Uns erreichten kurz nach der Eskalation des russischen Angriffskrieges in der Ukraine mehrere Meldungen von Diskriminierungen flüchtender Rom*nja aus der Ukraine in Sachsen. Schnell wurde deutlich, dass diese bei Kontrollen der Bundespolizei gezielt kontrolliert wurden, falsche Informationen und kaum Hilfe bei der Unterbringung erhielten. Auch in Erstaufnahmeeinrichtungen Sachsens wurden sie angefeindet, sodass einige den Freistaat aus Angst wieder verließen. Um einen Überblick zu derlei Vorfällen in den letzten Monaten zu geben, veröffentlicht die neu gegründete Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA), nun einen gemeinsam erstellten Bericht. (Download hier)
Der Bericht der MIA stellt zu Beginn fest, dass die breite politische wie gesellschaftliche Solidarität mit Ukrainer*innen absolut zu begrüßen ist. Im Bericht wird aber der Wunsch geäußert: „[…],dass diese tatkräftige Unterstützung sowohl von staatlicher als auch von zivilgesellschaftlicher Seite allen Menschen zuteil wird, die nach Sachsen flüchten, unabhängig davon, aus welchem Land sie flüchten, welcher Religion, welchem Geschlecht, welcher sexuellen Orientierung oder welcher Volksgruppe sie angehören.“
So erlebten Rom*nja aus der Ukraine in Dresden, Leipzig und Görlitz Situationen, in denen Anfeindungen, die während der Flucht, nach dem Ankommen in Sachsens Erstaufnahmeeinrichtungen oder auch in ehrenamtlichen Strukturen stattfanden. Im Bericht heißt es dazu: „Ehrenamtliche Bürger*innen äußerten sich an dem Ort, an dem Hilfe für ukrainische Geflüchtete koordiniert wurde, abfällig über die anwesenden Rom*nja und meinten, diese seien doch keine Ukrainer und hätten keinen Anspruch auf Unterstützung.“ Derlei Behandlungen und das Absprechen der Schutzbedürftigkeit von Angehörigen einer Minderheit, machen deutlich, weshalb es die Arbeit der MIA dringend braucht.
Meldestelle für ganz Sachsen seit April aktiv
Anlässlich des Internationalen Tages der Roma am 8. April 2022 öffnete diese beim Verein Romano Sumnal e.V. in Leipzig. Das Ziel von MIA ist es, im Freistaat ein Monitoring zu betreiben, welches ein verlässliches Bild über Auftreten und Umfang von rassistischer Diskriminierung gegenüber Rom*nja und Sint*izza zu erhalten. Die gesammelten Daten werden mit denen bundesweiter Akteur*innen zusammengetragen, um dabei ein möglichst genaues Bild für ganz Deutschland zu entwickeln.
Dies wurde notwendig, denn auch in Sachsen kommt es immer wieder zu rassistischen Vorfällen gegenüber Rom*nja und Sinti*zze. So etwa, wenn Kulturveranstalter wie die Dresdner Jazztage sich über die Ablehnung der Fremdbezeichnung Z*** über die Mehrheit der Angehörigen von Sinti und Roma hinwegsetzt und deren Forderungen ins Lächerliche zieht. Oder wenn die Umbenennung einiger Kunstwerke der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die rassistische,
teilweise auch antiziganistische Titel tragen, auf vehementen Widerstand sogenannter „besorgter Bürger“ stößt. Oder wenn Fußballspiele sächsischer Fußballklubs von antiziganistischen Fangesängen begleitet werden. Antiziganismus (bzw. Antiromaismus) äußert sich aber auch viel subtiler, etwa durch verdachtsunabhängige Polizeikontrollen, durch die Vorenthaltung oder erschwerten Zugang zu staatlichen bzw. behördlichen Leistungen, durch Benachteiligung im Bildungswesen.
Bei der Meldestelle können sich nun sowohl Personen melden, die selbst einen antiziganistischen (antiromaistischen) Vorfall erlebt haben, als auch Menschen, die Zeug*innen eines solchen Vorfalls geworden sind Gjulner Sejdi, Vorsitzender von Romano Sumnal e.V., sagt: „Als Verband der sächsischen Roma und Sinti kämpfen wir seit Jahren gegen den Rassismus, der uns und unseren Menschen entgegen gebracht wird.“ Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus in Leipzig nimmt am 8. April 2022 ihre Arbeit auf.
Weitere Informationen dazu gibt es auf www.romano-sumnal.com und Kontakt zur MIA
können Sie auch persönlich in deren Büro in der Ludwigsburger Str. 14, 04209 Leipzig oder per E-Mail
(meldestelle@romano-sumnal.com) und Telefon (0341 24785244) aufnehmen.
Bildquellen
- roma-6161449_1920: Mikael Good/Pixabay