Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Geflüchtete
Grundsätzlich führte die Pandemie für alle Teile in der Gesellschaft zu große Belastungen. Für geflüchtete Menschen hatte Corona jedoch besonders schwere Auswirkungen. Eine Umfrage der DIHK ergab, dass Migrant*innen v.a. im Ausbildungsbereich große Schwierigkeiten bekamen. Gründe dafür seien vor allem die schlechte technische Ausstattung, wodurch Online-Unterricht kaum möglich war. Laut aktueller Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren Geflüchtete im letzten Jahr drei Mal häufiger als deutsche Arbeitnehmende von Arbeitslosigkeit betroffen. Außerdem besaßen nur zwei Prozent der Geflüchteten eine Option auf Homeoffice – im Vergleich zu 38 Prozent der Arbeitnehmer*innen mit deutschem Pass.
Auch in den Lagern zeigte die Pandemie Auswirkungen, wie der Fall Kamenz exemplarisch zeigt. In den EAEs und GUs ist das Einhalten von Hygienemaßnahmen nahezu unmöglich, da die Menschen auf engem Raum zusammenleben. Zu wenig wurde auf dezentrale Unterbringung von Geflüchteten gesetzt. Vor Ort gibt es meist nur eine Gemeinschaftsküche, Desinfektionsmittelspender seien oft leer. Auch beim Thema Impfen gab es Komplikationen: die Vermittlung von Informationen aufgrund von Sprachbarrieren schien schwierig. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen reagierte mit einer Video-Kampagne und übersetzte Informationen zu Impfungen in 16 Sprachen.
Abgesehen davon hat die Pandemie auch auf gesellschaftlicher Ebene dazu geführt, dass Rassismus – vor allem antiasiatischer Rassismus – zugenommen hat. Meldungen von 2020 bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wegen Diskriminierung haben sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt, jede vierte dieser Meldungen steht in Zusammenhang mit Covid. Nicht nur Verschwörungstheorien haben sich durch die Querdenken-Bewegung verbreitet, sondern auch der Virus des Rechtsextremismus. Laut Verfassungsschutzbericht 2020 sind schätzungsweise 33.300 Personen Szenemitglieder und rechtsextreme Gewalttaten sind um zehn Prozent (im Vergleich zu 2019) auf 23.604 Fälle gestiegen. In der Bilanz erschwerte die Pandemie also Chancen der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt und der Gesellschaft, während das Bedrohungspotenzial für marginalisierte Gruppen zunahm.
Protest der sächsischen Zivilbevölkerung gegen Abschiebungen wächst
Mehrere hundert Menschen haben im vergangenen Monat gegen die Abschiebungen von mehreren Familien am 26. Mai und 10. Juni nach Georgien demonstriert. Alles begann mit der Berichterstattung mit den spontanen Demonstrationen von ca. 200 Menschen am Tag nach der B in Pirna für Familie I. (Spendenaktion und Petition finden Sie hier). Mittlerweile haben bereits über 19.000 Menschen die Petition unterschrieben. Diese wurde am 14. Juli dem Landrat Geisler in Pirna übergeben, mit der Hoffnung, dass dieser eine Betretenserlaubnis Familie I. erteilt, um eine Rückkehr zu ermöglichen – auch wenn uns dies nach dem Gesprächsverlauf leider unrealistisch erscheint. Doch genau wie in diesem Fall, geben die Unterstützer*innen der Betroffenen nicht auf. In Radebeul solidarisierten sich am 10. Juli 50 Menschen nach der Abschiebung von Familie Z., über die wir bereits berichteten, auch hier läuft eine erfolgreiche Hilfsaktion zur finanziellen Absicherung der Familie.
