Landrat von Bautzen schürt Feindbild “Geflüchtete” – Unsere Stellungnahme

Wenn ein Landrat sich bundesweit auf die Suche nach ‘schockierenden’ Beispielen von Gewalt begibt, um das Bild von ‘gewaltbereiten Geflüchteten’ zu belegen, legitimiert er die Gewaltbereitschaft gegenüber den Geflüchteten – Wörter, die auf der Straße zu Schimpfwörtern und Gewalttaten werden. Aber macht sich Herr Witschas ernsthaft Gedanken darüber, wie er gegen unrechtsmäßige Gewalt -von wem auch immer- vorgehen kann? Es gäbe bessere und menschlichere Wege – man muss sie nur wählen und mit ALLEN diskutieren. Hier gibt es einige Vorschläge.

Der Landrat von Bautzen, Udo Witschas, meldete sich in der Zeitung seiner Behörde zu Wort und nährte das Bild der “kriminellen Migranten/Flüchtlinge”, indem er sich auf einige bundesweite Ereignisse bezog, die er offenbar recherchiert hatte. Später erklärte er der Sächsischen Zeitung, dass “das problematische Verhalten” von Migrant*innen wegen der “politischen Korrektheit” nicht angesprochen bleibe und “die mangelnde Reaktion der Bundesregierung” zu den aktuellen Umfragewerten der AfD führe. Zudem analysiert der Landrat, dass der Trend zur AfD in seiner Region nicht etwa an Existenzängsten der Menschen liegt, sondern viele Menschen empfänden “die gesellschaftliche Bevormundung, ob Heizung, Gendern, Verkehr […] als Affront.” Er “versteht” die AfD-Wähler*innen, die “spätestens in der Wahlkabine wissen, ihre Meinung auszudrücken” und die Wahlen seien auch dann demokratisch, wenn ein AfD-Kandidat gewählt wird – anders als beim Thema Fluchtmigration scheint er bei AfD-Wahlerfolgen keine Gefahr zu sehen.

Rassistische Anfreindungen, Pauschalisierungen und Hetze, die in seinem Wahlkreis im besonderen Maße vertreten sind, thematisiert der Landrat nicht. Obwohl (oder genau weil?) er zugibt, dass seinen Wähler*innen objektiv nicht schlecht geht, bedient er der nationalistisch-kulturellen Argumentation. Dass er dies tut, um dem Trend zu rassistischen Inhalten und der AfD vorzubeugen, ist weder ausreichend noch zutreffend. Politik ist kein Theater. Zudem sind solche Äußerungen von ihm nicht neu.

Wenn ein Landrat sich bundesweit auf die Suche nach ‘schockierenden’ Beispielen von Gewalt begibt, um das Bild von ‘gewaltbereiten Geflüchteten’ zu belegen, legitimiert er die Gewaltbereitschaft gegenüber den Geflüchteten – Wörter, die auf der Straße zu Schimpfwörtern und Gewalttaten werden.

Dass Herr Witschas sich auf seine Lokalität stützt, indem er sagt, ‘Wir im Osten sind nicht die dümmeren Deutschen – wir sind ein Vorwarnsystem…’, ist zudem populistisch und verkennt die Realität – was er ja immer ‘den anderen’ vorwirft. Denn auch Bautzen ist Teil einer globalisierten Welt. Wenn man die Globalisierung nutzt, ist alles gut. Sack bist du am anderen Ende der Welt, sack liegen die leckersten Früchte im Regal. Wie schön! Wenn es aber um Herausforderungen geht, die sich auch globalisiert haben, wird die Forderung nach einer ‘Renationalisierung’ sichtbar.

In diesem Sinne sind Geflüchtete ‘das’ Frühwarnsystem: In den Fluchtbewegungen spiegeln sich u.a. die Folgen einer auch von Deutschland ausgehenden Politik wider. Argumente gibt es hier genug, wenn man nur wissen will, wie sein Anzug oder Nutella produziert wird.

Menschen kommen aus Verhältnissen, in denen Krieg, Ausbeutung und Naturkatastrophen an der Tagesordnung sind, was unter anderem eine gesellschaftliche Auseinandersetzung in vielen Bereichen unmöglich macht. Weltweit sind 110 Millionen Menschen auf der Flucht. Wenn Herr Witschas eine solche Kontextualisierung vermissen lässt, dann ist das keine Folge von Bevormundung, sondern eine bewusste Entscheidung. Es ist eine rechte, populistische Politik von oben.

