Newsletter 06/2023: Abschiebungen ohne Vorankündigung / Sächsische Polizei unter Verdacht / Wahnsinnige Kürzungen / Grenzkontrollen in Sachsen / Landrat von Bautzen / Neonazi-Demo in Sebnitz / Flucht vor geschlechtsspezifischer Gewalt

Liebe Newsletterabonnent*innen,

von wegen Sommerloch: Es gibt so viele wichtige Nachrichten zum Thema Fluchtmigration bzw. Geflüchtete in Deutschland, dass wir in unserem Newsletter nur eine kleine Sammlung ausgewählter Ereignisse anbieten können.

Wir beobachten zunehmend eine rechtspopulistische Verzerrung der Realität, die ein negatives Bild von (Flucht-)Migration fördert und damit wichtige gesellschaftliche Debatten verunglimpft. Einigen Politiker*innen scheint es sehr leicht zu fallen, sich einer einfachen und kontextlosen Argumentation zu bedienen, indem sie weit verbreitete Bilder von “kriminellen Migranten”, “Clans” oder “integrationsunwilligen/gewaltbereiten Flüchtlingen” aufgreifen. Diese Politiker*innen der sogenannten Mitte scheinen die langatmigen Debatten und Konzepte zur Migrationsgesellschaft und deren Notwendigkeiten vergessen zu haben. Was sich in der Mitte in einer verstärkten Neigung zu vereinfachten Antworten und einer zunehmend populistischen Politik äußert, zeigt sich an den Rändern in einer steigenden Zahl von Neonazi-Demonstrationen und Angriffen auf Geflüchtete. Gleichzeitig gibt es auf Bundesebene rechtliche Neuerungen, die uns Sorgen bereiten. In einer Zeit, in der gut 175.000 Menschen Erstanträge auf Asyl gestellt haben, will die Bundesregierung die Beratung von Geflüchteten massiv kürzen. Außerdem werden mehr Grenzkontrollen in Sachsen gefordert.

Neben diesem Schwerpunkt haben wir einige Veranstaltungshinweise und ausgewählte Stimmen aus der Presse für Euch vorbereitet. Ebenso findet Ihr Links zu unseren aktuellen Veröffentlichungen auf unserer Homepage.

Wie immer ist unser Newsletter auch auf unserer Homepage oder auf unseren Kanälen in den sozialen Netzwerken zu finden. Wenn Du der Meinung bist, dass noch mehr Menschen von diesen Ereignissen erfahren sollten, freuen wir uns über das Teilen! Es wäre auch eine Idee, den Newsletter auszudrucken, zusammenzubinden und auf den Tisch am Arbeitsplatz, in der WG oder in der Schule zu legen. Vielen Dank! 🙂

Bis zum nächsten Mal und hoffentlich mit mehr guten Nachrichten!

Abschiebung ohne Vorankündigung: “Die Zähne des Staates” wollen das Informationsrecht Geflüchteter auffressen

Aus einem Diskussionspapier des Bundesinnenministeriums geht hervor, dass Abschiebungen künftig auch bei langjährig Geduldeten nicht mehr angekündigt werden müssen. Nach den Plänen von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sollen Geflüchtete überraschend von der Polizei abgeholt und außer Landes gebracht werden. Das erwähnte Papier zur legalen Drangsalierung von Geflüchteten trägt den Titel “Zur Verbesserung der Rückführung”. Nach geltendem Recht müssen Menschen, die sich länger als ein Jahr mit einer Duldung in Deutschland aufhalten, mindestens einen Monat vor ihrer Abschiebung informiert werden.

Die offizielle Begründung für die Abschaffung des Informationsrechts der Geflüchteten: Entlastung der Ausländerbehörden. In den Medien wird jedoch vermutet, dass dieser Vorstoß im Zusammenhang mit der bevorstehenden Landtagswahl in Hessen steht, bei der Nancy Faeser Ministerpräsidentin ihres Heimatbundeslandes werden möchte. Sie fällt in letzter Zeit vermehrt mit skandalösen Aussagen zu migrantischen oder migrantisierten Mitbürger*innen auf. Die Politikerin kündigte ihre Unterstützung für Pläne an, nach denen Mitglieder sogenannter “Clans” auch ohne Straftaten abgeschoben werden sollen. Der Staat müsse “Zähne zeigen”, so Faeser.

