzte Woche Mittwoch nach vierstündiger Verhandlung am Amtsgericht Dresden ein Mitglied der Abschiebehaftkontaktgruppe die Freilassung von Youssef F. erwirken. Damit konnte auch die zweite Person marokkanischer Staatsbürgerschaft direkt gehen. Auch DIE LINKE in Sachsen forderte, die Abschiebehaft zu schließen. Mit Blick auf die Lager, Thema siehe oben, wünscht sich MdL Jule Nagel ein „kluges, präventives Handeln“ angesichts der massiv hohen Ansteckungsgefahr in den Sammelunterkünften. Häusliche Quarantäne sei dort zudem unmöglich.
    taz (21.03.20)
    Sächsische Zeitung (19.03.20)
    Noch während Youssef F. inhaftiert war, berichtete ADDN schon über seinen Fall (10.03.20)

 

  • Corona und Asylverfahren
    Das BAMF nimmt Asylanträge nur noch schriftlich entgegen. Personen, die einen Antrag stellen wollen, müssen sich zudem erst in einer Erstaufnahmeeinrichtung melden. Zudem ist den Landesflüchtlingsräten aus verlässlicher Quelle bekannt, das zumindest für diese Kalenderwoche die Zustellung (teil)-ablehnender Bescheide ausgesetzt ist.
    tagesschau (20.03.20)

 

  • Die ADDN mit einem ausführlichen Artikel zu Asylpolitik und Corona, der Bezug auf die Pressemitteilungen der vergangenen Tage von SFR und Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden nimmt und auch die Menschen in Griechenland mit einbezieht. Leseempfehlung, da hier alle Aspekte aufgegriffen werden.
    ADDN (20.03.20)

 

  • Ganz unabhängig von Corona: das Landgericht Mosbach in Baden-Württemberg hat entschieden, dass der Vollzug des Ausreisegewahrsams in einer Abschiebehaftanstalt nicht zulässig ist. Konkret hier ging es um die Abschiebehaftanstalt in Pforzheim. Beim Ausreisegewahrsam regelt das Aufenthaltsgesetz, dass er im Transitbereich eines Flughafens oder dessen Nähe vollzogen werden muss. Damit soll sichergestellt werden, dass Eingesperrte immerhin einen Weg in die Freiheit haben – den der „freiwilligen Ausreise.“ Eine zynische Regelung, fraglos. Die Entscheidung aus Mosbach hat aber auch Auswirkungen auf Dresden. Da wird das genauso gehandhabt – Ausreisegewahrsam in der Abschiebehaftanstalt. Die Abschiebehaftkontaktgruppe hat den Beschluss registriert und wird damit arbeiten.
    Radio Dreyeckland (23.03.20)

 

  • Die Landesdirektion Sachsen teilte vergangene Woche mit, dass die Aufnahmeeinrichtung auf der Bremer Straße in Dresden zu Ende des Jahres geschlossen wird. Die Einrichtung besteht aus „Leichtbauhallen“ oder auch Dauerzelten. Ab 2021 sollen geflüchtete Menschen in Containern auf der Stauffenbergallee beziehen. Die heute als Gerichtsgebäude genutzte Anlage, die momentan vom Justizministerium verwaltet wird, soll so bald wie möglich anstelle des Containerdorfs genutzt werden. Kommentar von Mark Gärtner vom SFR in der Sächsischen Zeitung dazu: „Es war schon lange notwendig, dass die Leichtbauhallen auf der Bremer Straße aufgelöst werden. Allerdings ist die Alternative, die Menschen nun in Containern unterzubringen, auch nicht viel besser. Es bleibt dabei: menschenwürdiges Unterbringung ist nur in Wohnungen möglich. Nun zeigt sich auch: es ist epidemiologisch sogar ausgesprochen notwendig“
    Sächsische Zeitung (18.03.20)

 

