Flüchtlingsräte und ARD veröffentlichen Hinweise zum Seuchenschutz in Geflüchtetenlagern
Eindeutig, unmissverständlich – so gestalten sich die Empfelungen des Robert-Koch-Instituts zur Prävention von Covid-19-Erkrankungen in Lagern und zum Management, wenn das Virus doch auftritt. Transfers von Risikogruppen aber auch W-LAN in allen Unterkünften gehören dazu. Umgesetzt ist davon bisher wenig. Die entspanntere, pandemische Lage sollte genutzt werden, um die Empfehlungen umzusetzen – nun, wo sie öffentlich sind. Fraglich bleibt, warum das erst durch NGOs und Medien geschehen musste.
„Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf der Erkrankung werden frühzeitig identifiziert und präventiv mit ihren Familienangehörigen für die Dauer der gesamten Pandemie in einer gesonderten und geeigneten Unterkunft untergebracht, in der Kontaktreduktion und Selbstisolation möglich ist und für den täglichen Bedarf gesorgt werden kann.“ Die Maximalforderung nach einem Auflösen der Lager – soweit geht das Robert-Koch-Institut nicht in seinen Empfehlungen. Heute veröffentlichte der Niedersächsische Flüchtlingsrat die „Hinweise zur Prävention und Management von Covid-19-Erkrankungen in Gemeinschaftsunterkünften“, bereits gestern berichtete die Tagesschau über das Papier. „Deutlich wird: diesen ausdifferenzierten Maßnahmenkatalog – insbesondere was präventive Schritte angeht – hat wohl keines der Bundesländer umgesetzt. Mark Gärtner vom SFR dazu: „Die Infektionszahlen befinden sich aktuell in einem Bereich, in dem kein akutes Krisenmanagement gefragt ist. Wir erwarten von der sächsischen Landesregierung, die Empfehlungen schleunigst umzusetzen.“ Irritiert zeigt sich Gärtner, dass das Papier nicht durch offizielle Stellen selber veröffentlicht wurde. „Wenn es um den Gesundheitsschutz aller Menschen, die sich derzeit hier aufhalten geht, dann bedarf es eines Höchstmaß an Transparenz.“ In der Meldung des Niedersächsischen Flüchtlingsrats e.V. wird diese Verwunderung zu Kritik: „Es ist typisch für Politik und Behörden, dass sie der wichtigsten ratgebenden Instanz im Umgang mit der Corona-Pandemie zwar in allen Bereichen folgen, aber die Empfehlungen genau dann ignorieren und unter Verschluss halten, wenn es um Geflüchtete geht.“ meint dort Kai Weber.
Kettenquarantänen vermeiden!
Auch für den Fall eines Ausbruchs der Pandemie gibt das Robert-Koch-Institut Hinweise. Unter anderem sollen die Menschen erstens in die eingeteilt werden, die infiziert sind, zweitens jene, die als Verdacht gelten und die dritte Gruppe sollen Nicht-Fälle bilden.“Sofern bisher der Verdacht auf ein Auftreten von Sars-Cov-2 in sächsischen Lagern bestand, erlebten wir ein besonnes Agieren von Landesdirektion und Gesundheitsämtern.“ betont Gärtner. Für den Fall, dass das Virus tatsächlich in einem Lager bestätigt wird, sollen laut Robert-Koch-Institut Kohorten von maximal zehn Leuten gebildet werden und gemeinsam untergebracht werden. „Das kommt schon dem ziemlich Nahe, was Flüchtlingsräte, PRO ASYL und weitere seit März forderten.“ meint Gärtner. So könnten Kettenquarantänen ganzer Lager vermieden werden. Darüber hinaus empfiehlt das Institut eine Teilevakuierung und gesonderte Unterbringung von Risikogruppen.
Risikogruppen schützen!
Wie sich besonders gefährderte Gruppen bezüglich Sars-Cov-2 von besonders Schutzbedürftigen nach der EU-Aufnahmerichtlinie unterscheiden, war eine der juristischen Detaildiskussionen. Das Robert-Koch-Institut stellt nun klar: auch nach EU-Aufnahmerichtlinie definierte, besonders Schutzbedürftige sind zu berücksichtigen, wenn Maßnahmen durchgeführt werden, unabhängig davon, ob sie für einen schweren Corona-Krankheitsverlauf exponiert sind oder nicht. Zu dieser Personengruppe zählen beispielsweise schon alle Minderjährigen. „Gleichzeitig ist nochmal zu unterstreichen, dass es nicht nur einer besonnenen Reaktion sondern auch einer klugen Prävention bedarf. Das Robert-Koch-Institut hat dargelegt, wie das auszusehen hat.“ fügt Gärtner hinzu. Dazu gehört auch, die Unterkünfte mit W-LAN auszustatten. Das Institut betont mehrfach, wie wichtig Kommunikation und Information in pandemischen Situationen sind. Der uneingeschränkte Zugang zu Internet ist Voraussetzung, um das zu gewährleisten.
Auch sächsische Verwaltungsgerichte folgten epidemiologischer Logik
Auch die Verwaltungsgerichte in Dresden, Chemnitz und Leipzig nahmen sich in vier von fünf Beschlüssen der Logik des Robert-Koch-Instituts an und beschlossen die Entlassung der jeweiligen Antragsteller*innnen aus Aufnahmeeinrichtungen des Freistaats Sachsen. Die geforderte, politische Lösung für alle Menschen in Lagern blieb jedoch aus. Dagegen demonstrierten am 27. Mai Bewohner*innen des Dölziger Lagers und forderten ihre sofortigen Transfers. Die Landesdirektion schien seither durch den Druck von Bewohner*innen, Gerichten und Zivilgesellschaft zur Einsicht gekommens ein und transferierte verstärkt Menschen aus den Aufnahmeeinrichtungen. Dies spiegelt sich auch in den Belegungszahlen aller Aufnahmeeinrichtungen wider. Diese bewegen sich wieder auf dem Niveau um die 2000er Marke, wie aktuell von Jule Nagel, MdL, abgefragte Zahlen zeigen. Ausgerechnet in der Pandemie waren die Zahlen zwischenzeitlich angestiegen. Nun sind es lediglich die beiden sich in der Stadt Leipzig befindlichen Aufnahmeeinrichtungen, wo die Zahlen steigen, was darin begründet liegt, als dass sie die Unterkünfte sind, wo derzeit neuankommende Schutzsuchende aufgenommen werden.
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