Newsletter 02/22: Besuch EAE Schneeberg | Leitfaden Abschiebepraxis | Afghanistan: Recht auf Evakuierung | VG Dresden: Urteil zu Racial-Profiling

„We want to hear your case” – Besuch der EAE in Schneeberg
Gemeinsam mit der Camptour Linxxnet, Linksjugend Erzgebirge und Unterstützer*innen aus Schneeberg, suchten wir am 5. Februar das Gespräch mit Bewohner*innen der dortigen Erstaufnahmeeinrichtung. Spontan wurde auch die Bundestagsabgeordnete Clara-Anne Bünger Teil der Runde. Nach den Protesten im September letzten Jahres schien die Bewohner*innenschaft in großen Teil gewechselt zu haben, die Beschwerden jedoch nicht.

Weiterhin schilderten die Menschen defekte Sanitäranlagen und auch, dass Duschkabinen noch immer nicht zu verschließen sind. Gerade in Massenunterkünften ist es schlichtweg inakzeptabel, dass nicht mal im Sanitärbereich Privatsphäre ermöglicht wird. Bewohner*innen sind ohnehin in solchen Einrichtungen eher gefährdet Opfer von Übergriffen zu werden, wie die Ereignisse in Mockau beweisen.

Außerdem macht den Schutzsuchenden die Isolation zu schaffen: „Wir leben in einer sehr abgelegenen Gegend. Wenn wir das Camp verlassen, gibt es keinen Ort für uns. Deswegen fühlt es sich hier wie ein Gefängnis an. Außerdem ist die Qualität und Quantität der Lebensmittel im Camp so schlecht, dass wir Essen kaufen müssen, um wirklich satt zu werden“, berichtet Tammam H. aus Syrien. Allerdings betont er, dass sich die mehrsprachigen Mitarbeiter*innen der Malteser bemühen würden, um zu helfen.

Wir konnten einigen Menschen Ansprechpersonen von Help e.V. und die Beratungsangebote des SFR vorstellen, um zu betonen: es gibt Unterstützung auf dem Weg zum Bleiberecht. Angesichts von 108 Covid-Infizierten (Stand 04.02.2022) in den sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen, droht neben den anderen Problemen ein unkontrollierter Ausbruch des Virus in solchen Massenunterkünften. Ein politischer Wechsel hin zur dezentralen Unterbringung von Geflüchteten ist längst überfällig!

Es bleibt zu hoffen, dass wir uns zukünftig solche Besuche sparen, einfach weil derlei Lager nicht mehr existieren – bis dahin sind wir für die Menschen vor Ort da und bleiben kritisch: kommenden Freitag, den 18.02. um 14 Uhr besuchen wir deshalb gemeinsam mit Camptour Linxxnet die EAE in Dölzig bei Leipzig.


Sächsische Landesregierung vereinbart (endlich) Regeln zur Abschiebepraxis
Über anderthalb Jahre zähes Ringen der Kenia-Koalition endeten in der letzten Woche, als sich die Landesregierung auf einen Kompromiss beim „Leitfaden Rückführungspraxis“ einigte. Das Regelwerk bei Abschiebungen ist in kleinen Teilen ein Fortschritt, insgesamt eher vage und unverbindlich. Es existieren zwar verbindliche Regelungen, die beispielsweise Abschiebungen aus der Schule oder vom Arbeitsplatz unterbinden sollen. Außerdem soll zur Beobachtung der Polizeiarbeit externes Personal die Abschiebungen begleiten.

Dennoch ist es weiter möglich, dass bei einer nächtlichen Abschiebungen Familien getrennt werden können, was unser Mitarbeiter Jörg Eichler im Interview mit dem MDR scharf kritisiert. In unserer vorherigen Pressemitteilung wurde der Leitfaden bereits ausführlich kommentiert. Die Einigung auf einen Leitfaden ist zu begrüßen, da zumindest die Einhaltung grundrechtlicher Standards angestrebt wird. Inwiefern in der Praxis tatsächlich mehr Transparenz und Humanität bei Abschiebungen möglich sein kann, werden wir in der Praxis verfolgen. Zunächst erfolgt eine Weiterreichung des Leitfadens an die Ausländerbehörden. Dessen Umsetzung ist ab Sommer diesen Jahres angedacht.

Der Leitfaden ändert nichts an unserer Forderung: Bleiberecht statt Abschiebung!

Drei Stimmen aus der Presse:

1.) „Ortskräfte aus Afghanistan zu retten, ist eine juristische Verpflichtung“ (Pro Asyl)
Berichte aus Afghanistan finden sich nur noch vereinzelt in den Medien, dabei ist die Lage vor Ort angespannter denn je: mehr als der Hälfte der Bevölkerung droht eine Hungersnot! Aktuell setzen die Taliban, wie in den Jahrzehnten zuvor, mehr auf den Anbau von Mohn als auf den von Nahrungsmittel. Dies geschieht während zunehmender Unterdrückung von Freiheitsrechten, insbesondere für Frauen, und der gezielten Hinrichtung von mehr als 100 ehemaligen Ortskräften oder Angestellten der afghanischen Regierung durch die Taliban. Aus eben diesen Gründen betont Rechtsanwalt Matthias Lehnert im Interview mit Pro Asyl die Dringlichkeit einer Evakuierung , wie dies die Bundesregierung im Koalitionsvertrag ankündigte.

