Pressespiegel zur Asylpolitik vom 21. Januar 2020

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 21. Januar 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt.

  • Im Ionischen Meer zwischen Griechenland und Italien sind vorvergangenes Wochenende Menschen auf ihrer Flucht ertrunken. Letzte Medienberichte gehen von zwölf Toten aus. Vor der griechischen Insel Chios in der Ägäis ertranken elf Menschen, acht wurden gerettet.
    ZDF (12.01.20)

 

  • Griechenland und Italien müssten unterstützt werden, sagt der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert und die Düsseldorfer Leiterin des Amtes für Migration und Integration, Miriam Koch, bekräftigt: „Das Sterben im Mittelmeer hat kein Ende gefunden.“ Stellvertretend für 120 Kommunen erneuern sie die Forderung, dass Platz ist. Die Seebrücke-Bewegung hatte das Bündnis „Städte sicherer Häfen“ maßgeblich gepusht, das Bundesinnenministerium stellt sich bei der Aufnahme jedoch quer. Am 28. Januar soll es nun ein neues Treffen zwischen Ministerium und Vertreter*innen der Kommunen geben.
    Migazin (14.01.20)

Bund, Land, Kommune

  • Letzte Woche landeten 37 Menschen in Kabul, Afghanistan, die Deutschland abgeschoben hatte. Es war die 31. Sammelabschiebung seit Dezember 2016. Aus Sachsen waren drei Personen betroffen, teilte der SFR in einer Pressemitteilung mit. Eine Person wurde direkt vom Arbeitsplatz, einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete, geholt. Die neue, sächsische Koalition aus CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SPD hatte versprochen, dass dies künftig nicht mehr geschehen solle. Dem Innenministerium ist es offenbar nicht an Eile gelegen, gerade zu solch existentiellen Fragen Minimalvereinbarungen umzusetzen. Umso wichtiger ist es, wenn in Landtag und außerparlamentarischer Opposition ein genaues Auge auf das Ministerium geworfen und auf schnelle und transparente Umsetzung gedrängt wird! In Leipzig hatte das Aktionsnetzwerk Protest LEJ gegen die Abschiebung protestiert. Etwa 100 Menschen zeigten, dass Abschiebungen in den Krieg nicht zu akzeptieren sind: „Mit unserer Demonstration wollen wir deutlich zeigen, dass wir uns gegen diese menschenfeindliche Abschiebepraxis stellen – immer und immer wieder.“ Siehe auch Interview mit Protest LEJ unter „Hintergrund und Meinung“.
    ntv (15.01.19)
    LVZ (13.01.19)

 

  • Gegenüber der Türkei hatte Deutschland versichert, monatlich bis zu 500 besonders schutzbedürftige Geflüchtete aufzunehmen. Letzte Woche landeten 254 Menschen zumeist syrischer Staatsbürgerschaft in Hannover. Sie werden auf die Bundesländer verteilt.
    SZ (14.01.19)

 

  • Die Zuwanderung nach Deutschland ändert sich – mehr Migrant*innen, weniger Geflüchtete kommen. Im Jahr 2018 erreichten insgesamt 1,59 Millionen Menschen aus unterschiedlichen Gründen die Bundesrepublik. Im Jahr 2019 wiederum stellten 142.509 Menschen erstmals einen Asylantrag. Das Bundesinnenministerium hat derweil seine Zählweise der Anträge geändert und gibt eine Zahl von 111.094 an. Hintergrund ist, dass Minderjährige, die in Deutschland geboren wurden und für die ein Asylantrag gestellt wurde, nicht mehr eingerechnet werden. Das Innenministerium möchte künftig nur die Zahl der „förmlichen, grenzüberschreitenden Asylanträge“ angeben. Kritik kommt daran vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Migration und Integration. Die Vergleichbarkeit zu den Vorjahren gehe verloren.
    SZ (08.01.20)

 

  • Sachsen-Anhalt traut sich was – nämlich EU-Recht zu brechen. Abschiebehaft soll künftig in Justizvollzugsanstalten vollzogen werden. Das nicht minder rechtlich hochproblematische Hau-Ab-Gesetz von Horst Seehofer vom Sommer 2019 macht es möglich. Die Süddeutsche Zeitung glänzt auch nicht, wenn sie einen Artikel zur Haft ohne Straftat unter der Kategorie „Kriminalität“ führt.
    SZ (15.01.20)

 

  • Berlin traut sich auch was – und ersetzt die Ausländerbehörde durch ein Landesamt für Einwanderung.
    Berliner Morgenpost (15.01.20)

 

