Verstärkte Grenzkontrollen führen dazu, dass Menschen alternative Wege suchen, die meist noch unwürdiger und grausamer sind. Kein Mensch flieht freiwillig. Dass verschärfte und brutalisierte Grenzkontrollen nicht dazu führen, dass weniger Menschen fliehen, zeigen auch die jüngsten Zahlen aus Italien: Dort kommen derzeit mehr Geflüchtete an als 2015 – und das trotz menschenrechtswidriger und tödlicher Pushbacks unter einer rechtspopulistischen Regierung. Darüber hinaus stellen Grenzkontrollen an den deutschen Binnengrenzen aufgrund der sogenannten „irregulären“ Migration einen Verstoß gegen EU-Recht dar. Unsere Pressemitteilung zu laufenden Debatten in Sachsen.
Aktuell werden fast täglich Gruppen geflüchteter Menschen in Ostsachsen aufgegriffen und registriert. Ihre Flucht ist damit zunächst zu Ende, den letzten Streckenabschnitt bis oder über die deutsche Grenze bewältigten sie größtenteils unter unwürdigen und gefährlichen Umständen, wie etwa in viel zu kleinen Transportern. Die anhaltend hohe Zahl neu ankommender Geflüchteten sowie die gefährlichen Umstände der Grenzübertritte befeuern in Sachsen seit geraumer Zeit eine Debatte über die sogenannte “Schleuserkriminalität” und die angebliche Notwendigkeit einer verstärkten Grenzsicherung. Mittendrin: der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU). Er argumentiert, man beobachte ein “zunehmend brutales und menschenverachtendes Vorgehen der Schleuser” und Grenzkontrollen dienten unter anderem dazu, das Leid an den Grenzen zu verhindern.
In einem Interview mit einem rechtskonservativen Online-Medium spricht der sächsische Innenminister fünfzig Minuten lang fast ausschließlich über das Thema Fluchtmigration mit den Stichworten wie “migrantische Kriminalität”, “Political-Correctnes-Maul” und “Notwendigkeit von Abschiebungen”. Anstelle einer Abgrenzung zu den aktuell rassistischen und rechten Demonstrationen gegen Asylsuchende in ganz Sachsen lobt er diese Tendenzen mit den Worten: “Die Sachsen merken die Dinge früher, sind viel sensibler und haben kein Political-Correctnes-Maul am Mund”.
“Es ist aus Sicht der Geflüchteten unerträglich und ein fatales Signal, wenn man sich die Äußerungen und insbesondere das Interview des sächsischen Innenministers in einem rechtskonservativen Medium anschaut”, sagt Osman Oğuz vom Sächsischen Flüchtlingsrat und fährt fort: “Vor allem Herr Schuster muss daran erinnert werden: Asyl ist ein Menschenrecht und die Würde des Menschen ist unantastbar.”
Verstärkte Grenzkontrollen führen dazu, dass Menschen alternative Wege suchen, die meist noch unwürdiger und grausamer sind. Kein Mensch flieht freiwillig. Dass verschärfte und brutalisierte Grenzkontrollen nicht dazu führen, dass weniger Menschen fliehen, zeigen auch die jüngsten Zahlen aus Italien: Dort kommen derzeit mehr Geflüchtete an als 2015 – und das trotz menschenrechtswidriger und tödlicher Pushbacks unter einer rechtspopulistischen Regierung. Darüber hinaus stellen Grenzkontrollen an den deutschen Binnengrenzen aufgrund der sogenannten „irregulären“ Migration einen Verstoß gegen EU-Recht dar.
Zu den unwürdigen Umständen, unter denen Geflüchtete die deutsche Grenze passieren, berichtet der Sprecher der Bundespolizeiinspektion in Berggießhügel: “Wer die Tür eines Transporters öffnet, schaut in die Gesichter vieler Flüchtlinge auf engstem Raum. Dann denkt man: Das ist doch völlig irre. Viele sind erschöpft und wirken apathisch. Sie reißen während der Fahrt die Gummidichtung aus den Türen, um mehr Luft zu bekommen.”
Oğuz weist auf diesen Erfahrungsbericht hin und sagt: “Ein Innenminister, der eigentlich zum Wohle aller Menschen in seinem Zuständigkeitsbereich handeln sollte, gefährdet Menschenleben in zweierlei Hinsicht: Zum einen zwingt er die Geflüchteten, noch schwierigere Wege zu finden, um die Grenze zu überwinden. Zum anderen spielt er mit diesem Diskurs den rechtspopulistischen und teilweise faschistischen Bewegungen in die Hände, die für viele Menschen in seinem Zuständigkeitsbereich eine massive Bedrohung darstellen.”
“Sichere Fluchtwege und humanitäre Hilfe statt Anfeindungen und Wahlkampf auf Kosten der oft mittellosen und sprachlosen Geflüchteten wären Ansätze für einen menschenwürdigen Umgang”, so Oğuz.