SFR Newsletter 08/2021

Plauen. Gerade in kleineren Städten Sachsens ist demokratische Bildungsarbeit in Sachsen existentiell, um rechtsextreme Strukturen einzudämmen. Mit dem Ziel eines weltoffenen Miteinanders gründete sich im November 2020 auch ein „Runder Tisch für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage im Vogtlandkreis“. Für 2021 wurden für dessen Arbeit Mittel in Höhe von 8.000 Euro beantragt. Doch der Zuspruch dieser Gelder wurde im Plauener Stadtrat abgelehnt – durch die Stimmen von CDU, AfD und des III. Wegs. Es folgte ein Shitstorm für die ChristdemokratInnen vor Ort.
Denn der III. Weg ist eine im Plauener Stadtrat vertretene Partei, die eindeutig von der Ideologie der NSDAP beeinflusst wird. Seit ihrer Gründung im Jahr 2013 ist sie, besonders durch die Organisation von Demonstrationen, in Plauen sehr aktiv. Um solchen Tendenzen in der Stadt entgegenzuwirken, gründete Ehrenamtliche 2017 den Colorido e.V., der sich für ein demokratisches Miteinander und gegen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Diskriminierung und Homophobie einsetzt. Der Verein zeigt sich nach der Entscheidung im Stadtrat geschockt und bilanziert in einem offenen Brief: „In unserer Stadt, in der sich antidemokratische Gruppierungen und Parteien austoben können, ist das ein fatales und unwürdiges Signal.“

Pakistan. Im März schlug die Inhaftierung des pakistanischen Christen Faisal Jahangir Wellen über Sachsen hinaus. Auch Ahmadis, eine muslimische Minderheit, sehen sich in Pakistan flächendeckender Diskriminierung, Repression und gezielten Tötungen gegenüber. Nach Informationen von Aktion Bleiberecht hat die Bundesregierung allerdings bereits für den 20. April und den 18. Mai 2021 Sammelabschiebungen nach Pakistan geplant. Menschen aus der ahmadischen Community sollen in den Fliegern sitzen. „Die Abschiebehaft und die geplanten Abschiebungen von Herrn A. und Herrn S. veranschaulichen die Absurdität und Grausamkeit des ‚Verwaltungsakts‘ Abschiebung“, erklärt Angela Müller vom vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Die Männer befinden sich zurzeit in Abschiebehaft in Ingelheim und Darmstadt. Welche Geschichten verbergen sich hinter den Kürzeln? Lest weiter in unserer Pressemitteilung.

Zahlen und Grafiken: Abschiebehaft. Waren im zweiten Quartal 2020 keine Menschen in Dresdner Abschiebehaft, schien ab dem 01. Juni 2020 zumindest auf der Hamburger Straße 15 die Pandemie vorbei. Im zweiten Halbjahr 2020 wurden 31 Menschen inhaftiert, zehn im dritten, 21 im vierten Quartal. Womit der Knastbetrieb fast wieder auf dem Vor-Corona-Level ist. Insgesamt mussten nun 205 Menschen die Abschiebehaft Dresden seit ihrer Einrichtung am 03. Dezember 2018 von innen sehen. Durchschnittlich wurde seither alle 3,7 Tage ein Mensch inhaftiert.

Bei der Staatsangehörigkeit der Menschen liegt der Anteil jener mit tunesischer Staatsbürgerschaft bei einem Fünftel aller jemals Inhaftierten. Menschen marokkanischer und georgischer Staatsbürgerschaft folgen. Was das Tortendiagramm in zynischer Weise offenbart: wohl kein Ort in Dresden, wenn nicht Sachsen, ist derart international wie die Abschiebehaft. Wobei die Staaten des Westens fehlen. So offenbart das Diagramm auch den Kern von Abschiebehaft: Rassismus und Neo-Kolonialismus.
 
Sächsische Ausländerbehörden – hier insbesondere die Landesdirektion – beantragen mehr als die Hälfte der in Abschiebehaft Dresden vollzogenen Freiheitsentziehungen. Spannend ist, dass die Bundespolizei inzwischen zehn Prozent der Haftanträge stellt, welche beschlossen und in Dresden vollzogen werden. Hier ist ein gradueller Anstieg festzustellen. Bei den Ländern folgen nach Sachsen die Nachbarn Sachsen-Anhalt und, tatsächlich an dritter Stelle, das rot-rot-grün geführte Thüringen.
Die Sicherungshaft bleibt mit zwei Drittel Anteil an den Haftarten das wichtigste Instrument für die Behörden. Die Überstellungshaft – für Menschen erdacht, die unter die Dublin-III-Verordnung fallen und innerhalb Europas abgeschoben werden – kommt mit 15 Prozent an zweiter Stelle. Der Ausreisegewahrsam – eine maximal zehntägige Abschiebehaft – folgt mit 13 Prozent.

Drei Stimmen aus der Presse

1) Schutzstatus durch Gerichte (taz)
Aus einer Antwort des BMI auf Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass insgesamt gegen fast 73% aller ablehnenden Bescheide des BAMFs geklagt wird. Im letzten Jahr wurden 68.061 Bescheide gerichtlich überprüft, davon erklärten Gerichte 21.224 der Bescheide für rechtswidrig. Das sind rund 31%! Faktisch wurden so rund einem Drittel der Klagenden ein Schutzstatus per Gericht zugesprochen, der ihnen vorher durch die Behörden abgesprochen wurde. Bei dieser inakzeptablen Entscheidungspraxis des BAMFs sollten wir uns fragen, ob das nur an fehlendem fachlichen Handeln liegt oder schlichtweg kein Wille der Behörden vorhanden ist. Auch Ulla Jelpke, Linke-Innenpolitikerin im Bundestag fordert eine Änderung der Entscheidungspraxis und der Qualitätskontrollen und fordert das BAMF auf, beklagte Bescheide bei Herkunftsländern mit überdurchschnittlicher Fehlerquote von sich aus überprüfen. Mehr.

2) Warum starb ein 19-Jähriger in Polizeigewahrsam? (tagesschau)
Qosay Kh. wird beim Rauchen von Gras im Park von der Polizei erwischt, in Gewahrsam genommen & stirbt. Das Gutachten der Familie zeigt viele Verletzungen, ein Zahn & die Zungenspitze fehlen. Die Staatsanwaltschaft erkennt keine Fremdeinwirkung, der Polizeipräsident ebenfalls nicht. Der Freund von Qosay Kh. schildert die Situation ganz anders. Die Anwältin der Familie sagt im Interview: „Das war ein gesunder, munterer, kräftiger 19-jähriger Jugendlicher, der keinerlei Anzeichen gezeigt hat, körperlich beeinträchtigt zu sein, geschweige denn, dem Tode nachzustehen.“ Mehr.

3) „Das rächt sich in der Pandemie“ (SPON)
Eigentlich können sich Asylbewerber*innen wohnhaft in Sammelunterkünften seit Ende Februar impfen lassen. Die Umsetzung in den Bundesländern hakt stark. Es fehlt an Sprach- und Informationsmittlung. Der Spiegel hat eine Bestandsaufnahme gemacht und hält fest: „In keinem
Bundesland hat die flächendeckende Impfung von Geflüchteten bereits begonnen, noch immer haben nicht alle ein Konzept erarbeitet.
Für Sachsen haben wir Ende März eine Übersicht erstellt. Insgesamt ernüchternd. Mehr.

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