PM: Sachsens Behörden setzen auf Seehofers Duldung „Zweiter Klasse“

Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt wird die „Duldung light“ doppelt so häufig ausgestellt

Zum 31.12.2020 lebten in Sachsen 11.288 Menschen mit einer Duldung. Eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zeigt: Menschen in Sachsen erhalten in 2020 deutlich häufiger als im Bundesdurchschnitt eine „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“. Umgangssprachlich als „Duldung light“ bezeichnet sanktioniert diese Betroffene aufgrund vermeintlich fehlender Mitwirkung und verhindert jegliche soziale Teilhabe. Die hohe Erteilungspraxis der unteren Ausländerbehörden konterkariert die Erlasse des sächsischen Innenministeriums. Diese hatten im letzten Jahr noch eine wohlwollende und konstruktive Verwaltungspraxis gefordert.

Doppeltes Risiko einer „Duldung light“ in Sachsen

2019 eingeführt sanktioniert die „Duldung light“ Menschen, die sich nachweislich nicht um eine Identitätsklärung bemühen. Betroffene – nicht selten Schutzsuchende, die längst angekommen sind und ihren Lebensunterhalt eigenständig durch Arbeit sichern – rutschen über Nacht in ein Beschäftigungsverbot, ihre Leistungen werden auf ein Minimum gekürzt und sie dürfen die ihnen zugewiesene Kommune nicht verlassen. „Menschen, die sich aktiv gegen die eigene Identitätsklärung stellen, gibt es in der Tat aber selten“, so Kristian Garthus-Niegel vom SFR-Beratungsprojekt RESQUE continued, das seit Jahren Menschen mit ungeklärter Identität unterstützt und berät. „Unser Eindruck aus der Praxis ist, dass die Ausländerbehörden sich kaum mit den komplizierten Realitäten der Mitwirkung auseinandersetzten und die „Duldung light“ häufig allein wegen eines unbegründeten Generalverdachts erteilen“, so Garthus-Niegel weiter.

Eine aktuelle Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke zeigt: in Sachsen erhalten auffällig viele Geflüchtete die Duldung „light“. Allein in den ersten drei Monaten in 2021 stieg die Anzahl um ein Drittel auf nun mehr 1.880 Personen. Nach dem Königsteiner Schlüssel nimmt Sachsen 4,9 Prozent aller Geflüchteten auf. Laut der Statistik hat der Freistaat dagegen 10,5 Prozent des Bundesbestandes der „Duldung light“ zu verantworten. Hierzulande wird die „Duldung light“ also mehr als doppelt so oft wie im Bundesdurchschnitt ausgestellt.[1]

Wege des Bleiberechts sollen möglichst eng gezogen werden

Die gesetzlichen Regelungen um die Pflicht zur Identitätsklärung sind sehr kompliziert und mit erheblichen Ermessensspielräumen versehen. Die aktuellen Zahlen zur „Duldung light“ sind – obwohl bedauerlich – in Sachsen leider nicht überraschend. „Seit Jahren kämpfen wir in unseren Beratungsstellen mit einem auffällig restriktiven Verständnis von Passpflicht und Identitätsklärung. Dabei unterstützten bisher Sachsens Gerichte in der Regel diese restriktive und praxisfremde Linie der Ausländerbehörden.“, beschreibt Kristian Garthus-Niegel. „Dass man Menschen die geringste gesellschaftliche Teilhabe verweigert – und dies sogar entgegen dem ausgesprochenen Willen des CDU-geführten Innenministeriums – ist humanitär sowie auch sozial- und wirtschaftspolitisch höchst kritikwürdig.“

So bleibt nur ein Fazit: Das Sächsische Innenministerium muss dringend dafür sorgen, dass die unteren Ausländerbehörden die Erlasse vom Ende letzten Jahres umsetzen und ihr Ermessen in Fragen zur Identitätsklärung möglichst wohlwollend im Sinne der Betroffenen ausüben. Der SFR lehnt gemeinsam mit vielen Flüchtlingsorganisationen bundesweit die Duldung „light“ grundsätzlich ab. Sie ist sozial und menschlich erbarmungslos und wird willkürlich angewendet.

Weiterführende Hintergrundformationen:

Zur „Duldung light“

Zur ersten Anfrage von der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke

[1] Antwort zur Nachfrage auf die Kleine Anfrage von Ulla Jelpke, 29. April 2021: https://www.ulla-jelpke.de/wp-content/uploads/2021/04/Antwort-StT-Nachfrage-KA-19_26863_Duldungen-60bcd__compressed.pdf

Kontakt:
Sächsischer Flüchtlingsrat
– Kristian Garthus-Niegel –
Mobil: 0176 427 286 23
Mail: garthus-niegel@sfrev.de

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