SFR Newsletter 32/2020

Moria brennt. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch brach im Camp Moria auf Lesvos in Feuer aus. Rund 13.000 Personen sind nun obdachlos. Die COVID-Infektionen im Camp (kurz vor Ausbruch des Feuers waren rund 35 Personen positiv getestet worden), sowie die aktuelle Katastrophe waren vorhersehbar, eine Evakuierung hätte längst stattfinden müssen. Spontandemos fanden am Mittwoch Abend bundesweit statt. In Dresden, Chemnitz und Leipzig gingen Leute auf die Straße, um für die Evakuierung des Lagers zu demonstrieren. Unter anderem unser Wohlfahrtsverband, der Paritätische, kommentierte das in einer Stellungnahme mit den Worten: „Diese Katastrophe ist die Folge einer gewollten Politik der Abschottung, Ausgrenzung und Abschreckung.“ Auf den Demos in Dresden und Leipzig erinnerten wir auch an die, die auf der Balkanroute, in der Türkei und an allen anderen Orten entlang der europäischen Außengrenze verharren.

Korrektur – Querfeld Magazin – Sonderausgabe 2020 – Eine Dokumentation aller dem SFR bekannten Abschiebefälle 2016-2019. „Wir gehen fest davon aus, dass uns einige Fälle entwischt sind.“ Das schrieben wir im Intro der Sonderausgabe des Querfelds, die staatliche Intransparenz und die Menge an Daten im Hinterkopf. Mit der Sonderausgabe wollten wir alle uns bekannt gewordenen Fälle von Abschiebungen seit 2016 zu veröffentlichen. Nun haben wir festgestellt, dass wir einen ganzen Ordner vergessen haben – den mit den Afghanistan-Abschiebungen. Acht Sammelabschiebungen zwischen Oktober 2017 und Oktober 2019 sind uns so entgangen. Dieser Ordner beinhaltet die Kleinen Anfragen zu allen 18 Afghanistan-Abschiebungen, an denen Sachsen sich zwischen Oktober 2017 und März 2020 beteiligte. Warum sind einige Abschiebungen dann doch in der ursprünglichen Sonderausgabe aufgetaucht? Beispielsweise wenn wir uns durch eine unserer Pressemitteilungen an sie erinnerten oder sie doch in einem der anderen Ordner auftauchten.

Da wir nicht intransparent agieren wollen, veröffentlichen wir diese Korrekturmeldung.

Wir müssen die Zahlen der Sammelabschiebungen wie der abgeschobenen, psychisch erkrankten Personen nun nach oben korrigieren und betonen: Dies kann nur ein Anfang sein. Ein erster Versuch in Richtung einer vollständigen Dokumentation aller Abschiebefälle in Sachsen.

Was nicht korrigiert werden muss: die Gesamtzahl der abgeschobenen Menschen (S. 8), die Anzahl der Trennung von Ehepartner*innen (S. 3), die Anzahl der Familientrennungen (S. 11), Abschiebungen nach Zielland (S. 12f), die Zahlen zu Abschiebehaft (S. 33ff).

Ordnerstruktur mit Folgen.

Wir haben von Anfang an keinen Anspruch auf Vollständigkeit gestellt, denn dieser ist in den Wirren der Abschiebepraxis nahezu unmöglich. Tatsächlich sollte der Afghanistan-Ordner dem Überblick dienen – bei den am stärksten diskutiertesten Abschiebungen eine separate Auflistung der Kleinen Anfragen für die Pressearbeit zu haben war das Anliegen. Für die Dokumentation hingegen bewirkte er das Gegenteil: nicht Überblick, sondern Verwirrung. Es ist ärgerlich.

Das Heft mitsamt der Korrekturmeldung plus Sticker könnt ihr nach wie vor unter querfeld@sfrev.de bestellen! Die Korrekturmeldung als PDF mitsamt der gesamten Tabelle hier.

 

Abschiebung. Letzte Woche Dienstag berichteten wir über eine Sammelabschiebung von Sachsen nach Georgien. In einer Presseanfrage an die Landesdirektion stellt sich nun heraus: vier Familien wurden dabei getrennt. Es handelt sich um einen wiederholten Verstoß des CDU-geführten Innenministeriums gegen den Koalitionsvertrag. Abholung vom Arbeitsplatz und Familientrennungen sind eigentlich ein No-Go. Die asylpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, Petra Čagalj Sejdi schrieb auf Twitter: „Wir erwarten Aufklärung.“   Unsere PM dazu hier.

Türkei. Wir erinnern uns: im September 2019 wurde der Vertrauensanwalt Yilmaz S. der deutschen Botschaft in der Türkei von Polizeikräften in Gewahrsam genommen. Die türkischen Behörden griffen auf Yilmaz S. zur Verfügung stehende Informationen zu türkischen Schutzsuchenden in Deutschland zu. Laut einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Anfrage von Bundestagsabgeordneter Luise Amtserg, Bündnis 90/Die Grünen, sind bei der Festnahme des Vertrauensanwaltes rund 900 Anfragen zu Asylverfahren in Deutschland mit sensiblen Informationen an die türkischen Behörden gelangt – weit mehr als die ursprünglich angegebenen 113 Fälle. Warum das so brisant ist? „Die Bundesregierung schließt nicht aus, dass die türkischen Sicherheitsbehörden die ihnen bekannt gewordenen Daten zu Asylantragstellern für weitere eigene Ermittlungen und strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen nutzen könnten“, so Legal Tribune Online.

