Die Party auf Sylt ist in aller Munde: Vor der herrlichen Meereskulisse am Strand singen die reichen Kids fröhlich die Melodie von “L’amor toujours”, allerdings mit einem Text, der ihre momentane Gefühlslage besser zu treffen scheint: “Ausländer raus! Deutschland den Deutschen”. Nach der Veröffentlichung des Videos meldeten sich mehrere Menschen, die das Lied schon mehrfach gehört hatten: Auf vielen Dorffesten in Sachsen beispielsweise gehöre es bereits zum guten Ton. Dann kam eine Meldung aus Thüringen: Am Tor einer Unterkunft für Geflüchtete singen die Securities dasselbe Lied – direkt vor seinen Adressat*innen.
Kategorie: Allgemein
Newsletter 04/24: Wenn die Klagen verstummt werden
Wer sich beschweren will, muss für sich selbst sprechen können. Geflüchtete gehören jedoch zu den Rändern der Gesellschaft, die am wenigsten gehört werden, obgleich ständig über sie gesprochen wird. Auch wenn sie untereinander klare Worte zu ihren Bedingungen finden, können sie sich im herrschenden Diskurs (eines ihnen noch fremden Landes) nicht artikulieren. Zudem werden sie tagtäglich in und von den Behörden entrechtet oder schweben an den Grenzen des Rechts. Die Angst, die auch uns bei jedem Campbesuch begegnet, ob es dem Asylverfahren schaden könnte, wenn man sich über die Unterkünfte offen beschwert, spiegelt diesen Zustand im Alltag wider.
Das Sozialamt Leipzig antwortete (wohl auch mit Blick auf diese Zahlen) auf einen unserer Berichte über Missstände in Unterkünften, dass „der Stadt Leipzig keine Beschwerden vorliegen“. Laut Landesdirektion handelte es sich bei unseren Äußerungen um „unsachliche Pauschalkritik“. Wahrscheinlich hätten wir uns die überschaubare Zahl der Beschwerden ansehen und aufgeklärt seufzen sollen: „Was ich da in den Unterkünften tatsächlich gesehen habe, stimmt einfach nicht!“
Besuch im Camp in Leipzig: eine Tür, ein Dach und ein Kühlschrank
Das Camp am Deutschen Platz in Leipzig, das von der privaten Firma Saxonia Catering betrieben wird und Hunderte von Geflüchteten beherbergt, besteht aus großen Zelten mit Holzböden und provisorischen Zimmern, die durch dünne Holzwände voneinander getrennt sind. Die Zimmer, die mit Etagenbetten für mindestens vier Personen ausgestattet sind, haben keine Türen, sondern Plastikvorhänge. Ein Geflüchteter malte eine Tür auf den Vorhang, aber die Leitung verstand das wohl als Protest und ersetzte den Vorhang sofort durch einen neuen. Die Holzwände der Zimmer reichen nicht bis zum Dach, so dass man nicht nur die Geräusche, sondern auch die Gerüche der Nachbar:innen wahrnimmt. Viele Campbewohner:innen berichten vom gleichen Problem: Es fällt ihnen schwer, ihre Zimmer zu verlassen und nachts zu schlafen, weil sie Angst um ihre Sachen und Angehörigen haben.
Newsletter 03/24: Unsere Fragen oder die Antworten anderer
An der westafrikanischen Küste gibt es Fischer*innen, die durch die EU-Maßnahmen nicht nur jegliche Lebensgrundlage, sondern auch ihr (mittlerweile leergefischtes) Meer verloren haben. Einige von ihnen haben aus der Erfahrung mit dem Meer ein neues, zeitgemäßes Geschäft gemacht: Vermietung und Verkauf von Booten an Flüchtlinge oder auch als Kapitäne auf der gefährlichen Überfahrt. Denn nicht trotz, sondern gerade wegen des Rohstoffreichtums herrscht in ihren Ländern absolute Armut, sodass ihnen keine andere Wahl bleibt.
Frühlingsputz: Eine Zwischenbilanz der Entrechtung und Newroz
Heute ist Newroz – das Frühlingsfest vieler Gesellschaften. Millionen Menschen weltweit feiern heute den Beginn des Frühlings, aber es bedeutet nicht nur die Wiederblüte der Bäume und die Begrüßung der Sonne, die nun tiefer eindringt. Viele Menschen verbinden mit diesem Fest den Aufbruch in ein aufblühendes Leben und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir einen Blogbeitrag mit einer Zwischenbilanz in unserem Bereich. Der Beitrag wurde ursprünglich als Redebeitrag für die Demonstration des Bündnisses Sachsen Muss Aufnehmen am 21. März 2024 in Dresden geschrieben und dort verlesen. Wir wünschen allen unseren Freund*innen ein frohes Newroz, einen fröhlichen Frühling.
PM Turnhalle statt Wohnung: Ukrainische Geflüchtete beklagen unwürdige Zustände in Notunterkunft
Familien mit Kindern, Rentner und Menschen mit Behinderung wohnen nach ihrer Flucht aus der Ukraine gemeinsam in der Turnhalle Meinersdorf, einer kommunalen Notunterkunft. Fehlende Beratung und Übersetzung, keine Küche, keine Angebote für Kinder – 30 Personen leben hier auf engstem Raum unter unwürdigen Bedingungen. Gleichzeitig steht im Erzgebirgskreis Wohnraum zur Verfügung und selbst Kapazitäten der Erstaufnahme würden eine humanere Form der Unterbringung zulassen.