Newsletter 01/22: Besuch Zeltlager Mockau | Zuwanderung in 2021 | Polen: Gefahr für Geflüchtete | AZR-Speicherung rechtswidrig

Nach Kritik an Unterbringung: Besuch im Zeltlager Mockau III
Gemeinsam mit der Abgeordneten Jule Nagel und Anna Weißig vom Queer Refugee Network besuchten wir am 11. Januar die Erstaufnahmeeinrichtung Mockau III. Aktuell leben dort 277 Menschen. Im November letzten Jahres berichteten wir von gravierenden Missständen im Zeltlager: Übergriffe auf queere Personen, ausfallende Heizungen sowie nicht abschließbare WCs und Duschen trieben BewohnerInnen sogar in den Hungerstreik. Unsere Beobachtungen ergaben neben etwas Licht noch zu viel Schatten.

Zu Beginn ist zu erwähnen, dass die als queer registrierten Personen in andere Unterkünfte verteilt wurden. Diese sind inzwischen auf der Max-Liebermann-Straße bzw. in der für LGBTQIA+ zuständigen Gemeinschaftsunterkunft in Leipzig untergebracht. Der öffentliche Druck schien hier zu einem Umdenken geführt zu haben. Dennoch sind alle weiteren Bewohner*innen dieser Massenunterkunft unzureichend vor Übergriffen geschützt. Die Tatsache, dass die sanitären Einrichtungen immer noch nicht abschließbar sind, verstärkt diese Gefahr und ist für uns nicht hinnehmbar.

Die Heimleitung der Johanniter schien jedoch bemüht unter den gegebenen Umständen im Zeltlager (die Landesdirektion bevorzugt den Begriff „Leichtmetallbauten“) Verbesserungen herzustellen. In dafür hergerichteten Kabinen eines Zeltes sollen bald Sprach-, Sport- und Bildungskurse möglich sein. Dort befindet sich auch ein Gebetsraum. Weiter wurde mit einem „Frauencafé“ ein safe space für Frauen und Kinder errichtet.

Trotz teilweiser Verbesserung der Zustände im Camp: Bei einer Auslastung aller sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen von aktuell 54.1 Prozent (lt. Angaben der LDS) ist es nicht erklärlich, warum keine Unterbringung in festen Behausungen möglich ist. Deswegen fordern wir weiter die Schließung solcher Zeltlager, die vor allem im Winter für MitarbeiterInnen und BewohnerInnen ein gesundheitliches Risiko darstellen. Gerade wenn täglich neue Rekordinzidenzen erreicht werden und auch das RKI von solchen Unterbringungsformen abrät. Wir fordern daher weiter eine dezentrale Unterbringung aller Schutzsuchenden in Sachsen!

Hinweis: Zu Mockau III und dem generellen Zustand der Unterbringung von Geflüchteten in Sachsen hat der Kreuzer aus Leipzig am 21. Januar einen Artikel veröffentlicht, indem auch wir Stellung beziehen konnten.

Studie stellt fest: Datenspeicherung im Ausländerzentralregister rechtswidrig
Das Ausländerzentralregister (nachfolgend AZR) speichert über 26 Millionen personenbezogene Datensätze von Menschen aus dem Ausland, die sich länger als drei Monate in Deutschland aufhalten. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. hat eine Studie veröffentlicht, die bestätigt, dass der Datenschutz dieses Registers nicht mit dem Verfassungsrecht vereinbar ist. In der „Sammelwut“ der Behörden werden auch Daten gespeichert, die nichts mit der Migrationsverwaltung zu tun haben und Themen wie Innere Sicherheit oder Leistungsverwaltung betreffen. Weiter werden sensible Daten wie die Religionszugehörigkeit von Personen gespeichert, obwohl hierfür keinerlei Anlass besteht und somit gegen die DSGVO verstoßen wird. Das Gleiche gilt bei persönlichen Angaben im Asylverfahren zu Weltanschauung, psychischen Belastungen oder politischer/sexueller Orientierung, die ohne Angaben eines Grundes von sämtlichen deutschen Behörden abgefragt werden können. Es wird also beim Datenschutz von Geflüchteten mit zweierlei Maß gemessen: besonders vertrauliche und schutzwürdige Informationen unterliegen sonst strengen gesetzlichen Bestimmungen, für das AZR scheint dies nicht zu gelten.

