Liebe Mitmenschen,
am liebsten würden wir anfangen mit: „Boah, dieses Remigrationsgequatsche, was die da bei ihrem Geheimtreffen von sich geben, das kann doch nicht wahr sein!“ Wir wären gerne geschockt und erschüttert. „Das ist ja unglaublich!“ hätten wir am liebsten gerufen.
Aber leider sind wir nicht einmal ansatzweise schockiert.
Nicht nur, weil so etwas von der AfD und Teilen der Union schon lange ganz offen gesagt wird, sondern auch, weil die Bundesregierung schon lange einen ganz ähnlichen Kurs fährt.
Wir begrüßen, dass sich die Bundesregierung gegen den Rechtsruck stellt – aber was ist das bitte für eine Heuchelei, wenn in den gleichen Tagen ein Gesetz zur Erleichterung von Abschiebungen verabschiedet wird.
“Rückführungsverbesserungsgesetz“ heißt es – ein Euphemismus für Entrechtung, an den wir uns seit Monaten gewöhnt haben.
In Wahrheit handelt es sich um einen massiven Angriff auf die Grundrechte vieler Menschen: “Abschiebungsverschlimmerungsgesetz” könnte man es besser nennen!
Das neue Gesetz verlängert die Abschiebehaft auf 28 Tage und gibt der Polizei erweiterte Rechte bei der Suche nach abzuschiebenden Geflüchteten. Die Bewegungsfreiheit der Menschen wird weiter eingeschränkt und das sogar während eines laufenden Gerichtsverfahrens zum Asylantrag. Die Seenotretter*innen werden wegen „Beihilfe zur illegalen Einreise“ kriminalisiert, selbst wenn es sich um Kinder in Seenot handeln würde.
Liebe Mitmenschen,
die AfD und alle anderen rechten, rassistischen und flüchtlingsfeindlichen Kräfte rufen zum Töten an den Grenzen auf.
Der Ruf „Absaufen“ bei einer PEGIDA-Demonstration ganz in unserer Nähe bleibt noch in unseren Ohren.
Diesen Wahnsinn könnten wir ja ignorieren oder vergessen, wenn diese Gewaltfantasien nicht tagtäglich in die Tat umgesetzt würden.
Die Bundesregierung hat die Reform des GEAS, Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, vorangetrieben: Damit ist ein Teil der Träume von Faschisten unserer Zeit in Erfüllung gegangen. Mit der Reform will die EU bis zu 120.000 Menschen pro Jahr inhaftieren, weil sie sich auf die Suche nach einem sicheren Leben gemacht haben. Darüber hinaus beinhaltet die Reform zahlreiche Entrechtungen und eine erschreckende Vorbereitung sämtlicher Vertreibungs- und Inhaftierungspläne. An den Außengrenzen, wo die Situation bereits jetzt katastrophal ist.
In denselben Tagen meldeten sich viele regierende Politiker*innen zu Wort, um sich der ohnehin furchtbaren Entmenschlichung und Hetze gegen Geflüchtete anzuschließen.
Viele Grüne stellten sich hinter die Entrechtung von Geflüchteten, weil sie „moralisch schwierige Entscheidungen“ treffen und sich „zwischen Menschlichkeit und Machbarkeit“ entscheiden müssten. Applaus erwarten sie, weil sie sich dafür einsetzen, dass abzuschiebende Kinder mehr Zeit haben, sich von ihren Schulfreund*innen zu verabschieden. Zum Fremdschämen!
Bundesminister Scholz sprach von „Abschiebungen im großen Stil“ und in der meistgesehenen Talkshow berichtete die Co-Vorsitzende der SPD stolz über die steigenden Abschiebezahlen unter ihrer Regierung. Der andere Co-Vorsitzende setzte noch einen drauf und plädierte für die „Auslagerung von Asylverfahren in andere Länder“.
Für die FDP kommen die Geflüchtete nur, um „Deutschland auszunutzen“. Wörtlich schreiben die beiden Minister der Partei, dass “sogar eine Absenkung der Leistungen quasi auf Null denkbar“ wären. Offen wollen sie also Menschen unter das Existenzminimum drücken.
