Pressespiegel zur Asylpolitik vom 29. April 2020

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 29. April 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt.

  • Am Sonntag brannte es auf Samos, eine der griechischen Inseln in der Ägäis. Das Feuer brach in dem Lager aus, wo knapp 7.000 Fliehende leben, zehn Mal so viele wie vorgesehen.
    DLF (27.04.20)

 

  • Auf Lesvos wurden zwei derweil zwei Schutzsuchende angeschossen. Sie leben im Lager Moria. Die Polizei nahm einen 55-jährigen Menschen griechischer Staatsbürgerschaft wegen Tatverdachts fest. Im März hatten Faschist*innen auf den griechischen Inseln damit begonnen, Fliehende, Journalist*innen und NGO-Mitarbeiter*innen anzugreifen.
    SPIEGEL (23.04.20)

 

  • Ebenso auf Lesvos demonstrierten Fliehende gegen die unerträgliche Situation, in der sie sich befinden. Sie blockierten den Zugang zum Lager Moria und machten unter anderem deutlich, wie schutzlos sie dem Corona-Virus ausgeliefert sind. Auf dem griechischen Festland wurden in drei Lagern Personen positiv auf das Virus getestet. Die griechische Regierung will derweil mehr Menschen von den Inseln holen, vor allem jene, die zu den Corona-Risikogruppen gehören. Erik Marquardt, Mitglied des Europaparlaments für BÜNDNIS90/ DIE GRÜNEN und bis vor Kurzem noch vor Ort, erinnert daran, dass auch diese Maßnahmen nicht zu einer Entlastung führen werden. Die Gesundheitssituation war auch vorher schon katastrophal. Als Beispiel seien suizidgefährdete Kinder genannt, eine Tatsache, die seit Langem bekannt ist. Es brauche einen Plan, der solche Lager schlicht nicht zulasse.
    DLF (22.04.20)
    SPIEGEL (22.04.20)

 

  • Fast 51 Millionen Menschen weltweit sind intern vertrieben. Das gibt die Internationale Beobachtungsstelle für intern Vertriebene (IDMC) an. Drei Viertel von ihnen leben in zehn Ländern, darunter Syrien, Kongo, Kolumbien, Jemen, Afghanistan. Teils ergreifen die Staaten selber Maßnahmen, um die Zahl der intern Vertriebenen zu reduzieren, wie das Vergeben von Land. Um den Kreis von Krise, humanitärer Nothilfe, neue Krise zu durchbrechen, sei es wichtiger, vorhandene Schulen, Krankenhäuser und die lokale Wirtschaft zu stärken anstatt parallel Bildungs- und Gesundheitsstrukturen explizit für Vertriebene aufzubauen.
    SZ (28.04.20)

 

  • „Wir werden nicht am Coronavirus sterben, aber an Hunger.“ sagen Migrant*innen und Fliehende, die sich in Marokko aufhalten. Etwa 50.000 unter ihnen haben keinen legalen Aufenthaltsstatus und sind von allen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen während der Corona-Pandemie ausgeschlossen. Die Arbeit im informellen Sektor als Tagelöhner*innen oder das Betteln sind nicht mehr möglich, die strikten Ausgangsbeschränkungen tragen dazu bei, dass Menschen in schierer Existenznot sind. Organisationen vor Ort wie die Caritas können nur eine rudimentäre Unterstützung aufrechterhalten.
    tagesschau (25.04.20)

Bund, Land, Kommune

  • Der Bundestag debattierte über die Lage in Griechenland. LINKE, BÜNDNIS90/ DIE GRÜNEN und FDP forderten, mehr Kinder und Jugendliche aus den Lagern aufzunehmen als die 47, die vorvergangene Woche in Deutschland ankamen.
    Rheinische Post (23.04.20)

 

  • Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat sich in je einer Ausarbeitung mit Refoulements an auf der zentralen Mittelmeerroute Richtung Libyen wie an der griechisch-türkischen Grenze beschäftigt. Als Refoulement wird bezeichnet, wenn ein Staat Schutzsuchende an seinen Grenzen abweist und ihnen somit das Recht nimmt, einen Asylantrag stellen zu können. Diese Maßnahmen sind illegal, wurden aber an beiden Außengrenzen der EU und ihren Mitgliedsstaaten immer wieder praktiziert. Wenn private Seenotrettungsorganisationen im Zweifel durch ihr nationales Recht von einer Rettung abgehalten werden sollen, dann sei das Refoulement-Verbot in jedem Fall höherrangig. In Deutschland kann das beispielsweise der Fall sein, wenn Seenotrettungsorganisationen angewiesen sind, der libyschen Seenotrettungsleiststelle zu folgen. Dies müssten sie nicht, da sie dann in Kauf nehmen würden, Menschen in die libyschen Gefangenenlager zurückzuführen. Im Zweifel würden sie sich dann sogar strafbar machen, da das deutsche Strafrecht den Tatbestand der Aussetzung in § 221 StGB kennt, wenn also Menschen aus sicherer Obhut in eine hilflose Lage versetzt werden, in denen ihn Gefahr für Leib und Leben droht.
    Migazin (21.04.20)

 

  • Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) versprach eigentlich, keine Bescheide über Asylanträge mehr zuzustellen, die nicht positiv sind. Das Migazin berichtet, dass das nicht ganz so gut klappt. Das BAMF wollte damit berücksichtigen, dass Beratungstellen und Kanzleien geschlossen und nur noch eingeschränkt kontaktierbar sind.
    Migazin (27.04.20)