Die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, kritisierte die Pläne des Bundesinnenministeriums und betonte, für Menschen mit Duldung seien sie “eine Katastrophe”. Die bestehende Ankündigungsfrist ergebe sich zudem aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Grundsatz der Menschenwürde. “Die Betroffenen leben in der Regel seit Jahren in Deutschland, gehen vielleicht einer Arbeit nach und haben eine Wohnung angemietet, es bestehen Freundschaften und Beziehungen, die Kinder gehen zur Schule und sind längst angekommen. Solche Menschen ohne Vorankündigung aus ihrem Leben herauszureißen und abzuschieben, ist unmenschlich und unverantwortlich“, so Bünger.

Neue Rechtsextremismus-Verdachtsfälle bei der sächsischen Polizei

Bei der sächsischen Polizei hat es im ersten Halbjahr 2023 acht neue Verdachtsfälle mit rechtsextremem Hintergrund gegeben, wie aus einem Bericht von Migazin hervorgeht. Die Daten basieren auf der Antwort des sächsischen Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (Linke). Demnach stehen Beamt*innen der Hochschule der Polizei, der Bereitschaftspolizei sowie der Polizeidirektion Zwickau im Fokus – mehrheitlich wegen Nazi-Inhalten in Chatgruppen.

„Offenbar erhärtet hat sich hingegen der Verdacht gegen mehrere Polizeischüler der Polizeifachschule Schneeberg, über den Medien im März dieses Jahres berichtet hatten“, so Köditz. Den drei Männern werde nicht nur die Mitgliedschaft in einer Chatgruppe mit nationalsozialistischen Inhalten vorgeworfen. „Alle drei sollen sich auch gegenüber anderen Polizeischülern entsprechend geäußert und zwei von ihnen den Hitlergruß gezeigt haben – in einem Fall auf dem Stadtfest in Zwickau.“ Inzwischen seien Entlassungsverfahren eingeleitet worden. Zudem ermittle die Staatsanwaltschaft Chemnitz wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Köditz kündigte an, dass es in zwei Fällen ein Personalgespräch geben werde. Weitere Konsequenzen blieben laut Innenministerium aus, da die Vorfälle länger zurücklägen und wegen der “verspäteten Kenntniserlangung” keine Disziplinarverfahren mehr eingeleitet werden könnten.

Seit Jahren wird darauf hingewiesen, dass die Fälle von Rechtsextremismus in der sächsischen Polizei zunehmen. Die Neigung zu rechtsextremen Positionen innerhalb der Polizei zeigt sich in besonderem Maße bei Begegnungen von Geflüchteten mit der Polizei.

“Wahnsinnige” Kürzungen bei der Beratung von Geflüchteten geplant

Medienberichten zufolge plant das Bundesinnenministerium im kommenden Jahr deutliche Einsparungen bei der Beratung der Geflüchteten. Der Etat für die “Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer” soll von derzeit rund 81,5 auf 57,5 Millionen Euro sinken. Die Kürzungen kommen zu einer Zeit, in der immer mehr Geflüchtete nach Deutschland kommen. Der Plan sieht Kürzungen in fast allen relevanten Beratungsbereichen vor – sei es die Asylverfahrensberatung, die Migrationsberatung oder die psychosoziale Versorgung von Geflüchteten mit Traumaerfahrungen. Beratungsstellen, Wohlfahrtsverbände und Solidaritätsstrukturen sind entsetzt über die Pläne. Laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau sollte die Asylverfahrensberatung laut Koalitionsvertrag eigentlich 2023 ausgebaut werden: Für das gesamte Jahr 2024 soll die Summe demnach auf 40 Millionen Euro aufgestockt werden. Für die Folgejahre war eine Aufstockung auf 80 Millionen Euro vorgesehen. Nun soll es bei 20 Millionen Euro für 2024 bleiben, was einer Halbierung der Beratungsstellen quasi gleichkäme.. Der Entwurf stößt bei SPD, Grünen und Linken auf Kritik. Barbara Wolff, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und Vorstandsmitglied der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (Baff), kommentiert die Kürzungen mit einem empörten Satz: “Das ist eigentlich Wahnsinn”.