Außerdem demonstrierten ungefähr 60 Teilnehmer*innen am 14. Juli in Meißen gegen die Abschiebung von Familie P., die während der Abschiebung rechtswidrig getrennt wurde. Trotz Festhaltens im Koalitionsvertrag der sächsischen Landesregierung, dass keine Familientrennungen und nächtliche Abschiebungen stattfinden sollen. Deswegen rief das Bündnis „Buntes Meißen“ auf, um gegen die Abschiebung zu protestieren und Spenden zur Existenzsicherung der Familie zu sammeln. Es sprachen kirchliche, politische und zivilgesellschaftliche Akteur*innen gemeinsam auf einer Kundgebung, bei der lautstark ein Rücktritt des sächsischen Innenministers Wöller gefordert wurde. Dieser hatte bereits im Vorfeld der Abschiebungen mit mehreren Veto-Entscheidungen in der Härtefallkommission den Aufenthalt von Schutzsuchenden verhindert. Doch eines zeigt sich bei allen Kundgebungen, egal ob in Dresden, Pirna, Radebeul oder Meißen: die Zivilgesellschaft nimmt die sächsische Abschiebepraxis nicht länger hin. Sie setzen sich dafür ein, dass Menschen, die längst zur Nachbarschaft zählten, wieder eine Chance auf eine Rückkehr erhalten und vor allem: nicht vergessen werden!
Drei Stimmen aus der Presse:
1.) Abschiebestopp nach Afghanistan: Regierung prüft Bitte aus Kabul (taz)
Seit langem fordern wir gemeinsam mit zahlreichen Initiativen, Pro Asyl und anderen Flüchtlingsräten Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen! Nun kommt solch eine Bitte aus Afghanistan selbst: Am Montag bat die afghanische Regierung Deutschland und andere EU-Mitgliedsstaaten, um das Aussetzen der Abschiebungen nach Afghanistan. Mindestens für drei Monate könnten, wegen der zunehmenden kriegerischen Konflikte, keine Sicherheitsgarantien für Abschiebeflüge gegeben werden. Seit Beginn des Truppenabzugs der internationalen Truppen habe sich die Sicherheitslage laut Beobachter*innen nochmals grundlegend verschlechtert. Doch anstatt, dass die Bundessregierung der Bitte eines Abschiebestopps nachkommt, werde laut BMI nun zunächst „geprüft“. Zudem wolle man den Bericht des Auswärtigen Amts zur Sicherheitslage abwarten. Die CDU könne die Bitte so generell „nicht nachvollziehen“. Es braucht jetzt endlich eine Neubewertung der katastrophalen Sicherheitslage. Diese kann als Konsequenz nur einen sofortigen Abschiebestopp nach sich ziehen!
2.) UNO-Flüchtlingshilfe warnt vor humanitärer Krise in Afghanistan (UNHCR)
In diesem Jahr sind bereits über 250.000 Menschen aus Afghanistan vertrieben worden, damit befinden sich insgesamt über drei Millionen Menschen in Afghanistan auf der Flucht. Rund 90 Prozent der Menschen, die aus dem Land geflüchtet sind, halten sich in den Nachbarländern Iran und Pakistan auf. Doch die Flucht dorthin wird zunehmend erschwert, weil bspw. der Grenzübergang in den Iran inzwischen von den Taliban kontrolliert wird. Laut UN-Bericht sind die Zahlen der zivilen Opfer im ersten Quartal bereits um 29 Prozent gestiegen, ein Anzeichen für die Zunahme der Gefechte, bei denen die Taliban auch noch die letzten von der Regierung kontrollierten Gebiete einnehmen will. Die Sicherheitslage gefährdet zunehmend auch die Hilfslieferungen des UNHCR, sodass nur 43 Prozent der Vertriebenen mit dem Nötigsten versorgt werden können.
Laut unseren Informationen soll am 10. August die nächste Sammelabschiebung von Deutschland nach Afghanistan trotzdem stattfinden. Die aktuelle Haltung des Innenministerium gleicht der Realitätsverleugnung der Verhältnisse vor Ort, deshalb fordern wir einen sofortigen Abschiebestopp in das – laut Global Peace Index – gefährlichste Land der Welt!
