Mit dem vermeintlichen Termin zur Blutabnahme wurde Faisal R. am 13. Juni in das Gesundheitsamt Hoyerswerda eingeladen. Doch anstatt weiterer Behandlung seiner Erkrankung wurde Herr R. dort von der Polizei überrascht und nach Pakistan abgeschoben. Dabei hatte dieser bereits im Januar einen Antrag auf Chancenaufenthalt gestellt, aber keinen Bescheid noch andere Rückmeldung darüber erthalten. (Korrekturhinweis am Ende der Mitteilung.)
Ein weiteres Mal wird der Leitfaden zur Abschiebepraxis der Landesregierung missachtet und im Freistaat das Vertrauen in hiesige Behörden verspielt. Die vom Bund geforderte Transformation der Ausländerbehörden hin zu Willkommensbehörden wird von Sachsen weiter konterkariert. Jetzt ist auch zu befürchten, dass Vertrauen in hiesige Behörden insgesamt leidet. Diese Vermutung bestätigen auch die Beobachtungen des Abgeordneten Frank Richter (SPD): „In der örtlichen Gemeinschaftsunterkunft, in welcher der Asylbewerber zuletzt wohnte, herrscht Angst und Empörung. Menschen haben Angst, das Gesundheitsamt aufzusuchen.“
Erneut traf es eine Person, die weder straffällig wurde oder sich gegen Integration verwehrte. So hatte Faisal R. im Januar diesen Jahres ein B1-Zertifikat der deutschen Sprache erreicht. Bei der Aufnahme von ukrainischen Geflüchteten in Hoyerswerda engagierte er sich ehrenamtlich. Da Faisal R. bereits seit 2015 im Bundesgebiet lebte, hatte er auch einen Antrag auf Chancenaufenthalt gestellt. „Auch wenn dieser Bescheid von der Ausländerbehörde abgelehnt worden wäre, hätte zumindest ein Bescheid darüber ausgestellt werden müssen. Doch Faisal R. blieb bis zuletzt im Unwissen darüber, ob er bleiben darf oder nicht. Diese prekäre Lage wurde genutzt, um den Erkrankten unter Angabe falscher Tatsachen zum Gesundheitsamt zu locken – nur um ihn abzuschieben.“, kritisiert Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat.
Auch bei der Identitätsklärung wirkte Faisal R. mit. So hatte er seinen pakistanischen Personalausweis bereits 2018 deutschen Behörden vorgelegt und sich zuletzt auch um einen Reisepass bei der Botschaft bemüht. „Wenn Behörden, die die Gesundheit von Menschen sichern sollen, als Zahn im Radwerk der Abschiebeoffensive ausgenutzt werden, ist dies ein Skandal und die Pervertierung ihrer eigentlichen Aufgaben. Im Extremfall suchen fortan weniger Menschen medizinisches Personal auf, obwohl sie dringend eine Behandlung brauchen, aber einfach Angst vor einer Abschiebung haben.“, warnt Schmidtke. Außerdem kritisiert er: „In die unsägliche Rückführung war auch eine Sozialarbeiterin der AWO involviert, die in der Gemeinschaftsunterkunft tätig war, wo Herr R. lebte. Sie teilte dem Betroffenen den besagten Termin zur Blutabnahme mit, welche niemals stattfand.“
Am gleichen Tag kam es darüber hinaus zu einem Suizid eines Menschen aus Pakistan, der in Soest lebte und ebenfalls seine Abschiebung fürchtete. Unterstützer*innen berichten, dass er keinen Schutzstatus erhielt und sich über den Umgang der Behörden in seinem Fall beschwerte. Ein restriktives System der Diskriminierung, in dem Menschen ohne Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit oder Sprachkurs über Jahre Angst eine Abschiebung fürchten, schafft enorme tägliche psychische Belastungen für Betroffene. Leider ist die Tragödie von Soest kein Einzelfall: Ähnliche Fälle werden deshalb seit über 29 Jahren von der „Antirassistischen Initiative“ aus Berlin dokumentiert.
Weshalb Abschiebungen nach Pakistan generell gefährlich sind, haben wir mehrfach in Meldungen deutlich gemacht.
Korrekturhinweis: In der ursprünglichen Fassung der Mitteilung hatten wir berichtet, dass die AWO-Sozialarbeiterin unwissentlich in die Abschiebung involviert war. Die Beteiligung der Mitarbeitenden des Gesundheitsamtes Hoyerswerda und der AWO-Sozialarbeiterin an der Abschiebung sind jedoch noch Teil laufender Ermittlungen. Ebenso ist der genaue Ablauf der möglichen Kommunikation zwischen Sozialarbeiterin, Mitarbeitenden des Gesundheitsamtes und der Polizei nicht abschließend geklärt. In jedem Fall fand die Abschiebung am besagten Tag statt und Faisal R. wurde für diesen Zweck im Gesundheitsamt Hoyerswerda von der Landespolizei in Gewahrsam genommen.
Kontakt:
Sächsischer Flüchtlingsrat
– Dave Schmidtke –
Mobil: 0176 427 286 23
Mail: schmidtke@sfrev.de