2.) Beschlagnahmung der Handys von Asylsuchenden kann rechtswidrig sein (Netzpolitik.org)
Immer wieder werden in der gesamten EU Handys von Geflüchteten durch die Polizei beschlagnahmt, um Daten auszulesen und Rückschlüsse auf deren Fluchtgeschichte und Identität zu ermöglichen. Netzpolitik.org berichtet davon, dass auch die Bundespolizei Schutzsuchende dazu drängt, ihre Telefone zu übergeben und dabei Verzichtserklärungen zu unterschreiben, obwohl deren Inhalte nur auf Deutsch vermittelt werden. Das Vorgehen erfolgt ohne Tatverdacht, ohne richterlichen Beschluss und widerspricht dem Grundrecht eines Schutzes individueller, sensibler Daten. Eine flächendeckende Beschlagnahmung der mobilen Endgeräte erklärte das Londoner Innenministerium daher auch für rechtswidrig. Ob sich die Praxis mit dem Grundgesetz hierzulande vereinbaren lässt, überprüft nun die Gesellschaft für Freiheitsrechte. Der Verein hatte bereits im Juni 2021 vor dem Verwaltungsgericht Berlin erfolgreich geklagt. Die Durchsuchung der Handydaten durch das BAMF einer Klägerin aus Afghanistan wurde für rechtswidrig erklärt.

3.) Urteil zu Racial Profiling: Keine Polizeikontrollen aufgrund der Hautfarbe erlaubt (MDR)
Im März 2018 will Elhadji B. am Chemnitzer Hauptbahnhof aus dem Zug aussteigen. Ohne Anlass wird er anschließend aufgefordert seine Papiere zu zeigen. Weil er dies als BIPoC schon dutzende Male genauso erlebt hat, fühlt er sich zurecht diskriminiert. Doch als Herr B. versucht, das Herausgeben seiner Papiere zu verweigern, wird er von der Polizei zu Boden gedrückt. Es erfolgt vor allen anderen Menschen am Bahnsteig eine Durchsuchung, anschließend wird er an den Haaren wieder hochgezogen und verhaftet. Über Stunden wird der aus Guinea kommende Mann grundlos auf der Wache festgehalten. Dieses aggressive, rassistisch motivierte und entwürdigende Verhalten der sächsischen Polizei wurde nun endlich vom Verwaltungsgericht Dresden als rechtswidrig eingestuft. Landtagsabgeordnete Jule Nagel hatte den Fall verfolgt und sagt: „Ich freue mich über die Entscheidung. Racial Profiling als diskriminierende und grundgesetzwidrige Praxis der Polizei ist für Menschen mit Migrationsbiografie alltäglich. Ich hoffe, dass die Entscheidung mehr Betroffene ermutigt, gegen rassistische Kontrollen vorzugehen. Schließlich verstößt Racial Profiling gegen Art. 3 Abs. 3 GG.“

 

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Bildungsreferent Asyl, Migration und Flucht beim Kulturbüro Sachsen e.V. in Vollzeit

Bis zum 15. März können sich Interessierte der politischen Erwachsenenbildung beim Kulturbüro bewerben. Ziel der Arbeit ist es, Fachwissen und Handlungskompetenz zu den Themenkomplexen Demokratie und Menschenrechte; Asyl und Migration, Neonazismus/ Neue Rechte und Rechtspopulismus zu vermitteln. Schwarze Menschen, People of Color, Migrant*innen und Menschen mit Handicap werden ausdrücklich zur Bewerbung aufgefordert und bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt.

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Kampagnenkoordination „Bring back our neighbours” bei AG Asylsuchende SOE e.V.

Die Rückkehr der Familie Imerlishvili aus Pirna nach brutaler nächtlicher Abschiebung machte bundesweit Schlagzeilen. Wichtig hierfür war insbesondere die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Einsatz Ehrenamtlicher für die Familie. Weiter half die Organisation eines Runden Tisches, an dem zivilgesellschaftliche wie politische Akteur*innen kooperierten. Nun braucht es eine Person, die diesen Aktivismus für mehr Chancen auf Bleiberecht weiterhin organisiert und entwickelt. Dafür bietet die AG Asylsuchende SOE e.V. eine Stelle als Minijob/Honorarkraft an. Bewerbungen sind bis zum 20. Februar möglich.

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Projektmitarbeiter*in bei SISTERS* – EMPOWERMENT FOR GIRLS* OF COLOR!

Stärkung der Selbstbestimmung und Partizipation von Mädchen* und jungen Frauen* of Color in Sachsen

Ziel des Projektes ist es, in Vorbildfunktion Mädchen* und jungen Frauen* of Color in Sachsen bezüglich ihrer mehrfachen Diskriminierungserfahrungen (Rassismus, Sexismus, Klassismus usw.) zu unterstützen. Durch das Projekt werden nachhaltige Angebote und Strukturen in Sachsen etabliert und Mädchen* und junge Frauen* in ihrer Selbstbestimmung und gleichberechtigten Partizipation bestärkt. Bewerbungen sind bis zum 22. Februar möglich, Arbeitsbeginn ist ab April geplant.

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