 

  • „Bahnbrechend“, nannten SFR und der Infobus Leipzig in einer gemeinsamen PM den Beschluss, den das Verwaltungsgericht Leipzig am vergangenen Mittwoch fasste. Es ordnete die Entlassung eines Geflüchteten aus der Aufnahmeeinrichtung Dölzig an. Allein der Mindestabstand von 1,5 Metern kann dort nicht eingehalten werden, so das Gericht. Auch die Verwaltungsgerichte in Chemnitz und Dresden erreichten Eilanträge von geflüchteten Menschen. Aus Dresden folgte gestern ein Beschluss. Auch dort sieht das Gericht ein besonderes Infektionsrisiko, allein mit Blick auf die gemeinschaftlich genutzten Sanitäranlagen oder der mangelnden Möglichkeit, Mund-Nasenbedeckungen abzukochen. Sachsen ist das erste Bundesland, in dem dieser Weg rechtliche Weg gegangen wird. In einer weiteren PM zeigt sich der Verein optimistisch angesichts der sich abzeichnenden Rechtssprechung in Sachsen. Nun steht die Entscheidung aus Chemnitz aus. Der SFR hofft allerdings darüber hinaus, dass darüber die Lager nun endlich aufgelöst werden, dass es eine politische Lösung gibt anstatt dass sich mehr als 2.000 Menschen in den sächsischen Aufnahmeeinrichtungen in jedem Einzelfall ihr Recht erst erstreiten müssen. Bei der Landesdirektion mag die Erkenntnis noch nicht reifen, dass die Unterbringung per se gegen das politische Ziel, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, verstößt. Die Behörde stellte sich im Fall des Antragstellers aus Dölzig bisher quer und versucht derzeit, den Beschluss anzufechten obwohl genau das das Verwaltungsgericht ausgeschlossen hatte.
    Dass eine Auflösung dringend geboten ist, zeigte der erste Tote in einem Geflüchtetenlager in Bayern.
    taz (21.04.20)
    Tagesspiegel (23.04.20)
    MDR (23.04.20)
    taz (27.04.20)

 

  • Die Sächsische Härtefallkommission, in der auch der SFR über seinen Mitarbeiter Jörg Eichler, in Stellvertretung Carolin Münch vom Bon Courage e.V., vertreten ist, tagt gerade nicht. In Unsicherheit ob der Entscheidung ist derzeit auch ein 37-jähriger Mensch pakistanischer Staatsbürgerschaft, der in einer Bäckerei in Burgstädt arbeitet und dessen Fall derzeit in der Kommission anhängig ist. Laut dem Büro des Sächsischen Ausländerbeauftragten als Vorsitzendem der Härtefallkommission ist mit einer Entscheidung im Juni zu rechnen.
    Freie Presse (24.04.20)

Hintergrund und Meinung

  • „To be honest with you, I was over the moon. Finally it happened. I was really excited about it.“ François, der erfolgreiche Antragsteller aus Dölzig, der das Lager nun verlassen hat, drückt aus, wie es ihm nach Bekanntgabe des Beschlusses ergeht. Ein Interview von radio corax mit ihm und Mark Gärtner vom SFR.
    radio corax (27.04.20)

 

  • Hasibullah Ahmedzei lebte vergangenes Jahr noch in Bad Gottleuba-Berggießhübel, als der fluter das erste Mal über ihn berichtete. Damals hatte er ein Jobangebot einer Zeitarbeitsfirma. Er hätte bei BMW in Leipzig arbeiten können, konnte aber nicht, da die Ausländerbehörde Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge die Wohnsitzauflage nicht strich und keine Beschäftigungserlaubnis erteilen wollte. Nun hat er andere Probleme, nämlich die Angst vor der Abschiebung. Selbst in der für vollziehbar ausreisepflichtige Menschen paradoxerweise doch auch sichereren Zeit während der Pandemie in der größtenteils nicht mehr abgeschoben wird, ist sie da. Denn Ahmedzei wurde auch vom Verwaltungsgericht kein Schutzstatus zuerkannt. Er beschreibt, was ihm in Afghanistan drohen würde. In der Wohnung in Pirna, wo er inzwischen wohnt, fühlt er sich wie auf dem Silbertablett für die Behörden. Kaum schläft er dort. Inzwischen arbeitet er in einem Kleidergeschäft. Ein Beruf, den er auch schon in Afghanistan ausübte, als er einen eigenen Laden in Kabul besaß.
    fluter (23.04.20)
    Erster fluter-Artikel „Hasibullah, du bleibst hier“ vom letzten Jahr (07.03.20)

 

  • Der Sachverständigenrat deutscher Siftungen für Integration und Migration (SVR) hat gestern sein Jahresgutachten veröffentlicht. Thematischer Schwerpunkt diesmal: die Zuwanderung aus Afrika. Die Vorsitzende des Rats, Politikwissenschaftlerin Petra Bendel, räumt im Interview beim SPIEGEL mit dem Mythos der „Massenmigration“ auf. Dennoch rät sie der Bundesregierung, sich weiter mit den Fragen von Flucht und Migration auseinanderzusetzen. Zwar seien jahrhundertealte Migrationsbewegungen wegen der Pandemie derzeit zum Stehen gekommen, das werde aber nicht so bleiben. Konkret empfiehlt sie unter anderem unbürokratische Arbeitsvisa auch für jene Menschen, die vielleicht nicht alle Qualifikationen vorweisen können, die derzeit nötig sind.
    SPIEGEL (27.04.20)
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