Sechs Monate Job-Turbo für Geflüchtete: Zuviel prekäre Beschäftigung und wenig Praxistraining

Zum Jahreswechsel hat die Bundesagentur für Arbeit den sogenannten Job-Turbo eingeführt. Das Ziel: Die Jobcenter sollen Geflüchtete schneller in Arbeit bringen. Doch der Plan besitzt einige Haken: Weniger Zeit für Deutschkurs und Qualifizierung; weniger Beachtung von persönlichen Berufszielen und vermehrte Vermittlung in Helfertätigkeiten. Dabei belegen Studien, dass die Investition in Vorbildung langfristig zu fachgerechter und besser entlohnter Tätigkeit führt.

Arbeitsmarktintegration von Schutzsuchenden läuft immer besser

Seit Jahren zieht das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) immer wieder gute Bilanzen über die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter in Deutschland. Ende 2023 waren mehr als 20.000 von ihnen auf dem sächsischen Arbeitsmarkt sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Zwar ist belegt, dass Geflohene aus der Ukraine etwas langsamer in Deutschland Jobs fanden als in anderen Ländern Europas. Doch die Ursache hierfür liegt auf der Hand: Deutschland bietet umfangreiche Deutsch- und Qualifizierungsprogramme für Geflüchtete an, die eine faire und gute Beschäftigung fördern sollen“, erklärt Kristian Garthus-Niegel, Projektkoordinator von RESQUE forward. Dadurch verzögert sich zwangsläufig das Ankommen auf dem ersten Arbeitsmarkt im Vergleich zu Ländern wie den Niederlanden, Polen oder Großbritannien. In diesen Ländern werden Schutzsuchende aber auch häufiger in den Niedriglohnsektor bzw. in Zeit- und Saisonarbeit verwiesen.

Motto: „Hauptsache in Arbeit“ – Qualifizierungen werden Nebensache

Studien belegen, dass eine frühzeitige Investition in den Spracherwerb Geflüchtete zu höheren Qualifizierungen, anspruchsvolleren Erwerbstätigkeiten und besserem Lohnniveau führt. Ein übereilter Arbeitsmarkteinstieg dagegen führt oft nur zu geringfügigen und vorübergehenden Arbeitsverhältnissen. Dafür braucht es mehr als Integrationskurse – doch beim Job-Turbo fallen berufsbezogene Aufbaukurse einfach weg. Als Feigenblatt fungieren hier Berufssprachkurse, diese sollen – neben der Arbeit – in Teilzeit besucht werden.

Beteiligung der Wirtschaft bleibt elementar

Aber die Bildungsträger Sachsens sind beim Thema Job-Turbo eher passiv: „Eine alleinstehende Mütter aus der Ukraine wird bspw. schon längst von den Jobcentern in Hilfstätigkeiten vermittelt, aber seit sechs Monaten gibt es noch immer keinen einzigen neuen Berufssprachkurs in Sachsen“, sagt Garthus-Niegel.

„Wie sich Sachsens Unternehmen beteiligen ist entscheidend für den Erfolg des Projektes. Und obwohl bis 2030 in Sachsen rund 150.000 Arbeitskräfte fehlen, reagieren die Betriebe noch verhalten. Denn diese schätzen zu geringe Sprach- und Bildungsqualifikationen als Risiko bei der Einstellung Geflüchteter ein“, führt Garthus-Niegel aus. „Der Motor des Job-Turbo wird dadurch von einfachen, manuellen und spracharmen Tätigkeiten – wie der Reinigung, Lagerarbeit oder Landwirtschaft – angetrieben.“

Sachsen attraktiver für arbeitende Geflüchtete machen!

„Bereits jetzt wandern Geflüchtete vermehrt von Sachsen und Deutschland wegen unattraktiven Arbeitsbedingungen ab. Doch der Arbeitsmarkt muss ohne Diskriminierung gleiche Bedingungen für alle schaffen – auch für Geflüchtete“, so Garthus-Niegel weiter. Genau dies wurde bei der Verabschiedung vom Bürgergeldgesetz erkannt. Deswegen wurde an Stelle der schnellstmöglichen Vermittlung bei Hartz IV vermehrt auf Qualifizierung und Weiterbildung gesetzt. „Mit dem Job-Turbo schleicht sich nun ein Vermittlungszwang zurück durch die Hintertür – und zwar nur für Geflüchtete.“

Es ist zu befürchten, dass der Job-Turbo die gegebene Prekarisierung verstärken wird. Wir rufen daher Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften in Sachsen eindringlich dazu auf, sich für faire Arbeitsbedingungen sowie gute Möglichkeiten des Deutschlernens und der individuellen Qualifizierung für Geflüchtete einzusetzen.

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