Kerstin Becker, Expertin für Migration beim Paritätischen Gesamtverband, sagt gegenüber der Zeitung “neues deutschland”: “Es ist paradox, in einer Zeit, in der die Zahl der Geflüchteten so hoch ist wie nie zuvor, fast alle Programme im Asylbereich massiv zu kürzen.”

Auch Rüdiger Unger, Vorsitzender der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen (Liga), kommentierte die geplanten Kürzungen: “Angesichts der herausragenden Bedeutung von Zuwanderung, Digitalisierung und gesellschaftlichem Engagement junger Menschen sind Kürzungen in diesen Bereichen paradox.”

Von Januar bis Juli 2023 stellten in Deutschland 175.272 Menschen einen Erstantrag auf Asyl, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mitteilte. Diese Zahl ist zwar deutlich geringer als im Jahr 2016 (damals: 722.370 Erstanträge), jedoch kommen knapp eine Million Geflüchtete aus der Ukraine hinzu, die keinen Asylantrag stellen müssen. Die Schutzquote bei den Anträgen ist sehr hoch: 71 Prozent der Antragsteller*innen erhalten in Deutschland Schutz.

Grenzkontrollen in Sachsen: Drohung, Erpressung oder wirklich notwendige Abschottung?

Nach Landesinnenminister Armin Schuster hat sich auch der Görlitzer Landrat Stephen Meyer (beide CDU) mit der Forderung nach Grenzkontrollen an das Bundesinnenministerium gewandt.

Meyer argumentiert, es sei unerlässlich, „den Zustrom illegaler Migration“ zu stoppen, „um sowohl die Sicherheit unseres Landes als auch die Akzeptanz für die Unterbringung von Geflüchteten mit berechtigtem Asylgrund zu gewährleisten“.

Das klingt einerseits wie eine Drohung, andererseits macht Meyer fälschlicherweise die offenen Grenzen dafür verantwortlich, dass die erwähnte „Akzeptanz“ vielerorts nicht vorhanden ist bzw. abnimmt, und gibt damit dem Rechtsruck eine Berechtigung bzw. Legitimation. Auch Landesinnenminister Armin Schuster verteidigte die Forderung nach stationären Kontrollen mit dem Argument, dies sei „ein klares politisches Signal“ an die Schengen-Partner. Erpressung also?

Die Instrumente, mit denen das Thema Fluchtmigration politisch bespielt wird, überraschen nicht mehr, und vielleicht liegt gerade darin die größte Gefahr: Die Normalisierung von vielen Formen der illegitimen Wege und der Entrechtung – begleitet von einem Diskurs, der Fluchtmigration wie ein herannahendes Monster darstellt.

Dabei sind im ersten Halbjahr 2023 10.048 Schutzsuchende in Sachsen angekommen – eine Zahl, die unser Bundesland mit über 4 Millionen Einwohner*innen und einem enormen Migrationsbedarf mit den nötigen Maßnahmen sehr gut verkraften und sogar zur Chance machen könnte. Das hat jüngst auch Juliane Nagel, Abgeordnete der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, anhand harter Fakten festgestellt.

Doch leider haben sich einige CDU-Politiker*innen entschieden bzw. entscheiden tagtäglich, durch migrationskritische bzw. -feindliche Diskurse, z.B. zu den Grenzkontrollen oder der Kriminalität, dem gefährlichen Rechtspopulismus in die Hände zu spielen oder gar selbst Populismus zu betreiben.

Bundestagsabgeordnete in der Türkei festgenommen

Gökay Akbulut, Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion, wurde am 3. August 2023 bei der Einreise in die Türkei für mehrere Stunden festgenommen. Der Grund: ihre Social-Media-Beiträge aus dem Jahr 2019. Die Bundestagsabgeordnete hatte sich kritisch zum Angriffskrieg der Türkei in Nordsyrien/Rojava geäußert. Nach Intervention der deutschen Botschaft wurde Akbulut freigelassen, das türkische Justizministerium soll den Vorgang gelöscht haben. Nach Angaben der Bundestagsabgeordneten soll das Justizministerium der deutschen Botschaft mitgeteilt haben, dass man noch über den Haftbefehl nachdenken müsse. Akbulut kündigte an, im Oktober im Rahmen einer Delegationsreise erneut in die Türkei zu reisen. “Ich lasse mich von dem Haftbefehl nicht einschüchtern. Der Vorfall hat einmal mehr gezeigt, dass es in der Türkei keine Gewaltenteilung gibt”, so Akbulut.