CSU und CDU unterstützen diese rechte Politik der Bundesregierung nicht nur, sondern bringen Vorschläge für noch schärfere Maßnahmen ein. Dabei häufen sich kulturalisierte Scheinargumente. Aus ihrer Sicht sollen wir wegen unserer vermeintlichen Rückständigkeit abgeschoben werden. So finden flüchtlingsfeindliche Einstellungen auch in der Mitte der Gesellschaft immer mehr Zulauf und sorgen für neue Dimensionen des Rassismus.
Das sind keine Maßnahmen gegen den Rechtsruck. Die Bundesregierung und die Unionsparteien betreiben aus eigener Motivation eine rechte, rassistische, menschenverachtende Politik gegen Geflüchtete und alle verarmten, besitzlosen Menschen in diesem Land und in dieser Welt!
Das tun sie ganz im Sinne der Politik der Europäischen Union!
Das ist kein Theater gegen Rechts – das ist die Wahrheit dieser Parteien!
Liebe Mitmenschen,
auf der einen Seite eine Politik, die die Armen noch ärmer macht, auf der anderen Seite Entrechtung und Hetze gegen Geflüchtete, begleitet von einem entsprechenden Diskurs. Dabei sind wir Geflüchtete von den gleichen Problemen betroffen wie die vielen Menschen in diesem Land, die tagtäglich zu mehr Prekarisierung und jeglichen Zukunftängsten verdammt werden.
Genau hier sind Ansätze gefragt, die uns zusammenbringen.
Lasst uns weder von der AfD und ihresgleichen noch von der Entrechtungs- und Abschottungspolitik der Bundesregierung spalten!
Lasst uns gemeinsam für eine Welt arbeiten, die gerechter, friedlicher und menschenwürdiger ist!
Liebe geflüchtete Freund*innen in Hör- und Reichweite,
die letzten Worte möchten wir unter uns behalten.
Es wird über uns geredet, diskutiert, gehetzt – ohne uns. Selbst in manchen Räumen, die sich auf eine Art Solidarität reduzieren, wird von uns nur erwartet, dass wir auf die Vorwürfe der “besorgten” Bürger*innen reagieren, indem wir mit möglichst breitem Lächeln unsere erfolgreichen Integrationsgeschichten abliefern oder uns hier und da rechtfertigen. Damit uns (Menschen-)Rechte anerkannt werden, sollen wir unsere Verwertbarkeit auf dem kapitalistischen Markt unter Beweis stellen.
Jeden verdammten Tag meldet sich ein anderer Politiker zu Wort, um die sogenannte „irreguläre“ oder „illegale“ Migration zu bekämpfen. Mauern werden hochgezogen gegen Menschen, die verarmen, die Kriegen und Katastrophen ausgeliefert sind. Es ist notwendig, klar zu benennen, was ist:
„Irregulär“ ist, Menschen immer schärferer Ausbeutung, Kriegen mit Waffen aus Deutschland, Katastrophen durch wahnsinnige Produktion auszuliefern.
„Illegal“ ist, verzweifelte Menschen auf der Suche nach einem Platz zum Leben in den Tod zu treiben, wie es die europäischen Grenzbehörden und ihre korrupten Verbündeten täglich an den Außengrenzen, im Mittelmeer oder in den Wüsten tun!
Liebe geflüchtete*r Freund*in,
Lass dich von all diesen Ereignissen nicht unterkriegen! Du bist nicht allein! Es gibt Menschen, die deine Wut und deine Angst verstehen. Lass uns unsere berechtigten Gefühle und Forderungen gemeinsam politisieren! Lass uns die Angst überwinden und eine gemeinsame Stärke aufbauen, die Hoffnung macht! Es ist unsere Aufgabe, uns zu schützen und für eine gerechte Welt einzutreten, in der niemand unterdrückt wird!
Xelas! Edi bes e! ¡Basta ya! Artık yeter! Enough! Es reicht!
Wenn Du Lust hast, dich an einem solchen Prozess zu beteiligen, dann melde dich bei uns, dem Sächsischen Flüchtlingsrat – wir haben einen Plan, den wir gemeinsam mit dir weiterentwickeln wollen. (Mail: pr@sfrev.de)
Bijî berxwedan! Yaşasın direniş! Yallah yallah Migrantifa!