3.) EGMR-Urteil: Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutz nach zwei Jahren möglich (Legal Tribune Online)
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgelegt, dass nach spätestens zwei Jahren Menschen, die einen subsidiären Schutz erhalten haben, Anrecht auf Familiennachzug haben – unabhängig von Kontingenten. Geklagt hatte ein Mann aus Syrien, der über drei Jahre auf die Visumserteilung seiner Ehefrau warten musste. Das Urteil ist aber maximal ein Teilerfolg, da Menschen generell eine Verzögerung des Familiennachzuges laut EGMR-Urteil generell rechtmäßig sind. Die Frage bleibt nun: Inwiefern sind Kontingentlösungen wie in Deutschland (hierzulande dürfen pro Jahr maximal 1000 Schutzsuchende mit subs. Schutz einen Familiennachzug beantragen) nach diesem Urteil Bestand haben werden.
Veranstaltungen:
Was wird aus Afghanistan? Abschluss-Kundgebung | 17. Juli von 16:00 bis 19:00 Uhr | Berlin am Pariser Platz/Brandenburger Tor
An dieser Stelle teilen wir den Aufruf von Geflüchteten aus Afghanistan, die am Samstag zur Abschluss-Kundgebung aufrufen, nachdem diese am 11. Juli in Hamburg auf dem Fußweg nach Berlin starteten:
„Wir sind junge Menschen, die aus Afghanistan nach Deutschland geflohen sind. Wir leben in Deutschland, weil in unserem Land seit 40 Jahren kein Frieden ist. 20 Jahre internationaler Militäreinsatz gegen Gewalt und Terror der Taliban hat unserem Land keinen Frieden gebracht. Die Verhandlungen, die zum Abzug aller internationalen Truppen geführt haben, waren keine demokratischen Friedensverhandlungen, sondern ein erpresserischer Deal um Macht und Einfluss. Die Menschen, die mit den internationalen Truppen zusammengearbeitet hatten, fühlen sich im Stich gelassen. Die Taliban erobern jeden Tag weitere Gebiete. In Afghanistan droht ein neuer Krieg. Wir können nicht einfach zusehen! Wir können und dürfen dazu nicht schweigen. Es geht uns alle an.“
Mehr Infos/Kontakt: Jawed Dostan, Mobil: 01578 2180022
Ausbildungsseminar: Helpline des RAA e.V. | 7. – 8. August von 10 – 17 Uhr | Dresden
Die „Helpline“ unterstützt seit Jahren in Sachsen Geflüchtete über direkte und unbürokratische Hilfen. Menschen können hier anrufen, um Unterstützung im Alltag, bei Behörden oder Anträgen zu erhalten. Dafür arbeiten Freiwillige mehrsprachig (Deutschkenntnisse sind zwingend notwendig), damit in Notsituationen schnell gehandelt werden kann. Jetzt werden für den Landkreis Meißen und die Region Sächsische Schweiz/Osterzgebirge neue Mitarbeitende gesucht! Diese können sich bis zum 23. Juli noch bewerben für ein Seminar, dass Interessierte entsprechend vorbereitet.
Mehr Infos/Zur Bewerbung – Menschen mit Migrationserfahrung, Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Nicht-Deutschmuttersprachler*innen möchten wir besonders zur Bewerbung ermutigen!
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Bildungsreferentin beim Genderkompetenzzentrum Sachsen | Bewerbung bis zum 25. August
Auch in diesem Stellenangebot werden vor allem Frauen of Colour angesprochen bzw. Frauen, die Migrationserfahrung besitzen. Das Genderkompetenzzentrum Sachsen unterstützt Gleichstellung auf allen gesellschaftlichen Ebenen im Freistaat. Jetzt sucht die Organisation eine Bildungsreferentin für das Projekt „Frauen im Dialog – Wege der Partizipation in der postmigrantischen Gesellschaft“.