Die Türkei steht derzeit auf Platz drei der Herkunftsländer von Menschen, die nach Deutschland fliehen. Einige Antworten auf die Frage, warum immer mehr Menschen die Türkei verlassen, findest du in unserem Text zu Fluchtursachen.

Landrat von Bautzen schürt Feindbild “Geflüchtete” – Unsere Stellungnahme

Der Landrat von Bautzen, Udo Witschas, meldete sich in der Zeitung seiner Behörde zu Wort und nährte das Bild der “kriminellen Migranten/Flüchtlinge”, indem er sich auf einige bundesweite Ereignisse bezog, die er offenbar recherchiert hatte. Später erklärte er der Sächsischen Zeitung, dass “das problematische Verhalten” von Migrant*innen wegen der “politischen Korrektheit” nicht angesprochen bleibe und “die mangelnde Reaktion der Bundesregierung” zu den aktuellen Umfragewerten der AfD führe. Zudem analysiert der Landrat, dass der Trend zur AfD in seiner Region nicht etwa an Existenzängsten der Menschen liegt, sondern viele Menschen empfänden “die gesellschaftliche Bevormundung, ob Heizung, Gendern, Verkehr […] als Affront.” Er “versteht” die AfD-Wähler*innen, die “spätestens in der Wahlkabine wissen, ihre Meinung auszudrücken” und die Wahlen seien auch dann demokratisch, wenn ein AfD-Kandidat gewählt wird. Anders als beim Thema Fluchtmigration scheint er bei AfD-Wahlerfolgen keine Gefahr zu sehen.

Wir haben die Äußerungen des Landrats, der auch in der Vergangenheit mit migrationskritischen Aussagen an die Öffentlichkeit getreten ist, in den sozialen Netzwerken kommentiert. Unser vollständiger Kommentar ist unter diesem Link zu finden.

Sebnitz: Erst Angriff auf das Wohnheim der Geflüchteten, dann Demo mit rassistischen Parolen

Sebnitz, die Kreisstadt des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, erregte zuletzt Aufsehen, als das Wohnheim für Geflüchtete Ziel eines rassistischen/faschistischen Angriffs wurde. Knapp einen Monat später, am Montag, den 14. August 2023, fand auf dem Marktplatz eine Demonstration mit faschistischen/hetzerischen Parolen statt – unmittelbar nach dem Angriff und fast die einzige öffentlichkeitswirksame Reaktion auf die Schlagzeilen. Osman Oğuz von unserer Pressestelle war vor Ort und hat darüber einen Bericht geschrieben. Außerdem war er zu Gast in der Sendung “Mittagspause” von Radio Blau Leipzig und berichtete von seinen Eindrücken.

Fünf Angriffe auf das Mitmach-Café in Wurzen – Solidarität mit NDK!

Das Mitmach-Café des “Netzwerkes für Demokratie Kultur e.V.” (NDK) in Wurzen ist Ziel von fünf demokratiefeindlichen Anschlägen geworden. Das Café war erst am 7. Juli im Rahmen des Projektes “Orte der Demokratie” in der Wurzener Innenstadt eröffnet worden. Das NDK fasste die Angriffe wie folgt zusammen:

  • Am 20.06.2023 werden während Vorbereitungsarbeiten für die Eröffnung des Cafés Aufkleber des neonazistischen Versandhandels „Druck18“ auf das Fahrrad einer dort engagierten Person geklebt. Die Zahl 18 dient Neonazis als Zahlencode für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets und bildet zusammengenommen die Abkürzung AH für Adolf Hitler.
  • Am 15.07.2023 wird das Schaufenster des Cafés mit Stickern beklebt. Diese richten sich gegen politische Gegner:innen und Antifaschist:innen.
  • Am 25.07.2023 wird erneut das Schaufenster beklebt. Auch in diesem Fall werden Sticker angebracht, die gegen Antifaschist:innen hetzen.
  • Am 01.08.2023 findet der erste Farbangriff auf das Café statt. Schwarze Farbbeutel werden auf die Tür und das Schaufenster geworfen. Zudem wird der Schriftzug „Verpisst euch“ angebracht und das Türschloss des Cafés mit Klebstoff verschmiert und unbrauchbar gemacht.
  • Am 05.08.2023 findet der zweite Farbangriff auf das Café statt. Farbbeutel mit dunkler und weißer Farbe werden an Schaufenster und Tür geworfen, sodass sich die Farbe großflächig an der Fassade und dem Eingangsbereich verteilt.