Anstieg nach „Corona-Jahr“: Zuwanderungszahlen in Sachsen und bundesweit in 2021
Insgesamt 148.000 Erstanträge auf Asyl wurden letzten Jahres in Deutschland gestellt, wovon jeder fünfte Antrag auf hier geborene Kinder zurückgeht, berichtet der Mediendienst Integration. Noch immer bilden konfliktgeplagte Regionen Ursachen für die Flucht, so sind die drei Hauptherkunftsländer der Schutzsuchenden in 2021 Syrien, Afghanistan und Irak. Dass im Vergleich zum Jahr 2020 ein Zuwachs erfolgte, ist wenig verwunderlich, so waren während des ersten Pandemiejahres weitaus mehr Grenzen geschlossen/überwacht und Migration insgesamt eingeschränkt. In Sachsen ist für das letzte Jahr sogar eine Verdopplung der Zuwanderungszahlen im Vergleich zu 2020 zu verzeichnen. In faktischen Zahlen bedeutet dies, dass 9.342 Personen im Freistaat ankamen, was einem Bevölkerungsanteil von 0,23 Prozent gleichkommt. Ein Großteil dieser Personen floh über Belarus/Polen und erlebte Traumatisierendes.

Die Zahlen zeigen, dass trotz weltweit steigender Zahlen von Geflüchteten, langfristig Migration nach Europa abnimmt, weil die Festung Europa wächst. Über 2.000 Menschen starben im letzten Jahr im Mittelmeer, dabei sind dies nur Schätzungen. Auch die erfrorenen Schutzsuchenden in den Wäldern des Nachbarlandes Polen lassen sich nur erahnen, die Dunkelziffer der in Europas Verantwortung Sterbender dürfte weitaus höher sein. Politische „Antworten“ auf Migration wurden in 2021 zurecht zum Unwort des Jahres, denn illegale Pushbacks erfolgen an immer mehr Außengrenzen der EU.

Drei Stimmen aus der Presse:

  • Interview mit Clara Bünger: „Polen ist für Geflüchtete nicht sicher“ (Neues Deutschland)
    Im Gespräch erklärt die Bundestagsabgeordnete, dass sich im Land weder an EU- noch internationale Rechtsbeschlüsse gehalten wird. Es gibt gewalttätige Übergriffe auf Geflüchtete von polnischen Grenzkräften und Polizei, mit der Sperrzone einen 3 km breiten rechtsfreien Raum entlang der Grenze zu Belarus und wiederholt illegale Pushbacks. Wer das Landesinnere erreicht, ist auch nicht in Sicherheit, denn Schutzsuchende erhalten oftmals gar keine Chance einen Asylantrag zu stellen. Außerdem werden in den Aufnahmelagern Menschen inhaftiert und müssen dort mit bis zu 20 Personen in einem Zimmer leben. Noch immer frieren Hunderte in den Wäldern im Osten des Landes – bei andauernder politischer Untätigkeit droht eine humanitäre Katastrophe: „Die größten Leidtragenden sind die Geflüchteten, die im schlimmsten Fall deswegen sterben“, mahnt Clara Bünger zurecht!
  • So ist die aktuelle Lage an der deutsch-polnischen Grenze (Mitteldeutscher Rundfunk)
    Die Bundespolizei verzeichnet einen leichten Anstieg von Geflüchteten, die Sachsen im Januar erreichten. Daraufhin plant die Landesdirektion für Menschen, die zukünftig über die Route Belarus-Polen Sachsen erreichen könnten, noch mehr Zeltlager aufzustellen. Aktuell gelangen laut Grupa Granica aber maximal 10 Personen am Tag über die Grenze von Belarus nach Polen und in wenigen Wochen wird ein sechs Meter hoher Grenzzaun mit Nato-Stacheldraht aufgestellt. Dementsprechend unrealistisch scheint aktuell eine Wiederholung der Zugangszahlen aus dem Herbst 2021.
  • UN fordern von Taliban Aufklärung über Verschwinden von Aktivistinnen (ZEIT)
    In Afghanistan sind zwei Aktivistinnen verschwunden, die sich zuvor aktiv gegen das Kopftuchgebot der Taliban einsetzten. Tamana Sarjab Parjani meldete sich kurz zuvor in einem Videobeitrag und erklärte, dass die Taliban bereits vor ihrem Haus ständen. Wieviele Kritiker*innen seit der Machtübernahme der Fundamentalisten im August bereits entführt wurden, lässt sich nur schwer prüfen, da viele internationale Medien das Land verlassen haben. Bislang erfolgte in keinem Land eine Anerkennung der Taliban-Regierung und die Organisation steht weiterhin auf Terror-Listen bspw. in den USA. Dennoch drängen die Taliban um Legitimation, um Hilfsgelder von Staaten zu erhalten. Diese werden dringend benötigt, da aktuell 4.7 Millionen Menschen im Land Unterernährung droht. Erstmalig werden dafür aktuell Gespräche mit Vertreter*innen der EU auf europäischem Boden, in der Stadt Oslo geführt.

