PM: Innenministerium liefert durchwachsenes Update für das Bleiberecht in Sachsen

Landesregierung macht Tippelschritte beim Ausformulieren von Duldungsregelungen
Lange angekündigt im Koalitionsvertrag, nun sind sie da: das Sächsische Innenministerium (SMI) hat im Dezember Anwendungshinweise zu einer bestimmten Duldungsform – der Ausbildungsduldung – veröffentlicht. Außerdem konkretisierte das SMI Mitwirkungspflichten, die insbesondere die Passbeschaffung von Menschen im Asyl- und Aufenthaltsverfahren betreffen. Der Sächsische Flüchtlingsrat sieht weiterhin viel Luft nach oben.

Ambivalente Signale für geduldete Personen

„Der Erlass wird den Zugang zur Ausbildung für einige erleichtern – und für andere erschweren. Der Erlass ist ambivalent zu bewerten“, kommentiert Dr. Kristian Garthus-Niegel vom SFR. „An einigen Stellen werden von uns lange gestellten Forderungen umgesetzt und Sachsen geht über das hinaus, was in anderen Bundesländern gilt. An anderen Stellen schimmert der Wille unverkennbar durch, die vollziehbare Ausreisepflicht – die Abschiebung – restriktiv durchzuführen.“

Vereinfachter Zugang zur Vorbereitung auf eine Ausbildung, Pflichten für Ausländerbehörden vs. erweiterte  Ablehnungsgründe

„Die nun vereinfachte Möglichkeit einer Duldung in Vorbereitung auf eine Ausbildung nimmt den Druck heraus und ermöglicht den erfolgreichen Einstieg in und Abschluss einer Ausbildung“, erklärt Garthus-Niegel. Doch lupenrein ist diese Möglichkeit nicht, droht der progressive Ansatz doch schon an der Realität der Arbeitswelt zu scheitern: vor Beginn dieser Vorbereitung auf die Ausbildung muss die Person nachweisen, dass sie einen Ausbildungsplatz in Aussicht hat. „Kein Betrieb wird anderthalb Jahre im Voraus einen Ausbildungsvertrag ausstellen“, mahnt Garthus-Niegel. „Eine formlose Absichtserklärung – wenn denn so weit im Voraus geplant werden muss – muss ausreichen.“

Positiv fällt in der neuen Regelung auf, dass die Ausländerbehörden mehr Pflichten in Mitwirkungsverfahren tragen. Sie müssen Personen, die eine Duldung beantragen, umfassend über ihre Rechte und Pflichten zur Identitätsaufklärung informieren und diese Schritte dokumentieren: „Die Umsetzung dieser Verpflichtung wird Dreh- und Angelpunkt für eine verbesserte Bleibeperspektive für geduldete Personen  sein – wenn sich denn die Ausländerbehörden konsequent daran halten“, erklärt Garthus-Niegel.

Ein starker Einschnitt durch den neuen Erlass sind die Gründe für das Verwehren einer Ausbildungsduldung, die nun in Sachsen restriktiver sind als im Aufenthaltsgesetz. Während im Bundesgesetz beispielsweise das Buchen eines Transportmittels für die Abschiebung als Ablehnungsgrund der Duldung zählt, sollen in Sachsen bereits  Identifizierungsanfragen an Vertreter des Herkunftsstaates Grund genug für eine Ablehnung der Ausbildungsduldung sein. „Sachsen geht hier in die ganz falsche Richtung. Zudem gibt es für diese noch restriktivere Auslegung keine Rückendeckung in der Rechtsprechung“, so Garthus-Niegel.

Kenia muss nachliefern

In Sachsen waren Ende 2019 7.872 abgelehnte Asylsuchende geduldet. „Es besteht weiterhin umfassender Handlungsbedarf beim Ausformulieren des Bleiberechts in Sachsen“, erklärt Garthus-Niegel. Zunehmend viele Personen in Sachsen leben mit einer Duldung ‚light‘ oder mit Fantasiepapieren, welche in dem neuen Erlass kaum Erwähnung finden. Diese Titel werden von Behörden oft willkürlich erteilt, wenn Betroffene vermeintlich nicht hinreichend bei ihrer Identitätsklärung mitgewirkt haben. Dabei ignorieren die Ausländerbehörden, dass viele Menschen aufgrund hoher bürokratischer Hürden keinen Pass beschaffen können. „Arbeitsverbot, harte Leistungskürzungen, Residenzpflicht, kurz gefasst: Die Aussicht auf Nichts steht dann auf der Tagesordnung“, erklärt Garthus-Niegel, der in der Beratungsstelle beim Flüchtlingsrat die konstante Unsicherheit miterlebt. „Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie mit einem progressiven Erlass endlich Perspektiven für die hier geduldeten Personen schafft und die behördliche Willkür beendet!“, so Garthus-Niegel.

Kontakt:
Sächsischer Flüchtlingsrat
– Dr. Kristian Garthus-Niegel –
Tel.: 0176 427 286 23
Mail: garthus-niegel@sfrev.de

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