Das NDK wertet die Angriffe als “Markierung politisch unliebsamer Personen und Einrichtungen” und “Einschüchterungsversuch” und fügt hinzu: “Zugleich verdeutlichen sie die Wichtigkeit, in eben diesem öffentlichen Raum klar und unnachgiebig für demokratische Werte und eine demokratische Kultur einzustehen.”

Einen ausführlichen Bericht zu den Angriffen schrieb Hendrik Lasch für “neues deutschland”.

Unsere volle Solidarität gilt dem Netzwerk für Demokratie Kultur e.V. Wurzen!

Neues Projekt zum Chancen-Aufenthaltsrecht in Hoyerswerda

In Hoyerswerda gibt es ein neues Projekt der Migrant*innenselbstorganisationen: Im Rahmen von “Gleich Teilhaben” wird eine umfassende Beratung für Menschen angeboten, die eine Aufenthaltserlaubnis nach §104c Aufenthaltsgesetz (Chancen-Aufenthaltsrecht) erhalten haben. Die Beratung findet in den Räumen des “Immigrants Networt Hoyerswerda e.V.” in der Albert-Einsteinstraße 47 in Hoyerswerda statt.

Das Chancen-Aufenthaltsgesetz stößt bisher auf große Resonanz. In den ersten sechs Monaten seit Inkrafttreten der Gesetzesänderung haben mindestens 49.000 Menschen einen entsprechenden Antrag gestellt. Davon wurden bereits rund 17.000 Anträge bewilligt und rund 2.100 Anträge abgelehnt. (Stand: 7. Juli)

Zahl der Abschiebungen um 27 Prozent gestiegen

Die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland ist im ersten Halbjahr von 2023 um mehr als ein Viertel gestiegen. Wie aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken hervorgeht, wurden 7.861 Menschen abgeschoben: Etwa 27 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Davon waren 1.664 Frauen und 1.275 Minderjährige.

Die fluchtpolitische Sprecherin der Linken, Clara Bünger, kritisiert die gestiegenen Zahlen der Abschiebungen und sagt: “Allzu oft werden dadurch Menschen unter Androhung oder Anwendung von Gewalt an Orte zurück gezwungen, an denen ihnen Krieg, extreme Armut und Perspektivlosigkeit drohen. Das ist unverantwortlich.”

Massentötungen an der Grenze zu Saudi-Arabien: “Sie schießen ununterbrochen”

Die Menschenrechtsorganisation “Human Rights Watch” (HRW) hat einen Bericht über die Situation an der saudisch-jemenitischen Grenze veröffentlicht: Saudische Grenzschutzbeamte haben hunderte äthiopische Geflüchtete getötet, die die Grenze überqueren wollten. Die Menschen sollen aus nächster Nähe erschossen worden sein, darunter viele Kinder. Auch Sprengstoff wurde gegen Flüchtlinge eingesetzt.

Der Bericht bezieht sich auf die Situation zwischen März 2022 und Juni 2023. HRW betont, dass die Tötungen weiterhin stattfinden. Die Recherchen basieren auf 38 Zeugeninterviews sowie Satellitenbildern und Aufnahmen, die im Internet veröffentlicht wurden.

Die Menschen sprechen gegenüber der Menschenrechtsorganisation von “Leichenbergen“. Eine Überlebende berichtet: “Wenn die saudi-arabischen Sicherheitsbeamten eine Gruppe sieht, schießen sie ununterbrochen”. HRW spricht von Hunderten, “möglicherweise Tausenden” Toten.

