Newsletter 13/2021: Reform sächsische Abschiebepraxis!/Pilotprojekt für Bleiberecht!/Pushbacks aus EU legalisiert!/Kundgebung Dresden für Stanislav Tomáš 05.07.

Erneut müssen wir den Newsletter mit Berichterstattungen über Abschiebungen beginnen. Denn leider ist die sächsische Abschiebemaschinerie in vollem Gange. Weder globale Pandemie noch wachsendes Engagement der Zivilgesellschaft gegen die inhumane Praxis, scheinen das Getriebe ins Stottern zu bringen – noch. Denn Stimmen für mehr Bleiberechtsoptionen werden lauter, jetzt muss die Landespolitik entsprechend reagieren! Eine Möglichkeit: das in diesem Newsletter erwähnte Pilotprojekt „Wege ins Bleiberecht“ aus Hannover.

Dresden/Radebeul/Pirna. Auch am 01.07. fand eine nächtliche Sammelabschiebung von Sachsen nach Georgien statt. Erneut betraf es Familien mit Kindern, obwohl Staatsministerin Köpping, nach den Vorfällen um die Abschiebung vom 10. Juni, einen Abschiebestopp für diese durchsetzen wollte. Deswegen fordern wir in einer gemeinsamen Mitteilung mit dem Georgischen Kulturzentrum Dresden, der Initiative „Bring back our Neighbours“, der AG Asylsuchende SOE e.V. und dem Bündnis Buntes Radebeul e.V endlich eine Reform der inhumanen Abschiebepraxis in Sachsen. Besonders Vulnerable in der Nacht durch Abschiebungen zu traumatisieren entbehrt sämtlicher moralischer Grundlage. Zusätzlich zweifeln wir die Rechtmäßigkeit von Familientrennungen an. Es braucht endlich sichere Bleibeperspektiven für Menschen, die sich hier längst ein Leben aufgebaut haben. Mehr dazu.

Berlin. Der Novelle eines Gesetzes zur Speicherung von persönlichen Informationen im Ausländerzentralregister wurde am 25.06. auch vom Bundesrat zugestimmt. Jetzt ist eine behördenübergreifende Sammlung von Daten Schutzsuchender möglich. Genau vor solch einer Praxis hatten wir mit anderen Flüchtlingsräten und Pro Asyl ausdrücklich gewarnt. Denn: der grund- und europarechtliche Schutz des Privatlebens und die Datenschutzgrundverordnung lassen wenig Spielraum für unkontrollierte Massenspeicherung von persönlichen Daten. Leider scheint Datenschutz für Geflüchtete weniger zu gelten – entsprechende Klagen gegen die Reform des AZR-Gesetzes dürften folgen. Mehr dazu.

 

Drei Stimmen aus der Presse

1.) Geduldete Geflüchtete in Hannover: Wohlwollen im Amt (taz)

Das niedersächsische Pilotprojekt „Wege ins Bleiberecht“ (WIB) zielt darauf ab, die Zahl der Langzeitgeduldeten um mindestens 30% zu senken und den Menschen einen sicheren Aufenthaltstitel zu verschaffen. Für das vergangene Jahr hatten durch WIB insgesamt 139 Menschen ein Bleiberecht erhalten. Möglich wäre dies laut Flüchtlingsrat Niedersachsen aber nicht ohne die ‚wohlwollende Grundhaltung‘ der Behörden und Bereitschaft, rechtliche Handlungsspielräume auch zu nutzen. Das Projekt wird seit 2019 vom Sozialministerium finanziert. Seit einem Jahr kooperiert der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. dabei mit der Stadt Hannover. Solch ein konkretes Vorhaben, um Menschen dauerhaft den Aufenthalt zu sichern, würden wir uns auch in Sachsen wünschen und entsprechende Behörden bei der praktischen Umsetzung unterstützen.

2.) 33 europäische Städte unterzeichnen „Allianz der sicheren Häfen“ (ZEIT)

Im Rahmen der Konferenz „From the sea to the city“ in Palermo (Italien) unterzeichneten 33 europäische Städte die Erklärung zur „Internationalen Allianz der Städte Sicherer Häfen“. Die mitunterzeichnenden Städte wie beispielsweise Potsdam, München, Leipzig, Barcelona und Villeurbanne fordern damit vor allem Aufnahmekontingente für die freiwillige Aufnahme von Schutzsuchenden. Die Allianz existiert neben dem bereits bestehenden nationalen Bündnis „Städte Sicherer Häfen“. Die Unterschrift der sächsischen Landeshauptstadt Dresden bei den Bündnissen fehlt bislang – die lokale Seebrücke versucht aktuell über eine Petition zu erreichen, dass diese bald erfolgt.

