Newsletter 17/2021: 30 Jahre SFR/Querfeld-Release/Statistik Halbjahr 2021/Lage Afghanistan/Eskalation an EU-Außengrenze

Jubiläum: 30 Jahre SFR und Querfeld-Release #5
30 Jahre Ankämpfen für Rechte von Geflüchteten in Sachsen! Viele Forderungen und die dazugehörigen politischen Kämpfe überdauern Jahrzehnte – einige sind bereits gelöst. Immer wieder konnten Schutzsuchende unterstützt werden, Teilhabe in Sachsen zu erfahren oder hier zu bleiben. Wir versprechen: der SFR wird auch in den nächsten Jahren laut und kritisch bleiben! Ohne die zahlreichen ehren- sowie hauptamtlichen Unterstützer*innen, die sich hier täglich für ein humanitäres Miteinander einsetzen, wäre dieser Geburtstag unmöglich! Riesiges Dankeschön, an Euch alle!

Auch im Querfeld werfen wir einen Blick auf 30 Jahre Ankämpfen und 30 Jahre zivilgesellschaftliches Engagement in Sachsen. In diesem Jahr befasst sich das mittlerweile fünfte Jahresmagazin aber auch mit Themen außerhalb Sachsens: Welchen Herausforderungen begegnen Unterstützer*innen auf dem Westbalkan? Wie ist die Situation von syrischen Geflüchteten in Jordanien? Und „was hat Rassismus mit mir zu tun“? Mehr Infos und Bestellung

Afghanistan: Informationsveranstaltung zur aktuellen Lage (Videolink)
Gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung haben wir eine Online-Veranstaltung organisiert, die Zuschauer*innen klar machte: die moderate Maske der Taliban fällt und die Zivilbevölkerung leidet zunehmend unter deren Repressionen. Am Wochenende wurden in der Stadt Herat auf öffentlichen Plätzen hingerichtete Menschen durch die Taliban zur Schau gestellt – als Warnung für die restliche Bevölkerung. Frau Rokhshana Alamy, die genau in dieser Stadt als Radiomoderatorin arbeitete, nahm ebenfalls am Gespräch teil und machte deutlich, dass unter den aktuellen Entwicklungen besonders Frauen leiden. Sie werden daran gehindert zu protestieren, die Schule bzw. Universität zu besuchen oder ihren Berufen nachzugehen.

Ebenfalls anwesend war Ahmad Muhebbi, er ist Vorsitzender des Dresdener Verein Afghanistan. Er ist wütend, dass im westlichen Militäreinsatz über Jahre korrupte Eliten gefördert wurden, die als Regierung wenig Rückhalt in der Bevölkerung besaßen. Die Veranstaltung zeigte: je mehr die mediale Aufmerksamkeit für die Lage im Land schwindet, desto mehr eskaliert die Gewalt durch die Taliban!

Zu den Videos

Statistiken des Halbjahres 2021 zu Abschiebungen, Unterbringung, Aufenthalt uvm. in Sachsen
Neben etwas Licht gab es erneut sehr viel Schatten in den jeweiligen Landkreisen zu beobachten. So hat der Landkreis Bautzen wieder die geringste Quote bei der dezentralen Unterbringung (nur knapp 17 Prozent der Geflüchteten leben nicht in Lagern), während der Vogtlandkreis knapp 92 Prozent der Menschen dezentral unterbringt. Bei Abschiebungen lässt sich feststellen: die Pandemie spielt keine Rolle mehr und die Brutalität nimmt zu. Insgesamt wurden 280 Menschen im ersten Halbjahr 2021 abgeschoben. Es kam mehrmals zu Familientrennungen und 41 Personen wurden trotz Krankheit abgeschoben! Auch bei der Abschiebehaft wurde ein neuer negativer Höhepunkt erreicht, indem allein im zweiten Quartal 41 Menschen inhaftiert wurden! Mehr dazu

Wir danken bei der Zusammenfassung der Statistiken für die Zuarbeit von Mark Gärtner und Johannes Hildebrandt!

Stimmen aus der Presse:

1.) Ausnahmezustand an Grenze zwischen Belarus und Polen (Tagesschau)
Seit dem Diktator Lukaschenko mit neuen Sanktionen gedroht wurde, gelangen zunehmend Schutzsuchende Menschen aus dem Nahen Osten an die EU-Außengrenzen. Lukaschenko hatte zuvor angekündigt, Flüchtende nicht an der Weiterreise zu hindern – über 7000 seien bereits an der Grenze zu Polen. Die Regierung Warschaus hat aktuell den Ausnahmezustand verhängt, sodass weder NGOs noch Journalist*innen Zutritt gewährt wird. Bereits in den vergangenen Tagen starben mindestens sechs Menschen im Grenzgebiet beim Versuch die EU zu erreichen. Laut Berichten, kam eine Irakerin ums Leben, als sie von polnischen Grenzbeamten erneut in Richtung Weißrussland gedrängt wurde. Unabhängig von der schmutzigen Taktik Lukaschenkos, die EU zu erpressen: Hier offenbart sich eine abartige Form der Abstumpfung gegenüber dem Leid von Geflüchteten in der EU. Denn die Menschen dort haben ein Recht auf Schutz und faire Asylverfahren!