Die Bundesregierung hat 2020 beschlossen, saudi-arabische Grenzpolizisten durch die Bundespolizei ausbilden zu lassen. Die Bundestagsabgeordnete Clara Bünger fordert die Bundesregierung auf, die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien zu beenden und zu klären, “ob etwaige von Deutschland ausgebildete Kräfte an den Massenerschießungen und Menschenrechtsverletzungen beteiligt” waren. Bünger forderte zudem, auch die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu stoppen.

Neonazi-Demonstrationen verdreifacht: Der Hauptfeind sind Geflüchtete

Die Zahl der Demonstrationen von Neonazis ist laut Innenministerium im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich gestiegen: In den ersten sechs Monaten des Jahres gab es 110 Neonazi-Demonstrationen. Die meisten Aufmärsche waren in Sachsen. Ein Großteil der Neonazi-Demonstrationen fand vor Unterkünften der Geflüchteten statt. In Sachsen handelte es sich zumeist um sogenannte “Nein zum Heim”-Demonstrationen.

Immer mehr Menschen fliehen vor geschlechtsspezifischer Gewalt

Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken geht hervor, dass in Deutschland immer mehr Menschen wegen geschlechtsspezifischer Verfolgung als Flüchtlinge anerkannt werden. “Waren es im Jahr 2021 noch 1.379 Personen, lag die Zahl im Jahr 2022 mit 2.800 doppelt so hoch“, berichtet die taz. Am deutlichsten fällt die Entwicklung bei den Afghan*innen auf: Waren es 2021 noch 116 Flüchtlinge, die das Bundesamt für Flüchtlinge (Bamf) wegen geschlechtsspezifischer Verfolgung anerkannte, waren es 2022 bereits 1.027 und allein im ersten Halbjahr 2023 schon 1.499.

Die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Clara Bünger, kommt zu dem Schluss, dass die staatliche Verfahrensberatung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) “offenkundig nicht dazu geeignet war, vorhandene Vulnerabilitäten verlässlich festzustellen.” Bünger kritisiert zudem die geplanten Kürzungen und betont: “Politisch versprochen war eine Verdoppelung der Mittel für das Jahr 2024 – selbst dieser Betrag wäre nur die Hälfte der Summe, die für eine flächendeckende unabhängige Beratungsstruktur erforderlich ist.“

HINWEISE

Engagierte Muttersprachler*innen gesucht

Der Gemeindedolmetscherdienst Dresden (GDD) sucht engagierte Muttersprachler*innen. Der Gemeindedolmetscherdienst Dresden bietet seit mehr als 15 Jahren Unterstützung bei der sprachlichen und kulturellen Verständigung im Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen.

Als Sprach- und Kulturmittler/innen tragen die ehrenamtlichen Mitglieder als Brücke zwischen den Kulturen zur Verständigung bei. Sie dolmetschen und übersetzen in Bereichen des Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesens gegen eine Aufwandsentschädigung. Aktuell gesucht sind Muttersprachler/innen u.a. für: Albanisch, Amharisch,  Bulgarisch, Georgisch, Griechisch, Kurdisch (Kurmanschi, Sorani), Mazedonisch, Paschtu, Portugiesisch, Punjabi, Russisch, Rumänisch, Serbokroatisch, Slowakisch, Somalisch, Tigrinya, Tschetschenisch, Türkisch und Ukrainisch.

Interessierte können sich mit einer Kurzbewerbung samt Lebenslauf an Grit Mager wenden. (Email: gdd@sufw.de Tel.: 0351 484 3803)

Save the date: Fachtag – Frauen*spezifische Verfolgung

Noch immer fliehen weltweit Frauen* aufgrund von geschlechtsspezifischer Verfolgung und Gewalt wie Zwangsheirat, weibliche Genitalverstümmelung sowie häuslicher oder sexueller Gewalt. Trotzdem steht auch heute noch die tatsächliche Anerkennungspraxis von frauen*spezifischen Asylgründen häufig im Widerspruch zur gesetzlichen Verankerung von geschlechtsspezifischen Fluchtgründen. Das Projekt ACT – Asyl-, Perspektiv- und Anschlussberatung für Geflüchtete in Sachsen – lädt ein zu einem Fachtag zum Thema „Frauen*spezifische Verfolgung“ mit spannenden Referent*innen.

