Nachholende Schulbildung für Geflüchtete: Leere Versprechen der Landesregierung – Bildungsträger beweist in der Praxis wie es gehen kann

Für viele Geflüchtete war es im Herkunftsland unmöglich die Schullaufbahn zu vollenden. Öffentliche Angebote zum Nachholen des Schulabschlusses für volljährige Flüchtlinge gibt es in Sachsen aber kaum. Ausnahme: Donner und Partner, der Bildungsträger bietet seit April 2019 die Maßnahme „HaSu Next“ an.  Diese bietet nachhaltigen Zugang zum Arbeitsmarkt und besitzt Vorbildcharakter für alle Landkreise, wenn örtliche Jobcenter entsprechende Bereitschaft zeigen – hierfür braucht es ein Signal der Landesregierung.

„In meiner Heimat ist Krieg, ich hatte dort keine Chance auf einen guten Job. Ich möchte jetzt endlich arbeiten und eine Ausbildung beginnen, aber leider wurden meine Bewerbungen immer abgelehnt.“, schildert Fatimeh G. ihr derzeitiges Dilemma. Die Afghanin besitzt ein sehr gutes Sprachniveau und trotzdem waren ihre Mühen bislang erfolglos: „Ich wollte als Krankenschwester arbeiten, aber ohne Schulabschluss habe ich kaum eine Chance.“ Genau deswegen beginnt sie ab dem 01. November bei Donner und Partner die Maßnahme „HaSu Next“, um ihren Schulabschluss nachzuholen. Dafür nimmt sie auch den täglichen Fahrtweg von Döbeln nach Chemnitz in Kauf – denn andere Angebote dieser Art gibt es nicht.

Dabei galt Sachsen einst als Vorzeigebundesland bei der nachholenden Schulbildung volljähriger Geflüchteter. Bis 2016 durften sie hier eine Berufsvorbereitungsklasse bis zum 27. Lebensjahr besuchen und konnten dadurch einen Schulabschluss erhalten. Selbst restriktiv geführte Bundesländer wie Bayern schauten nach Sachsen und ließen sich vom Modell inspirieren. In 2016 fühlten sich Sachsens Berufsschulen mit vielen neu angekommenen Geflüchteten überfordert. Statt anhand der Herausforderung konstruktive Lösungen zu erarbeiten, beschloss das Kultusministerium kurzfristig die Altersgrenze ab dem Schuljahr 2016/17 auf 18 Jahre zu deckeln.

Damals wurde zwischen Kultus-, Arbeits- und Sozialministerium ein Kompromiss gefasst: Volljährige Geflüchtete erhielten fortan ein Bildungsangebot im Rahmen der Ausbildungsvorbereitung. „Inzwischen ist klar, dass dieses Programm mit dem vorherigen Berufsschulmodell nie mithalten konnte. Aktuell wird es wegen geringen Teilnehmer*innen-Zahlen ersatzlos abgewickelt. Warum? Weil kaum jemand eine Maßnahme besuchen wollte, welche am Ende weder Schulabschluss oder weiterführende Qualifikation einbringt.“, so Kristian Garthus-Niegel, er ist im Projekt RESQUE continued tätig, in dem der SFR seit Jahren Geflüchtete beim Erlangen einer qualifizierten Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt unterstützt.

Nach dem erfolgreichen Besuch von „HaSu Next“ können die Menschen dagegen nach 18 Monaten den einfachen bzw. qualifizierten Hauptschulabschluss erlangen. Während dieser Zeit wird auch auf den Praxisbezug sehr viel Wert gelegt, sodass bereits erste Teilnehmer*innen von der Maßnahme direkt in ein Ausbildungsverhältnis wechselten. Während der letzten Durchführung am Standort Chemnitz erlangten von elf Teilnehmer*innen acht Personen einen Schulabschluss, zwei erhielten anschließend einen Ausbildungsplatz. Das Projekt wird im November wieder an den Standorten Chemnitz, Dresden und Bautzen starten und ist auch für deutsche Staatsbürger*innen geöffnet.

Ähnliche Programme der Landesregierung: Fehlanzeige. Zwar versprach diese schon 2019 einen Ausbau kostenfreier Möglichkeiten der nachholenden Schulbildung für Geflüchtete in Sachsen, aber realisiert wurde nichts dergleichen. „Um das einstige Versprechen zu erfüllen, müsste das Rad aber gar nicht neu erfunden werden. Derlei Maßnahmen gibt es, die sächsische Arbeitsverwaltung müsste diese lediglich mehr fördern, als dies aktuell der Fall ist.“, erklärt Garthus-Niegel.

Das Beispiel „HaSu Next“ zeigt, dass es in Sachsen bereits kompetente und erfahrene Bildungsträger gibt, die mit solchen Maßnahmen an den Start gehen würden. Problem: örtliche Jobcenter müssten sich mehr zu einer wohlwollenden Finanzierungspraxis bekennen. Dafür wiederum ist eine aktive Steuerung seitens des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums und der Regionaldirektion Sachsen notwendig. So bilanziert Garthus-Niegel: „Mit einer derartigen Investitionsstrategie könnte die Kenia-Koalition ihr Versprechen – zum Wohl, der hier lebenden Migrant*innen sowie auch des sächsischen Arbeitsmarkts handeln zu wollen – ziemlich einfach gerecht werden.“

Kontakt:
Sächsischer Flüchtlingsrat
– Kristian Garthus-Niegel –
Koordination Resque continued
Tel.:     +49(0)351 – 796 651 57
Mobil: +49(0)176 – 427 286 23
Mail:   garthus-niegel@sfrev.de

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