Das von Herrn Witschas gezeichnete Bild der ‘gewaltbereiten Migranten’ ist zudem sachlich falsch. Dies stellt u.a. Holger Wedemeyer, der CDU-Stadtrat in Radeberg fest. Herr Witschas greift bewusst auf ausgewählte Gewaltbeispiele zurück, ohne die vielen zu erwähnen, die dieses Land bereichern.

In Bautzen berichten Geflüchtete, dass sie sich auf der Straße nicht mehr sicher fühlen. Auch bei kleinsten zivilgesellschaftlichen Veranstaltungen muss immer wieder über Sicherheitsmaßnahmen nachgedacht werden und manchmal fühlen sich Veranstalter*innen gezwungen, Security zu beauftragen. Die Gefahr kommt von rechts und sie kommt nicht mehr schleichend. Das zeigt ein Blick auf die aktuelle Stimmung und Situation in Sachsen.

Macht sich Herr Witschas ernsthaft Gedanken darüber, wie er gegen unrechtsmäßige Gewalt -von wem auch immer- vorgehen kann? Es gäbe bessere, demokratischere und menschlichere Wege – man muss sie nur wählen und mit ALLEN diskutieren. Hier einige Vorschläge:

  • Gewalt wird oft durch patriarchale Strukturen legitimiert, die in allen Gesellschaften noch sehr präsent sind. Starke feministische Bewegungen könnten den von solchen Verhältnissen Betroffenen (insbesondere Frauen* und queere Menschen) eine Stimme geben. Diese Stimme könnte eine Verständigung über ‘nationale Grenzen’ hinweg fördern.
  • Viele Geflüchtete müssen monatelang in ‘Lagern’ oder schrecklichen Asylunterkünften leben, was unmittelbare Gewalt bedeutet und in nicht wenigen Fällen auch zu körperlicher Gewalt führt. Dies stellt eine enorme psychische Belastung dar – insbesondere nach traumatischen Erlebnissen und einer schweren Flucht. Stattdessen müssen Unterkünfte als Orte des Willkommens gestaltet werden.
  • Wirksame Wege der Integration in den Arbeits- und Wohnungsmarkt statt behördlicher Schikanen und struktureller Hindernisse könnten viele Menschen ermutigen, den Weg in die Gesellschaft zu wagen, statt sich in ihre kleinen und geschützten Räume zurückzuziehen.
  • Eine politische Bildung, die auf Kontextualisierung über nationale Grenzen hinweg setzt und die Dinge auf ihren Ursprung zurückführt, statt mit einfachen (oft kulturalisierten) Antworten einer Auseinandersetzung auszuweichen, hilft gegen die Verzerrungen des Populismus.
  • Auch von Bautzen aus kann eine gerechtere Welt ohne Ausbeutung und Kriege gefordert werden – oder zumindest keine Beteiligung Deutschlands daran, sei es durch Produktionsverlagerung in Billiglohnländer oder durch Waffenexporte. (aka Fluchtursachen)

Sehr geehrter Herr Witschas,

wenn Sie so einseitig “Migranten” ins Visier nehmen, betreiben Sie Hetze. Wenn Ihnen die nötige Kontextualisierung und Ideen zur humanitären Intervention fehlen, können Sie sich auch an migrantischen Organisationen wenden. Das wäre auch eine Idee.

Wir, Geflüchtete, sind nicht schuld daran, dass Bautzen -trotz seiner schönen Ecken und vielen guten Menschen- inzwischen als braunes, gefährliches Kaff verschrien ist. Dieses Image wird man nicht los, indem man nach unten tritt.

Wollen Sie es wirklich ändern, Herr Witschas? Arbeiten Sie mit ALLEN zusammen. Hören Sie ALLEN zu. Geben Sie sich nicht mit verkürzten und populistischen Antworten zufrieden. Ihrer geliebten Heimat zuliebe und damit niemand wegen Ihrer Hetze ihre*seine (Wahl-)Heimat verliert.

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