🧭 Wann?
Donnerstag, 16.11.2023 von 9:30 bis 16:00 Uhr
📍 Wo?
Leipzig
🤔 Wer?
Die Fachtagung richtet sich vorrangig an Berater*innen aus dem Flucht- und Migrationsbereich. Weitere Interessierte sind herzlich willkommen.
💸Kosten
Die Veranstaltung ist kostenlos.

Eine Einladung mit detaillierten Informationen zu Referent*innen, dem Ablauf und zur Anmeldung folgt.

Das Projekt ACT ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Sächsischen Flüchtlingsrat e.V., Aguia e.V., Help e.V. und Bon Courage e.V.

Fachtag – „Paradigmenwechsel“ oder „Abschiebungsoffensive“? Aktuelle Entwicklungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht

Am 1.1.2023 trat der erste Teil des Migrationspakets in Kraft, der von der Bundesregierung als„erster wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Neuanfang in der Asyl-, Migrations- und Integrationspolitik sowie einer umfassenden Modernisierung des Einwanderungsrechts“ bezeichnet wurde. Neben dem neugeschaffenen Chancenaufenthaltsrecht, das auf größeres öffentliches Interesse stieß, erfolgten noch weitere Gesetzesänderungen, die nicht so breit rezipiert wurden: So wurden die Bleiberechtsregelungen der §§ 25a,25b AufenthG für eine größere Anzahl von Personen zugänglich gemacht. Zudem gibt es Neuerungen im Bereich der „Fachkräfteeinwanderung“, die sich teilweise auch an Geduldete richten. Gleichzeitig jedoch erfuhr das Asylgesetz einige Veränderungen, die darauf abzielen, Asylverfahren zu beschleunigen.

Nach einem guten halben Jahr blicken wir gemeinsam auf diese Gesetzesänderungen und ihre Anwendung durch die sächsischen Ausländerbehörden.

Referent*innen:
Rechtsanwätin Dr. Kati Lang (Dresden)
Rechtsanwältin Carolin Helmecke (Dresden)
Rechtsanwalt Thomas Stöckl (Leipzig)

🧭 Wann?
Freitag, 08.09.2023 von 10:00 bis 17:00 Uhr
📍 Wo?
Riesa Efau
Wachsbleichstraße 4a, Dresden
🤔 Wer?
Zielgruppe: interessiertes Fachpublikum aus der Beratung von Geflüchteten, Migrations- und Flüchtlingssozialberatung, Asylverfahrensberatung, Fachkräfte aus Regelstrukturen sowie auf dem Gebiet des Migrationsrechts tätige Rechtsanwält*innen, Mitarbeitende von Behörden mit inhaltlichem Bezug sowie langjährig Aktive
💸Kosten
Die Veranstaltung ist kostenlos, die Kapazität auf 60 Plätze begrenzt.

Mehr Infos und Link zur Anmeldung findest Du hier.

DREI STIMMEN AUS DER PRESSE

Wenn die CDU auf AfD macht, nutzt das vor allem dem Original
von Oliver Reinhard/Sächsische Zeitung

Halbieren wollte der CDU-Vorsitzende die Stimmen der AfD; sie haben sich stattdessen seit der letzten Bundestagswahl fast verdoppelt. Dennoch scheint Merz nicht auf die Idee zu kommen, dass es nicht nur an der Ampel liegen könnte.

Politische Hetze gegen Zuwanderung: Seid ihr Volksvertreter noch bei Trost?
von Bascha Mika/Frankfurter Rundschau

Ist es also Dummheit, Fahrlässigkeit oder kaltblütiges Kalkül, was sich Politiker und Politikerinnen der bürgerlichen Parteien derzeit leisten? Seit Monaten befeuern sie – mal grob, mal subtiler – den Diskurs über Zuwanderung und Asyl.

AfD im Umfragehoch: „Der Begriff Protestwähler ist verharmlosend“
Interview mit Wilhelm Heitmeyer/Sächsische Zeitung

Die Nationalradikalen werden stärker. Markus Söder etwa musste das im Wahlkampf erfahren, als er versuchte, die AfD rechts zu überholen. Das Gefährliche ist, dass die Übernahme von rechter Rhetorik dazu führt, dass sie sich normalisiert. Und was erst mal als normal gilt, kann nachher kaum noch problematisiert werden.

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