SFR Newsletter 37/2020

Kollektivquarantäne. Seit Samstag ist das Lager auf der Bremer Straße in Dresden unter Kollektivquarantäne gestellt, laut Angaben der Landesdirektion soll diese bis zum 30. Oktober andauern. Am Donnerstag morgen teilte die Landesdirektion mit, es hätten sich bereits 26 Personen infiziert. Eine Veröffentlichung des Kompetenznetzes Public Health COVID-19 gibt an, dass das Infektionsrisiko bei einer Komplettquarantäne mit 17 Prozent als hoch einzuschätzen ist. Ketteninfektion, psychosoziale Folgen für die betroffenen Personen, all das hätte sich vermeiden lassen, hätte das Gesundheitsamt so souverän reagiert wie bei der Infektion einer Person im Lager Hamburger Straße vor wenigen Wochen. Man könnte die infizierte Person isolieren und so den rund 180 Lagerbewohner*innen eine Komplettquarantäne ersparen. Wir sagen deshalb nochmal laut und deutlich: schließt die Lager, eine menschenwürdige Unterbringung zu Pandemiezeiten geht nur dezentral! Unsere aktuelle PM dazu hier.

Herz statt Hetze! Am 25. Oktober geht’s in Dresden auf die Straße. Weil wir für ein solidarisches Dresden stehen, in dem Rassismus keinen Platz hat. Aufgrund den neuen Infektionsschutzmaßnahmen in Dresden seit Donnerstag nacht arbeiten die Organisator*innen aktuell daran, die Demozüge in standhafte Kundgebunge umzuwandeln. Mehr Infos.

Asylberwerbeleistungsgesetz I. Im Zuge des sogenannten „Migrationspakets“ vorigen Sommer kam es auch zu Änderungen im Asylberwerberleistungsgesetz. So können alleinstehende Menschen wohnhaft in Sammelunterkünften als Lebensgemeinschaft mit ihren Mitbewohner*innen gewertet und somit die Leistungen um 10 Prozent gekürzt werden. Weil aber das gemeinsame Wohnen im Lager keinesfalls zur gemeinsamen Anschaffung von Lebensmitteln und co. führt, gab’s jetzt ein Urteil dazu vom Sozialgericht Landshut. Die Kürzung sei nicht ohne Nachweis der tatsächlichen Umsetzung von Wirtschaften in einer Lebensgemeinschaft mit den Mitbewohner*innen umzusetzen. Eine Pauschalanwendung der Kürzungen, geregelt in § 2 des AsylbLG, ist nicht verfassungskonform. Ein erster Schritt, die fragwürdige Neuregelung zu kippen!  Zum Tweet hier entlang.

Asylberwerbeleistungsgesetz II. Und nicht nur im § 2 AsylbLG, auch im § 1a AsylbLG finden sich Kürzunstatbestände. Zum Beispiel bei fehlender Mitwirkung. Da wird in den Dresdner Aufnahmeeinrichtungen wie wild gekürzt, in der Hamburger Straße gar in 311 Fällen, und in anderen gar nicht. Das ergab eine Anfrage der Abgeordneten Jule Nagel, DIE LINKE. Eine Kehrtwende hat allerdings Sozialministerin Petra Köpping hingelegt. Noch im Januar ging sie davon aus, dass ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtswidrigkeit von Leistungskürzungen bei Hartz-IV-Empfänger*innen auch auf AsylbLG-Empfänger*innen anzuwenden sei. Mit Blick auf die Landesdirektion mag sie nun aber kein rechtswidriges Vorgehen mehr feststellen.

Keine Abschiebungen nach Afghanistan.  Die Bundesregierung hatt angekündigt, ab Oktober wieder in das kriegszerrüttete Afghanistan abzuschieben. Afghanistan bleibt laut Global Peace Index das unsicherste Land der Welt. Wir müssen es immer und immer wieder sagen: keine Abschiebung in Krisenregionen! AfghanistanNotSafe KölnBonn hat eine Petition an die Bundesregierung geschrieben. Zur Petition hier entlang.