  • Drei Menschen sind aus der Dresdner Abschiebehaft geflohen, die Sächsische Zeitung berichtete gut informiert wenige Stunden nach Ausbruch am Samstag Nachmittag exklusiv. Später stellt sich nach Angaben der Behörden heraus: die drei kletterten schlicht über den Zaun. Die Menschen sind nach wie vor auf der Flucht. Gestern gab die Landesdirektion eine Pressekonferenz. Sie will nun die baulichen Gegebenheiten verändern und das Personal verstärken. Klar ist: Gefängnisausbruch ist keine Straftat, das deutsche Recht erkennt den Freiheitsdrang des Menschen an. Der SFR kommentierte auf Twitter: „Let’s put it this way: #FreedomOfMovement is everybody’s right!“ Nach dem Hungerstreik vom Januar 2019, den Misshandlungsvorwürfen vom Juli und nun dem Ausbruch, wieder Januar, hat sich Sachsen nach gut einem Jahr mit der Abschiebehaftanstalt keinen Gefallen getan, meinte der SFR gestern in einer PM. Die Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden hatte es im Vorfeld der Pressekonferenz der Landesdirektion bereits auf Twitter angekündigt: einer der Entflohenen wird im Februar Vater eines Kindes deutscher Staatsbürgerschaft. Gestern Abend legte die Kontaktgruppe in einer weiteren PM nach. Die Freundin und Kindsmutter erlitt beim Besuch des Vaters ihres Kindes am 15. Januar vorzeitige Wehen, sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Die Kontaktgruppe schreibt: „Im Krankenhausbericht aus der Notfallbehandlung ist vermerkt: ‚unmittelbar voraus gegangene, psychische Belastung.‘ Am 18. Januar klettert Herr H. über den Zaun.“
    Sächsische Zeitung (19.01.20)
    Sächsische Zeitung (20.01.20)
    …und viele mehr.

 

  • Die Pressemitteilung des SFR zu neuen Zahlen aus den sächsischen Lagern nahm das neue deutschland zum Anlass, die hiesige Asylpolitik und die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Eine Abkehr von der Lagerpolitik sei anhand der Zahlen nicht zu erkennen, wird der SFR zitiert. Wo Arbeit und Asyl ineinandergreifen, gibt es positive Veränderungen, die Ausbildung Geflüchteter soll gestärkt und auf rechtssicheren Boden gestellt werden. Bei der Abschiebehaft bleibt alles beim alten (außer jetzt halt ’nen höheren Zaun…), dafür soll es ein bisher nicht weiter konkretisiertes „Abschiebemonitoring“ geben. Das Sächsische Integrations- und Teilhabegesetz biete „viel Potential“ für die neue Landesregierung, so der SFR. Der Dachverband Sächsischer Migrantenorganisationen (DSM) setzt vor allem darauf, dass Bildungsabschlüsse aus dem Ausland schneller anerkannt werden.
    neues deutschland (10.01.19)

 

  • Die Psychosozialen Zentren, die in Sachsen Geflüchtete beraten, werden auf Projektbasis finanziert. Das bedeutet, dass sie langfristig nicht sicher kalkulieren können. Das sei aber enorm wichtig, seien doch Therapien darauf angewiesen, nicht unterbrochen zu werden. Was Geflüchtete in ihrem separaten, auf dem Asylbewerberleistungsgesetz basierenden, rassistischen Gesundheitssystem erwartet, würde auch gesunde Menschen an den Rand der Verzweiflung bringen. Bei Geflüchteten ist von einem Anteil von bis zu 75 Prozent auszugehen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, die Angaben zum Anteil derer mit Posttraumatischer Belastungsstörung schwanken um die 40 Prozent. Katja Eisenkolb vom PSZ Dresden spricht von hohen Kosten, einer unübersichtlichen Bürokratie und einer unklaren Sachlage, die Geflüchtete zu bewältigen hätten. Ein weiteres Problem: die Sprachmittlung. Paradoxerweise bedeutet der Wechsel vom Asylbewerberleistungsgesetz in die Krankenkassenversorgung, dass ausgerechnet dann der Anspruch auf finanzierte Sprachmittlung verloren geht. Für Therapien ist professionelle Übersetzung nur unabdingbar. Es kommt dann vor, dass Therapien unterbrochen werden müssen – was so ziemlich katastrophal ist. Wenn das System aka Bundesrecht so daneben ist, müssen wenigstens die Strukturen für Geflüchtete auf Landesebene langfristig gesichert sein!
    MDR (18.01.20)

Hintergrund und Meinung

  • Im Interview mit der jungen welt berichtet das Aktionsetzwerk Protest LEJ über den letzten Protest gegen Abschiebungen nach Afghanistan und die allgemeine Arbeit. Protest LEJ existiert seit 2016. Damals wurde vor allem der Flughafen Leipzig/ Halle (LEJ) direkt protestiert. Inzwischen gab es eine Art Neugründung, Anlass war die aufsehenerregende Abschiebung eines Menschen syrischer Staatsbürgerschaft nach Spanien im Juli 2019, wogegen etwa 500 Menschen auf der Leipziger Hildegardstraße protestierten, gibt das Netzwerk an. Protest LEJ betonen, dass es eben nicht Straftäter*innen und „Gefährder*innen“ seien, die ausschließlich abgeschoben werden. Diese Kategorien sollen die Abschiebungen lediglich legitimieren, als ob strafrechtlich verurteilte Menschen keine Rechte hätten. Nein, tatsächlich werden seit Langem potentiell alle alleinstehenden Männer nach Afghanistan abgeschoben. Weiterhin erhebt Protest LEJ erneut die Forderung nach einer unabhängigen Abschiebebeobachtung in Leipzig / Halle. Das Netzwerk höre immer wieder von Gewalt im Sicherheitsbereich.
    junge welt (17.01.19)
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