Wider eines Erlasses des sächsischen Innenministeriums vom Dezember 2020 verteilen sächsische Ausländerbehörden weiterhin inflationär Duldungen zweiter Klasse, die sogenannte Duldung „light“, obwohl die betroffenen Personen oft gar nicht die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Doch das scheint sächsische Ausländerbehörden wenig zu interessieren. Nach einer Kleinen Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke) ist Sachsen mit 2087 Geduldeten zweiter Klasse mal wieder eines der Schlusslichter im Bundesvergleich. Die Geschichte von Khaled Khain* ist ein Schicksal von vielen, verursacht durch Willkür und Umsetzungsresistenz der sächsischen Ausländerbehörden.
„Bisher hatte ich nie Probleme in Deutschland Arbeit zu finden und kenne mehrere Firmen, die mich sofort anstellen würden, wenn ich die Erlaubnis bekäme. Mit der schlechten Duldung aber darf ich gar nicht mehr arbeiten und muss von Geld vom Sozialamt leben, obwohl ich es nicht will. Das Leben mit dieser Duldung ist so, wie sich im Kreis mit Handschellen zu drehen.“, berichtet Khaled Khain. Er kommt aus Libyen und floh 2014 aus seiner Heimatstadt, als Islamisten seine Heimatstadt eroberten. Das BAMF lehnte seinen Asylantrag dennoch ab. Abschiebungen nach Libyen sind aufgrund der dortigen Sicherheitslage und fehlender staatlicher Struktur nicht möglich.
Herr Khains libyscher Reisepass ist mittlerweile abgelaufen. Trotz jahrelanger Bemühungen gelang es Herrn Khain nicht von der libyschen Botschaft einen neuen Pass zu beschaffen. „Sozialamt und Ausländerbehörde wiederholen immer wieder, dass ohne Pass nichts geht. Ich habe aber schon längst eine Kopie meines abgelaufenen Passes eingereicht. In den letzten Jahren war ich mehrmals bei der Botschaft, die aber stets sagen, dass sie generell keine Pässe in Deutschland ausstellen.“, erklärt Herr Khain. Die Botschaft stelle aus technischen und organisatorischen Gründen keine Reisepässe aus – bei einem failed state wie Libyen ein gängiges Muster und der zentralen Ausländerbehörde in Sachsen bekannt. Die unteren Ausländerbehörden beharren dennoch auf die Pflicht zur Passbeschaffung und bestraften damit Menschen wie Herrn Khain mit einer Duldung zweiter Klasse, anstatt die politische Realität in Libyen anzuerkennen. Herr Khain hatte mehrere Jahre als Reinigungskraft für seinen Lebensunterhalt gesorgt, mit der Duldung „light“ ist ihm dies untersagt.
Restriktives Denken in Ausländerbehörden führt zu willkürlicher Bestrafung mit Duldung „light“
„Mit der Duldung zweiter Klasse bestraft die Ausländerbehörde Herrn Khain und 2000 weitere Menschen in Sachsen willkürlich anhand von Arbeitsverboten, Leistungskürzungen und Wohnsitzauflagen.“, erklärt Kristian Garthus-Niegel vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Die Bestrafung mit der Duldung „light“ ist willkürlich, fußt sie doch in vielen Fällen weder auf dem Boden des Aufenthaltsgesetzes, noch dem Erlass des sächsischen Innenministeriums vom Dezember 2020, welcher die Erteilungsvoraussetzungen genau definiert. Eigentlich geben die gesetzlichen Voraussetzungen es nicht her, eine Duldung zweiter Klasse zu verhängen, wenn die betroffene Person aktiv, wenn auch erfolglos, an der Passbeschaffung mitgewirkt hat.
„Von Staatsbürger*innen eines failed state zu erwarten – trotz arbeitsunfähiger Botschaft – einen Reisepass vorzulegen, ist schlichte Realitätsverweigerung“, so Garthus-Niegel. „Die Ausländerbehörden in Sachsen verfallen hier wieder in altbekannte restriktive Formeln. Das ist im Falle der Duldung „light“ oftmals rechtswidrig. Die Betroffenen werden mit der Duldung zweiter Klasse gegängelt und das nur, weil die Ausländerbehörden scheinbar umsetzungsresistent sind.“
Duldung „light“ abschaffen
Der SFR lehnt gemeinsam mit vielen Flüchtlingsorganisationen bundesweit die Duldung „light“ grundsätzlich ab. „Die Duldung ‚light‘ gehört aus dem Aufenthaltsgesetz gestrichen. Sie ist sozial und menschlich erbarmungslos und die Anwendung der Ausländerbehörden willkürlich. Bis zur Abschaffung der Duldung zweiter Klasse fordern wir die Ausländerbehörden auf, mindestens die Erteilungsvoraussetzungen ernst zu nehmen. Sie müssen die Mitwirkung an der Passbeschaffung von Betroffenen anerkennen, anstatt mit Duldungen zweiter Klasse um sich zu werfen“, so Garthus-Niegel.
Weiterführende Informationen: Wenn man denkt, es geht nicht schlechter, kommt die Duldung „light.
*Name geändert.
Kontakt:
Sächsischer Flüchtlingsrat
– Kristian Garthus-Niegel –
Mobil: 0176 427 286 23
Mail: garthus-niegel@sfrev.de