  • Kurz bevor Corona mit harter Hand auch die deutsche Gesellschaft lahmlegte, wurde nochmal nach Afghanistan abgeschoben. Für Sachsen war es – wird allein die Zahl der Menschen betrachtet – der schlimmste Abschiebeflug ab Leipzig/ Halle Richtung Kabul. Zwölf Menschen waren betroffen. Unter anderem das Gerhart-Hauptmann-Theater in Zittau verlor einen Schauspieler. In einem Protestschreiben des Theaters heißt es: „Wir, als Kulturschaffende des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau sind über die Massenabschiebungen Schutzsuchender erschüttert und werden nicht stillschweigend zusehen, wie die Grundrechte der Demokratie missachtet werden. Wir fordern eine tragfähige Wende in der Asylpolitik und keine Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete.“ Die taz berichtet zu weiteren vom SFR veröffentlichten Fällen. MdL Jule Nagel fragt sich, Zitat in der LIZ, wann die Regierung gedenke, den Koalitionsvertrag umzusetzen.
    Welt (11.03.20)
    Freie Presse (11.03.20)
    LIZ (17.03.20)
    taz (18.03.20)

 

  • Die Härtefallkommission hatte positiv über Medea Z. entschieden, der SFR hatte den Fall eingereicht. Doch Innenminister Wöller, Sächsisches Staatsministerium des Innern, lehnte das Ersuchen der Kommission ab. Die 2/3-Mehrheit in der Härtefallkommission wurde deshalb angelegt, damit Entscheidung des Innenministers über das Ersuchen der Kommission nur ein formaler Akt ist. Deshalb wurde auf einfache Mehrheit verzichtet. Der SFR zeigte sich konsterniert.
    FP (10.03.20)

 

  • Neben unseren mehrsprachigen Hinweisen haben die ADDN Hinweise zu Corona wie zu Hotlines für Frauen*, Kinder und Jugendliche, die von häuslicher Gewalt betroffen sein können oder für Wohnungslose gesammelt.
    ADDN (24.03.20)

Hintergrund und Meinung

  • Den besten Kommentar, der seit Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland geschrieben wurde, stammt von Heribert Prantl von der SZ. Es sei ein globales Experiment: „Wie eine Gesellschaft funktioniert, wenn sie nicht mehr funktioniert.“ Das öffentliche Leben kommt zum Stillstand und alle finden den „virologisch-politisch-publizistischen Rigorismus gut“, ja, er ist  -notwendig-. Doch wenn Grundrechte und – freiheiten einfach stillgelegt werden, dann brauche es in einer Pandemie wachsame Demokrat*innen genauso wie gute Virolog*innen. Super Kommentar, lesen!
    SZ (15.03.20)

 

  • Horst Seehofer, Bundesinnenminister, habe mit der Zusage, einige wenige Menschen aus Griechenland aufzunehmen, bisher keine Zweifel ausräumen können, ob das tatsächlich auch geschieht. Da Seehofer derzeit auf das „Heft des Handelns“, was bei der EU-Kommission liege, verweist, sei das Angebot bis „zum Beweis des Gegenteils wertlos“, kommentiert Matthias Meißner im Tagesspiegel.
    Tagesspiegel
    (24.03.20)

 

  • Eine Gruppe der Undogmatischen Radikalen Antifa Dresden ist derzeit auf Lesvos. Den ADDN haben sie ein Interview über die dortige Lage gegeben und kommen zu dem Schluss: „Es führt kein Weg an einer Evakuierung vorbei.“ Dafür müsse die „westliche Linke“, wie sie hier genannt wird, breite Bevölkerungsteile anzusprechen und so Druck aufzubauen. Bündnisse wie Seebrücke oder #unteilbar bildeten schon heute vielversprechende Formen. Zum Lager Moria auf Lesvos sei noch dieser eindrückliche Satz zitiert: „Die Idee der Lager an sich ist menschenverachtend und immer mit der Politik der Aussortierung und Abschottung verknüpft.“ Word!
    ADDN (17.03.20)

 

  • TalXX heißt das Interviewformat des Leipziger Linxxnet und die erste Ausgabe ging gestern online. MdL Jule Nagel interviewt Mark Gärtner vom SFR. Das wacklige Asylsystem, das Corona nun offenbart hat, ist Thema.
    Abrufbar auf YouTube
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