Veranstaltungstipp:

Gekommen um zu bleiben – Perspektiven nach abgelehntem Asylantrag | 09.02. | Online

Sicherer Aufenthalt in Deutschland ist für junge Menschen mit Fluchtgeschichte die Basis für eine positive Lebens- und Zukunftsentwicklung. Viele sind jedoch mit einer Ablehnung ihres Asylantrags konfrontiert. In der Begleitung und Beratung von Geflüchteten stellt sich daher nicht selten die Frage, welche Perspektiven anschließend bestehen. Deswegen bietet AGJF e.V. ein Online-Seminar dazu mit der Rechtsanwältin Vanessa Kayser, um genau hier Optionen für Betroffene aufzuzeigen.

Anmeldung und mehr Infos dazu HIER

Stellenangebote

BIPoC-Mitarbeiter für Jungenarbeit gesucht

Die Landesfachstelle für Jungenarbeit in Sachsen sucht Menschen für das neue Projekt „Bruder, was geht?!“. Hierfür wird eine Person gesucht, die Jungen und Heranwachsende im kritischen Umgang mit dem eigenen Geschlecht schult und andererseits beim Empowerment unterstützt. Es werden insbesondere Personen angesprochen, die selbst schon Diskriminierung erfahren haben und als role model gelten können.

Stellenbeschreibung (31h/Woche)

Sprach- und Integrationsmittler*in bei der AWO in Pirna

Für die Servicestelle der Sprach- und Integrationsmittler*innen in Pirna sucht die AWO zum nächstmöglichen Zeitpunkt, vorerst befristet für ein Jahr (mit der Option der Entfristung) eine*n Mitarbeiter*in:

Stellenbeschreibung (30h/Woche)

Drei Stellenangebote bei AGUIA e.V. in Chemnitz

Der AGIUA e.V., Bereich Migrationssozial- und Jugendarbeit schreibt aktuell verschiedene Stellen aus. Für das Projekt „Vielfalt schafft Gemeinschaft – Haus der Kulturen (HdK)“ wird eine Projektleitung sowie Mitarbeiter*in gesucht. Außerdem können sich Interessierte als Mitarbeiter*in für die „Soziale Betreuung von Flüchtlingen (SBF)“ bewerben. Bei Interesse findet Ihr die Stellenausschreibungen über die folgenden Links:

Projektleiter*in HdK (24h/Woche) | Projektmitarbeiter*in HdK (25h/Woche) | Projektmitarbeiter*in SBF (36h/Woche)

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