Während Dresden die meisten Ausbildungsduldungen erteilt, hinkt Leipzig hinterher
„Nach einheitlichen Kriterien werden Ausbildungsduldungen in Sachsen nicht erteilt.“ kommentiert Dr. Gesa Busche die Zahlen zu erteilten und abgelehnten Duldungen zum Zweck der Ausbildung. Im August 2016 trat die Ausbildungsduldung im Rahmen des Integrationsgesetzes in Kraft. Vor einer willkürlichen Entscheidungspraxis, die die Abschiebediktion tendenziell höher als Integrationsbemühungen wertet, warnten im Mai letzten Jahres bereits mehrere Landesflüchtlingsräte. Aktuelle Zahlen zeigen nun, dass die Warnungen nicht bei allen gehört wurden.
Seit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes haben in der Summe 156 vollziehbar ausreisepflichtige Menschen eine entsprechende Duldung erhalten, in 54 Fällen wurde der Antrag abgelehnt. „Allein diese Zahlen sprechen dafür, dass das Instrument der Ausbildungsduldung nicht den Effekt hat, den sich Bundesgesetzgeber wie Industrie- und Handelskammern erhofften.“ so Dr. Busche. „In Sachsen lebten am 31. Juli 2018 11.529 vollziehbar ausreisepflichtige Menschen, 2.630 Menschen ohne Duldung. Selbst wenn nicht jede*r dieser Personen eine Ausbildung anstreben wird – da ist noch Potential nach oben.
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In der Gesamtheit zu wenig, doch in der Relation offenbart sich erstaunliches. Ein Blick in die Entscheidungspraxis der 13 kreisfreien Städte und Landkreise zeigt: Dresden ist Spitzenreiter, wenn es um erteilte Ausbildungsduldungen geht. Mit 42 Erteilungen hat Dresden in 91,3 Prozent der entschiedenen Anträge die Ausbildungsduldung gewährt, vier Mal traf die Ausländerbehörde eine negative Entscheidung. Der Anteil der positiv entschiedenen Anträge in der größeren kreisfreien Stadt Leipzig liegt dagegen bei etwas mehr als 50 Prozent (vgl. Abb. 1). Im Vergleich zu Dresden muss diese Quote wie die absolute Zahl von 24 erteilten Ausbildungsduldungen als vergleichsweise gering bewertet werden. Überdurchschnittlich viele Ausildungsduldungen gewähren auch die Landkreise Nordsachsen (21 absolut / 13,5 Prozent aller erteilten Ausbildungsduldungen in Sachsen (vgl. Abb. 2 und 3)), Meißen (16 absolut / 10,3 Prozent aller erteilten Ausbildungsduldungen in Sachsen) und das Vogtland (12 absolut / 7,69 Prozent aller erteilten Ausbildungsduldungen in Sachsen). Die Landkreise Bautzen und Görlitz enttäuschen mit jeweils nur einer erteilten Ausbildungsduldung. „Diese Differenzen zeigen: es herrschen unterschiedliche Rechtsauffassungen in den Ausländerbehörden vor. Auch die Erfahrungen aus den Beratungsstellen liefern Erklärungsansätze. Manchmal hängt bereits von dem*der Sachbearbeiter*in und seinem*ihren persönlichen Sympathien oder Antipathien ab, ob Anträge gewährt werden oder nicht. Im Zweifel muss das als Willkür bewertet werden.“ so Dr. Busche.
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Das eine derartige Varianz in der Entscheidungspraxis Einzug halten wird, war eine lang gehegte Befürchtung. Bereits im Mai 2017 veröffentlichten mehrere Landesflüchtlingsräte ein Positionspapier, in dem sie auf ungenaue Formulierungen im Bundesrecht hinwiesen – und die durch gut durchdachte Ländererlasse hätten ausbalanciert werden können. So hängt es im schlimmsten Fall von der einzelnen Ausländerbehörde ab, wie sie die Regelung interpretiert, dass die Duldung nur dann erteilt wird, wenn „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen.“ (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 4 Aufenthaltsgesetz). Der eigenen, dominierenden Entscheidungspraxis widersprechend begründete beispielsweise die Ausländerbehörde Dresden im Fall eines Familienvaters, dass eine Abschiebung des albanischen Staatsbürgers ohne Weiters möglich sei weil dafür ja Laissez-Passer-Papiere ausgestellt werden könnten, also ein Reisedokument für Menschen ohne gültige Reisepapiere (vgl. PM des SFR vom 11. Januar 2018). „Dann wären alle Menschen von der Ausbildungsduldung ausgeschlossen gewesen, für deren Abschiebung ein Laissez-Passer genügt hätte.“ meint Dr. Busche. „Glücklicherweise wurde diese Entscheidung durch die Landesdirektion korrigiert.“
Eine weitere Hürde stellt die Erteilung des Beschäftigungsverbots dar – ein weiterer Sachverhalt, der geprüft werden muss, bevor Geflüchtete ihre Ausbildung beginnen können. Sechs Mal gelang es beispielsweise Leipziger Geflüchteten nicht, diese Hürde zu überwinden, so das Innenministerium in der Antwort auf die Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, DIE LINKE, im Sächsischen Landtag (vgl. Drs. 6/14433) . Auch diese Frage: Auslegungssache. In einem Fall korrigierte schlussendlich das Verwaltungsgericht Leipzig die Negativentscheidung. Für den afghanischen Staatsbürger sah es die Ansprüche der Ausländerbehörde, die sie an seine Mitwirkungspflichten legte, als zu hoch an.
Das im Mai 2017 veröffentlichte Positionspapier mehrerer Landesflüchtlingsräte hier.
Kontakt
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01097 Dresden
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