PM: Ohne Abstand, ohne Anstand – wieder Kindeswohl bei Abschiebung nach Georgien gefährdet

Erneut Abschiebeversuch aus selbiger Jugendhilfeeinrichtung
Nichts scheint zu scheren – die steigenden COVID19-Infektionszahlen in Sachsen sowieso nicht, die in Georgien gleich gar nicht, grundlegende, menschenrechtliche Vereinbarungen des Koalitionsvertrags offenbar ganz gezielt nicht. Im Innenministerium wird einfach weitergemacht. Zum zweiten Mal sollte nun eine Jugendliche des nachts aus einer Jugendeinrichtung abgeholt und abgeschoben werden. Deren Mitarbeiter*innen sind schockiert.

Gestern, am 10. November, vollzog Sachsen eine Abschiebung nach Georgien. Mindestens eine Familie mit Kleinkind wurde abgeschoben, von weiteren Personen ist auszugehen. Der Sammelcharter hob gestern um 12 Uhr Richtung Tiflis ab. Rechtsanwältin Carolin Helmecke hatte sich per Eilantrag noch bemüht, die Abschiebung der Familie zu stoppen: „Sachsen ist COVID19-Risikogebiet, Georgien ist es unter anderem mit dem regionalen Schwerpunkt Tiflis. Selbst das Auswärtige Amts warnt vor nicht notwendigen Reisen. Die Abschiebung ist ein abstandsloser Vorgang – ich kann es nicht fassen, dass Abschiebungen während dieser Pandemie immer noch durchgeführt werden.“ Helmeckes Empörung richtet sich auch gegen die geplante Abschiebung nach Afghanistan am 16. November. „Afghanistan belegt auf dem Global Peace Index 2020 das zweite Jahr in Folge den letzten Platz. Insbesondere die Pandemie in Afghanistan hat die ohnehin instabile humanitäre Situation weiter verschlechtert.“ Auch für den 09. oder 10. November war eine Abschiebung angekündigt, diesmal nach Pakistan. Das Auswärtige Amt führt in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen aus: „Reisende können sich nicht darauf verlassen, in Pakistan angemessene gesundheitliche Hilfe zu finden“ Konkrete Fälle zu dieser Abschiebung sind dem SFR bisher keine Fälle bekannt geworden.

Immer wieder Bruch des Koalitionsvertrags

Schon in der Nacht vom 31. August auf den 01. September drang die Polizei in einer Jugendhilfeeinrichtung ein, um eine Jugendliche abzuholen. Die Abschiebung wurde schließlich abgebrochen und die 15-jährige in die Einrichtung zurückgebracht, die Mutter war nicht auffindbar. Dieselbe Einrichtung, dieselbe Jugendliche waren nun erneut Ziel der Abschiebebehörden. „Wie soll das denn weitergehen? Was die Jugendlichen hier benötigen ist Ruhe. Nun war schon zum zweiten Mal die Polizei da, mitten in der Nacht!“ Die Mitarbeiter*innen der Jugendhilfeeinrichtung zeigen sich schockiert. Als „komplett anstandslos“ gegenüber der Lage der Jugendlichen, aber auch gegenüber der Arbeit der Jugendhilfeeinrichtung werten sie das Geschehen.

Paula Moser, tätig beim SFR, geht nicht nur von einer Kindeswohlgefährdung für die Betroffene aus, sondern auch für alle anderen Bewohner*innen der Einrichtung. „Eine Jugendhilfeeinrichtung ist ein besonders geschützter Ort, Zugriffe der Polizei zum Zwecke von Abschiebungen – noch dazu des nachts – verbieten sich dort generell.“ Moser erklärt: „Von der Formulierung ‚humanitäre Abschiebungen‘ aus dem Koalitionsvertrag kann man halten, was man will. Abschiebungen aus Jugendhilfeeinrichtungen sind jedoch ein Phänomen, das wir erstmals im September 2019 dokumentierten. Und immer wieder anprangerten.“ Moser schlussfolgert, dass ganz gezielt die Abschiebepraxis verschärft wird. Motivation unklar.

Kontakt:
Sächsischer Flüchtlingsrat
-Paula Moser-

Mobil: 0176 427 286 23
Mail: pr@sfrev.de

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