2.) Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete: Neue Broschüre gibt Überblick (Informationsverbund Asyl&Migration)
Es ist oftmals eine der ersten Fragen, die Schutzsuchende haben, nachdem sie in Deutschland ankommen: Wie kann ich schnell anfangen zu arbeiten? Aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen, je nach Aufenthaltsstatus, sind solche Fragen nicht immer klar zu beantworten. Informationsverbund Asyl & Migration, Caritas und DRK haben jetzt die aktuellen rechtlichen Voraussetzungen für Geflüchtete zusammengefasst. Ihr Leitfaden ist vor allem für Menschen gedacht, die Schutzsuchende zum aufenthaltsrechtlichen Rahmen beim Zugang zum Arbeitsmarkt beraten. Er befasst sich mit den Bedingungen für Menschen mit Aufenthaltsstatus und Duldung. Neben Möglichkeiten des Zugangs zum Job, gibt die Broschüre auch einen Überblick zu Förderungen für Ausbildung und Sprachkurs.

3.) Ein Jahr Migrationspakt – Die Festung Europas wächst und wächst
(
Pro Asyl)
Inzwischen steht eine 40 Kilometer lange Stahl-Mauer in der Evros-Region zwischen der Türkei und Griechenland – medial findet diese kaum Erwähnung, Abschottung ist längst Alltag. Denn Realität in der EU sind u.a.: hochgerüstete Grenzen; illegale Pushbacks; fehlende Asylverfahren und unwürdige Unterbringung von Schutzsuchenden. Fundament für weitere Verschärfungen bietet der „New Pact on Migration and Asylum“, der vor einem Jahr von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet, gerade weil (wieder mal) keine Einigung bei der Verteilung von Geflüchteten besteht. Festgelegt wurden jedoch die Ausweitung der maximalen Dauer von Asylverfahren sowie die Inhaftierungszeit in Abschiebegefängnissen. Auch Frontex soll mehr Befugnisse erhalten und die türkische Regierung drei Mrd. Euro für den Grenzschutz. Wann der Pakt verabschiedet wird bleibt ungewiss, nur die Richtung ist klar: Die Festung Europa ausbauen und Rechte für Schutzsuchende einschränken.

Veranstaltungstipps: 

Pressekonferenz, Aktionstag #NoLagerNoWhere | 04.10. um 11 Uhr, Online

Die restriktive Asylpolitik der letzten Jahre hat noch mehr dazu geführt, dass Menschen an Orten leben müssen, an denen tagtäglich ihre Grundrechte verletzt werden. In sogenannten AnkER-Zentren oder funktionsgleichen Einrichtungen gibt es keine Privatsphäre, keinen Schutz und keine Möglichkeit zur eigenständigen Organisation des Alltags oder zur Integration. Das Bündnis Lager-Watch kritisiert die forcierte Lagerpolitik und fordert von einer neuen Bundesregierung eine Neuausrichtung der Anerkennungs- und Unterbringungspolitik für Geflüchtete, das Ende der rechtswidrigen Beleihung von Security-Personal und bezahlbaren Wohnraum für alle.

Auf der Pressekonferenz sprechen:

  • Bewohner*innen – (Bericht über Alltag im Lager und das Erleben der Grundrechtseinschränkungen)
  • Vertreter*innen aus Baden-Württemberg – (Befugnisse von Security und geplantes Sicherheitsdienstleistungsgesetz, Kinderrechte in Lagern, rechtswidrige Hausordnungen)
  • Vertreter*innen aus Thüringen – (Gesundheitliche Versorgung, insbesondere Corona und Massenlager)

Anmeldung per Mail an info@aktionbleiberecht.de bis Samstag, 02.10.2021. Zugangsdaten werden zugesendet.

Empowerment im Kontext Flucht, Migration und Rassismus | 13.10. in Leipzig

Die Fachtagung bietet Raum für die Auseinandersetzung damit, wie sozialpädagogische Fachkräfte Empowermentprozesse von migrations- bzw. rassismuserfahrenen jungen Menschen unterstützen können. Sie fragt danach, welche Ansätze und Haltungen hilfreich sind, lädt zur Reflexion der eigenen Praxis ein und möchte Impulse für eine empowerment-orientierte Kinder- und Jugendhilfe geben.

Weitere Infos hier: https://www.agjf-sachsen.de/fachtagungen/selbstbestimmt-politisch-kollektiv.html

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