#Scheuerleaks. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat im März die 19. Schiffsicherheitsverordnung geändert, mit folgender Konsequenz: Schiffe, die nicht reinen Freizeitszwecken dienen, müssen fortan ein Sicherheitszeugnis vorlegen – mit hohen Hürden. Damit werden „Boote der Seenotrettungs-NGOs durch aufwendige Schiffssicherheitszeugnisse lahmgelegt. Den ganzen Beitrag von Mission Lifeline dazu gibt’s hier.

Arbeitslosigkeit. Einem aktuellen IAB-Bericht zufolge sind in Deutschland Geflüchtete besonders hart von den negativen Arbeitsmarktauswirkungen von Corona betroffen. Zwischen März und August 2020 ist die Arbeitslosenquote bei Personen aus Kriegs- und Krisenländern im Vergleich zu Personen mit einer EU-28-Staatsangehörigkeit mit fast dreifacher Stärke gestiegen (6,1 % vs. 2,1 %). Die Arbeitsmarktprojekte des Sächsischen Flüchtlingsrates sammeln derzeit Erfahrungen aus der Praxis, die Negativauswirkungen von Corona für Geflüchtete auf dem sächsischen Arbeitsmarkt ersichtlich machen – beispielsweise finanzielle Prekarisierung wegen Kurzarbeit, Kündigung von bestehende Arbeits-/ Ausbildungsverhältnisse, erhöhte Schwierigkeiten bei der Jobsuche oder unzureichender Unterstützung der Arbeitsverwaltung. Aus den Erkenntnissen möchten wir Lösungsansätze für die Politik entwickeln. Falls Du derartige Erfahrungen gemacht haben, melde Dich gerne bei garthus-niegel@sfrev.de.

Spendenaufruf!  Solidarität benötigt Geld. Der Sächsische Flüchtlingsrat ist auch von Privatspenden abhängig. Dieses Jahr ist unser Spendentopf leider noch nicht so voll. Du hast finanzielle Kapazitäten und Lust uns zu unterstützen? Hier entlang zum Spenden!

Termine:

  • Vom 6. bis 13. September findet das erste Leipziger Kulturfestival der Roma & Sinti Latcho Dives statt. Auf Dich warten Konzerte, Filme, Lesungen, Ausstellungen und Podiumsdiskussionen! Hier entlang zum Programm.
  • Am 13. September findet in Chemnitz das Wahlform Solidarisches Chemnitz – Gege Rassismus und rechte Hetze statt, organisiert vom Bündnis Aufstehen gegen Rassismus Chemnitz. OB-Kandidat*innen stehen Rede und Antwort, außerdem sind migrantische Selbstorganisationen am Start. Hier entlang zur Veranstaltung.
  • Vom 23. September bis 1. Oktober veranstalten Diakonie Deutschland, Deutscher Caritasverband und UNCR eine Webinarreihe zum Thema „Restarting Resettlement nach Deutschland.“ Mehr Infos hier.
  • Am 06. Oktober bietet das Psychosoziale Zentrum Dresden eine Fortbildung zu „Gesprächssituationen mit Sprachmittler*innen in der psychosozialen Beratung“ an. Das ganze Programm gibt’s hier.
  • Vom 04. bis 09. Oktober werden Geschichten und Realitäten von Sint*ezze und Rom*nja im Rahmen von Konzerten, Lesungen, Führungen, Filmen und bei einem Fachtag erzählt. Kaum jemand kann Persönlichkeiten der Minderheit nennen. Auch die Verfolgung und Vernichtung während des Nationalsozialismus ist nahezu unbekannt. Ein in der europäischen Kulturgeschichte gängiges Motiv ist die stereotype Darstellung von Rom*nja und Sinti*zze in bettelnden oder kriminellen Großfamilien bzw. Clans. Dagegen sprechen Persönlichkeiten der Minderheit und erzählen Geschichte(n). Vollendet wird die Veranstaltungsreihe von weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen mit einem Fachtag am 08. und 09. Oktober. Alle Infos und Programm hier.
  • Vom 26. bis 30. Oktober startet das Multiplikator*innen-Training „Digital Empowerment”: Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen von Trägern und Kommunen aus ganz Deutschland, die mit geflüchteten Frauen arbeiten (möchten), werden hier ausgebildet, um eigenständig an ihren Standorten einen offenen Computerkurs für diese Zielgruppe anzubieten. Die Teilnahme ist kostenlos. Mehr Infos hier.

Stellenbeschreibung:

  • Das Ökohaus e.V. Rostock sucht eine*n Sozialarbeiter*in oder Sozialpädagog*in für die Betreuung von Geflüchteten in der Gemeinschaftsunterkunft Satower Straße in der Hansestadt Rostock. Bewerbungsschluss ist der 20. September. Mehr Infos hier.
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