3.) Aus Brüssel und Athen: Angriffe auf Flüchtlingskonvention (PRO Asyl)

Die Pushbacks aus der EU in die Türkei werden jetzt legalisiert. Griechenland hat die Türkei für Asylsuchende aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Bangladesch und Pakistan zum „sicheren Drittstaat“ erklärt. Im letzten Jahr hatten Asylgesuche der Menschen aus diesen Herkunftsländern weit über die Hälfte aller Anträge ausgemacht (66 Prozent). In 77 Prozent dieser Fälle wurden die Anträge positiv beschieden. Durch diese Außer-Kraft-Setzung der Genfer Flüchtlingskonvention bleibt den Schutzsuchenden der Zugang auf ein Asylverfahren künftig verwehrt. Die Folgen? Ablehnung als unzulässig, keine Befragung zu Fluchtgründen und Abschiebung in die Türkei. Aus der Erfahrung der vergangenen Jahre scheint es aber unwahrscheinlich, dass die Türkei tausende Menschen fortan zurücknehmen wird. Kritik seitens der EU-Kommission und Mitgliedsstaaten, v.a. von Deutschland und UNHCR bleiben gänzlich aus. Pro Asyl fordert, das Vorgehen Griechenlands entschieden zu verurteilen!

 

Veranstaltungen

Jiddisch-Arabischer Ball – Oriental-Swing meets Klezmer | 04.07. um 19 Uhr | Pauliruine/Dresden
Mit Yeva Lapsker und Akram Younus Ramadhan Al-Siraj treten jeweils eine jüdische und ein arabischer Tanzmeister*in auf. Eine Begleitung erfolgt durch die Bands Lebedik feat. Sasha Lurje, die Dresdner Lokalmatadore und die altbekannte Banda Communale liefern. Getanzt werden darf, dies muss aber weiterhin coronakonform, also körperlich distanziert stattfinden. Tickets und mehr Infos hier.

Kundgebung für den ermordeten Rom Stanislav Tomáš | 05.07. um 16 Uhr | Tschechisches Konsulat in Dresden
Der sechsminütige Todeskampf von Stanislav Tomáš im tschechischen Teplice ging per Social Media um die Welt. Zeitweise zu Dritt knieten Polizist*innen auf ihm, anschließend verstarb der 46-Jährige in Polizeigewahrsam. Ein zweites Gutachten weicht von der bisherigen Perspektive der Polizei ab, welche das Opfer zunächst als Schuldigen brandmarkte. Die Parallelen zum Fall des US-Amerikaners George Floyd im letzten Jahr sind unverkennbar. Um weiterhin auf Polizeigewalt, die vor allem Minderheiten, Geflüchtete und PoC usw. trifft, aufmerksam zu machen, bitten wir um zahlreiche Teilnahme an dieser Gedenkveranstaltung von Romano Sumnal e.V.

Mehr Befugnisse für private Sicherheitsdienste? Weiterer Angriff auf die Grundrechte | 05.07. um 19 Uhr | Online Informationsveranstaltung
Seit Jahren fordern Verbände der kommerziellen Sicherheitsunternehmen mehr Ermächtigungen in ihrer Tätigkeit. Ein entsprechendes Gesetz dazu könnte aber in unsere Grundrechte eingreifen. Es würde neben dem Alltag von Schutzsuchenden in Sammellagern auch Großveranstaltungen und den öffentlichen Raum insgesamt betreffen. Der Flüchtlingsrat Bayern hat deshalb eine Veranstaltung organisiert, um vor solch einer Entwicklung und den Einsatz einer weiteren „Hilfspolizei“ zu warnen. Anmeldung und mehr Infos hier.

Kostenloses Impfangebot der Diakonie | 10.07. von 9 – 13 Uhr | Mohnstraße 43 in Dresden
Die Obdachlosenhilfe der Diakonie bietet an diesem Tag für Menschen ohne Krankenversicherung eine Corona-Schutzimpfung an. Im Vorfeld müssen keinerlei Termine vereinbart werden. Da dies auch für Geflüchtete ohne entsprechende Gesundheitsversorgung gilt, bitten wir diese Information an Betroffene weiterzuleiten.

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