Unterbringung im Lager. Für unsere Zahlen und Grafiken, zuletzt im September veröffentlicht, gibt es noch einen Nachtrag. Während zwischen Mai und Juli 2020 rund ein Drittel der Bewohner*innen umverteilt wurde, stieg bis zum 19. Oktober die Belegungszahl in den sächsischen Lagern wieder auf 1882 an. Besonders die Lager Adalbert-Stifter-Weg in Chemnitz, die Außenstelle Schneeberg, das Lager Dölzig in Leipzig und die Bremer Straße in Dresden verzeichnen einen deutlichen Zuwachs an dort untergebrachten Personen. Gerade im Hinblick auf die aktuelle höchst schädliche Kollektivquarantäne im Lager Bremer Straße sind die gestiegenen Belegungszahlen keine gute Nachricht. In Sachsen gibt es bereits wieder mehrere Risikogebiete, bundesweit steigen die Infektionszahlungen. Wenn der restliche Teil der Bevölkerung nicht in großen Menschenmengen zusammenkommen soll, wird der Infektionsschutz mit der aktuellen Lagerpolitik ad absurdum geführt, denn geflüchtete Personen werden dazu gezwungen, sich auf engem Raum mit vielen Menschen aufzuhalten. Umso deutlicher bekräftigen wir unsere Forderung: die Lager gehören aufgelöst!

Ausbildungsduldung. Zu Anträgen der Ausbildungsduldung liegen uns nun nicht nur die Zahlen der positiv beantwortenden Anträge vor, sondern auch die Anzahl der Ablehnungen. Seit der Einführung im August 2016 wurden in Sachsen 480 Ausbildungsduldungen erteilt. Das ist ein Anstieg um 52 Ausbildungsduldungen im 1. Halbjahr 2020, wobei zehn der Anträge abgelehnt wurden. Die Zahlen zeigen: das Instrument wird zu restriktiv angewandt – der erhoffte Effekt, den Fachkräftemängel auszugleichen, dürfte zumindest in Sachsen ausbleiben.

Beschäftigungsduldung. Immerhin liegt die Quote der positiv beantworteten Anträge auf Ausbildungsduldung weit über 50 Prozent. Das ist bei der Beschäftigungsduldung mit rund 43 Prozent nicht der Fall. Es gibt mehr Ablehnungen als Erteilungen. Und auch zahlenmäßig zeigt sich die Beschäftigungsduldung seit Beginn ihrer Einführung zum 01. Januar 2020 schwach: So wurden bis zum 30. Juni nur 20 Beschäftigungsduldnugen in Sachsen erteilt, insbesondere in den mittleren bis großen Städten. Die Verteilung auf lediglich fünf von 13 Kommunen zeigt also, dass nicht alle Behörden die Regelung anwenden, geschweige denn, dass die Anwendung einheitlich geschieht.

Termine

  • Der Mord an Kamal K. in Leipzig jährt sich am 24. Oktober zum zehnten Mal. Die Initiative „Rassismus tötet“ ruft zum gemeinsamen Gedenken auf – an Kamal K. und an alle weiteren, die in Sachsen seit 1990 ermordet wurden. 17 sind es an der Zahl, acht weitere Verdachtsfälle gibt es. Um 16.30 Uhr geht es los auf dem Südplatz. Alle Infos hier. #niemandistvergessen #17zuviel
  • Am 25. Oktober ruft das Bündnis „Herz statt Hetze“ zur Großdemo auf. Für ein solidarisches und antirassistisches Dresden! Mobivideo gibt’s hier.
  • Am 29. Oktober zieht das Montagscafé mit kosmopolitischen Beats, experimentellen Sounds, betörenden Live-Visuals und Beauty-Station in die Groove Station! Music from outer space trifft auf Clubmusik. Da tanzen nicht erlaubt ist geht es sitzend in die Tiefe, mit extravagantem Programm aus Film, Talk, Concert & DJ-Set! Mehr Infos hier.
  • Vom 16. bis 30. Oktober findet die Online-Workshopreihe „Misch dich ein! Politische Partizipartion und Empowerment“ statt. Die Reihe richtet sich vorwiegend an LSBTIQ+ Geflüchtete und Asylsuchende, die sich politisch engagieren wollen oder dies bereits tun. Hier entlang zur Anmeldung.
  • Am 5. November veranstaltet das House of Resources und das Kulturbüro Sachsen einen Workshop zu rassismuskritischer Berichterstattung. Ziel ist es, Alternativen zu problematischen Begriffen zu erarbeiten und Best Practices für diskriminierungsfreie Medien zu üben. Infos und Anmeldung hier.
  • Am 7. und 8. November lädt der Ausländerrat Dresden junge Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrung zum
    Schreib- und Leseworkshop mit der Autorin, Dichterin und Leiterin Sarah Rehm ein. Der Workshop ist kostenlos, Fahrtkosten können erstattet werden. Zu mehr Infos hier entlang.
  • Vom 9. bis 14. November findet die Asylinitativekonferenz statt, eine Kooperation aus Kulturbüro Sachsen, der Heinrich-Böll-Stiftung und uns. Es gibt spannende Workshops zu Wohnen im Lager zu Pandemiezeiten, #LeaveNoOneBehind, und darüber, was weiße Menschen in Asylinitativen unbedingt wissen solllten. Infos zu Programm und Anmeldung hier!
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